“Kindergeld für alle”

Baukje Dobberstein 22.04.2021 Druckversion

Die einzige bedingungslose Geldleistung des deutschen Staats an seine Bürger ist das Kindergeld. Ein einmaliger einfacher Antrag zu Beginn des Lebens eines Kindes und schon wird regelmäßig jeden Monat eine feste Summe überwiesen. Aktuell sind es mindestens 219 Euro. Es bekommt, wer die Lebenshaltungskosten des Kindes trägt, meist die Eltern.

Das Kindergeld ist bedingungslos. Die Bedürftigkeit wird vorausgesetzt, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Die Verwendung des Geldes wird nicht kontrolliert und es kommt trotz gegenteiliger Befürchtungen dennoch an, wie eine Bertelsmann-Studie von 2018 zeigt. Es wird keine Gegenleistung erwartet. Das Kindergeld in Deutschland ist ein partielles Grundeinkommen für Kinder.

Das Kindergeld hat die Aufgabe, das Existenzminimum des Kindes von der Einkommensteuer freizustellen, deswegen gibt es für Eltern mit hohen Einkommen stattdessen  im Nachhinein einen Kinderfreibetrag – was für die jeweiligen Eltern günstiger ist, berücksichtigt das Finanzamt automatisch.

Auch das Existenzminimum von Erwachsenen wird verfassungsgemäß von der Einkommensteuer freigestellt, und zwar über den Grundfreibetrag. Warum sollte nicht auch dies – ähnlich wie beim Kindergeld statt Kinderfreibetrag – vorab ausgezahlt werden? Quasi als “Erwachsenengeld”. Mit einem partiellen Grundeinkommen für alle, vorab und monatlich ausgezahlt, wird das Existenzminimum indirekt einkommensteuerfrei gestellt. Es entspricht aufgrund der veränderten Wirkweise in der Summe in etwa der heutigen Steuerersparnis durch den Grundfreibetrag. Der Grundfreibetrag selbst wird dadurch entweder ersetzt oder im Nachhinein mittels Günstigerprüfung noch gewährt.

“Du bist gewollt”

Die Botschaft eines bedingungslosen partiellen Grundeinkommens ist eine ganz andere als beim Steuerfreibetrag. Denn Geld zu bekommen ist psychologisch etwas völlig anderes, als Geld nicht bezahlen zu müssen. Und auch für das Verhältnis zwischen Staat und Bürger macht es einen Unterschied, ob etwas vorab erhalten oder bloß im Nachhinein von Steuerpflichten abgezogen wird.

Es ist ein bisschen wie beim Wichteln: Wenn jeder etwas für 10 Euro kauft und dann für 10 Euro geschenkt bekommt. Ein rechnerisches Nullgeschäft, aber es fühlt sich gut an, da ein wertschätzendes Geben und Nehmen stattfindet. Rein ökonomisch kann man sich das Wichteln sparen, aber damit geht die Botschaft verloren. Beschenkt zu werden, gibt einem das gute Gefühl: “Du bist gewollt” oder auch “du gehörst dazu”. Und auch das Schenken macht Spaß.

Gerade in heutigen Zeiten ist es so wichtig wie schon lange nicht mehr, vom Staat eine positive Botschaft an die Bürger auszusenden. Ein bedingungsloses partielles Grundeinkommen kann eine solche positive Botschaft sein. In Zeiten, in denen uns so viel abverlangt wird an Solidarität, Disziplin und Einschränkungen, kann die Botschaft, “du gehörst dazu und bist gewollt”, einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten.

Gleichzeitig macht es Spaß, etwas zu geben. Wenn innerhalb einer Gesellschaft jeder etwas bekommt und jeder etwas gibt, dann fördert das den Zusammenhalt und den Gemeinsinn. Ein Grundeinkommen macht alle Bürger zu Empfangenden und zu Gebenden. Es überwindet die Trennung zwischen denen, die zahlen und denen, die bekommen. Alle gehören dazu.

„Geschenke vom Staat“

Bei dem Gedanken an „Geschenke vom Staat“  haben viele Angst vor steigenden Schulden. Doch die sind bei dem hier vorgeschlagenen Modell gar nicht erforderlich. Durch die gleichzeitige Streichung des Freibetrags ist das Ganze nahezu aufkommensneutral. Es werden lediglich ein paar Löcher im System gestopft.

Verdeckte Armut wird reduziert. Diejenigen die heute unterhalb des Existenzminimums leben, weil sie kein ausreichendes eigenes Einkommen haben und auch keine oder keine ausreichenden staatlichen Sozialleistungen beziehen, bekommen mit dem partiellen Grundeinkommen wahrscheinlich etwas mehr als vorher. Das ist ein starkes Zeichen der Solidarität der Gesellschaft. Und  diese Ausgaben hätte der Staat ohnehin, wenn diese Menschen ihre Rechte einfordern würden. Aktuell spart der Staat, weil er Bedürftige durch bürokratische Hürden davon abhält, Leistungen in Anspruch zu nehmen, auf die sie eigentlich ein Anrecht haben. Dieser Missstand wird durch das partielle Grundeinkommen deutlich reduziert.

An der Höhe des Existenzminimums ändert sich durch diesen Vorschlag noch nichts, dafür braucht es andere Reformen,  wie zum Beispiel die Garantiesicherung der Grünen oder vergleichbare Forderungen bei den Linken. Gleichwohl ändert sich etwas: Personen, die ausschließlich von existenzsichernden Sozialleistungen leben, wird zwar – genau wie beim Kindergeld – auch das partielle Grundeinkommen auf die Leistungen angerechnet. Doch  das partielle Grundeinkommen ist bedingungslos, weshalb es weder neu beantragt werden muss noch gekürzt werden kann.

Auf die Erwerbstätigkeit hätte das partielle Grundeinkommen dagegen wahrscheinlich keinen nennenswerten Einfluss, da die tatsächlich zur Verfügung stehenden Einkommen unverändert bleiben. Alle erhalten das partielle Grundeinkommen vom Staat, Arbeitnehmer bekommen dafür durch die Steuern ab dem ersten Euro etwas weniger Netto vom Arbeitgeber ausgezahlt.

Umwandlung des Grundfreibetrags in ein partielles Grundeinkommen

Die Umwandlung des pauschalierten Steuerentlastungseffekts des Grundfreibetrags der Einkommensteuer in ein partielles monatlich ausgezahltes Grundeinkommen ist eine weitestgehend kostenneutrale Reform. Dabei können weitere Erfahrungen mit bedingungslosen Zahlungen gemacht und ein wichtiger Beitrag zu einem positiveren Staatsverständnis geleistet werden. Es könnte auch zunächst als Modellprojekt in einer Region für alle dort Lebenden durchgeführt werden

 

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