Bundesrat der Schweiz empfiehlt: Ablehnung der Volksinitiative “Für ein bedingungsloses Grundeinkommen”

Ronald Blaschke 22.09.2014 Druckversion

Der Bundesrat der Schweiz (entspricht unserer Bundesregierung), empfiehlt dem Nationalrat (ähnlich unserem Bundestag) und dem Ständerat (ähnlich unserem Bundesrat) die Ablehnung der Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“.

Die Volksinitiative fordert:
„Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:
Art. 110a (neu) Bedingungsloses Grundeinkommen
1 Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
2 Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen.
3 Das Gesetz regelt insbesondere die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens.“

Seine Ablehnungsempfehlung begründet der Bundesrat so:

„Die Volksinitiative ‘Für ein bedingungsloses Grundeinkommen’ will den Bund verpflichten, ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen. Der Bundesrat anerkennt zwar das Anliegen, der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben zu ermöglichen. Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens hätte aus seiner Sicht aber einschneidende negative Auswirkungen insbesondere auf die Wirtschaftsordnung, das System der sozialen Sicherheit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Schweiz. Er beantragt dem Parlament deshalb, die Initiative Volk und Ständen ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.“ (S. 2)

Da der Initiativtext kein konkretes Grundeinkommenskonzept vorschlägt, stützte sich der Bundesrat bei der Einschätzung der möglichen Auswirkungen auf die Erläuterungen von Christian Müller und Daniel Straub, die sich überwiegend am substitutiven Grundeinkommenskonzept von Götz Werner orientieren: „Aus Sicht der Initiantinnen und Initianten sollen für die Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens die bei den Leistungen der sozialen Sicherheit eingesparten finanziellen Mittel sowie das gesamte Erwerbseinkommen bis zur Höhe des bedingungslosen Grundeinkommens eingesetzt werden. Das Erwerbseinkommen könnte gemäss Müller und Straub über eine Konsumsteuer abgeschöpft werden.“ (S. 11 ff.)

Der Bundesrat erwartet angesichts dieses Grundeinkommenskonzepts folgende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: „Bei einem garantierten Grundeinkommen von monatlich 2500 Franken wäre es für mehrere Kategorien von Personen finanziell nicht mehr lohnend, erwerbstätig zu sein. Dies gilt insbesondere für jene Erwerbstätigen, welche weniger oder nicht viel mehr als 2500 Franken im Monat verdienen […] Besonders deutlich würde die Reduktion der Erwerbstätigkeit bei den Tieflohnbeziehenden und den Teilzeitarbeitenden, bei denen es sich mehrheitlich um Frauen handelt, sowie bei Mehrpersonenhaushalten ausfallen. […] Die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens würde auch die Problematik der Schwarzarbeit verschärfen. Je nach Einkommenssituation könnte es verlockend sein, sich neben den 2500 Franken Grundeinkommen etwas dazuzuverdienen, ohne dies zu deklarieren, weil die ersten 2500 Franken des Erwerbseinkommens vollständig als Steuern für das Grundeinkommen bezahlt werden müssten (Grenzsteuersatz 100 %).“ (S. 17)

Zwar erkennt der Bundesrat an, dass ein Grundeinkommen in der genannten Höhe die Einkommensarmut in der Schweiz beseitigen würde. Durch die Ausgestaltung des Grundeinkommens würden aber – strukturell bedingt – Frauen vom Arbeitsmarkt in unbezahlte Arbeit gedrängt: „Da im Niedriglohnbereich viele Frauen zu finden sind und weil sie zudem überdurchschnittlich oft teilzeitlich erwerbstätig sind, würde der Anreiz, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, insbesondere bei Frauen sinken. Paare würden deshalb vermehrt nach dem traditionellen Familienmodell leben. Vermutlich würde dadurch auch die bestehende geschlechtsspezifische Rollenteilung in der Care-Arbeit gefestigt. Und die Frauen würden mutmasslich dazu gedrängt, noch mehr Care-Arbeit zu übernehmen, als sie es heute schon tun, damit der steigende Bedarf an solchen Leistungen gedeckt werden kann. Das bedingungslose Grundeinkommen würde hierzu keine alternativen Anreize bieten.“ (S. 19)

Die negative Stellungnahme des Bundesrats wurde umgehend von der Presse aufgegriffen, meist in dem Sinn, damit sei die Volksinitiative ja nun wohl vom Tisch. Ebenso prompt kamen aber auch Entgegnungen von Grundeinkommensbefürwortern. So titelt Daniel Häni: Bundesrat hat Angst vor fehlenden Arbeitsanreizen und schreibt u. a.: „Im Vordergrund der Betrachtung steht die Angst, dass die Menschen nicht arbeiten, wenn man sie dazu nicht bedingen kann. Faulheit zu unterstellen ist aber einfach und falsch, weil die Faulheit erwiesenermassen als Folge von fremdbestimmtem Arbeiten hervorkommt, das Grundeinkommen also gerade eine Initiative gegen die Faulheit ist, die befürchtet wird.“

Wir dürfen gespannt sein, wie der Nationalrat- und der Ständerat mit der Empfehlung des Schweizer Bundesrats umgehen.
Es wäre zu wünschen, dass Politik und Öffentlichkeit in der Schweiz bei der Diskussion über den Vorschlag der Volksinitiative auch andere Grundeinkommensmodelle in Betracht ziehen, mit anderen Finanzierungskonzepten und weiter reichenden gesellschaftlichen Veränderungen. Nur so lassen sich meiner Meinung nach manche Behauptungen des Bundesrats widerlegen und Debatten entfachen, die weit über die Finanzierungsfrage des Grundeinkommens hinausreichen.

  • Substitutiv heißt, dass durch das Grundeinkommen alle Einkommen (Erwerbseinkommen, soziale Leistungen …) in Höhe des Grundeinkommens ersetzt, also entweder zu 100 Prozent versteuert oder nicht ausgezahlt werden. In Deutschland vertritt fast ausschließlich Götz Werner diesen Grundeinkommensansatz (vgl. Übersicht über Grundeinkommensansätze).

3 Kommentare

bernd schmitt schrieb am 17.02.2015, 12:56 Uhr

Die Reduktion der Erwerbsarbeit im unteren Leistungsbereich ... Gerade da würde ein Grundeinkommen zu einem lebenswerten Gesamteinkommen führen. Mit einem Grundeinkommen könnten sie auch ganz offiziell Nebentätigkeiten ausüben, ohne gleich als Schwarzarbeiter abgestempelt zu werden.

Juergen Rettel schrieb am 17.03.2015, 10:06 Uhr

„Das Erwerbseinkommen könnte gemäß Müller und Straub über eine Konsumsteuer abgeschöpft werden.“

Das Modell von Müller/Straub ist also beschäftigungsabhängig, es erwartet die Grundfreibeträge der Erwerbstätigen zur Finanzierung. Damit erfüllt es nicht den Ansatz von Götz Werner, und der Schweizer Bundesrat hat den Unfug des Werner-Ansatzes aufgedeckt: Man kann die Preise nicht stabil halten, indem man die Löhne kürzt und dann die Lohnkürzung zur Finanzierung des bGE heranziehen. Das erhöht vielmehr die Preise.

Horst Weyrich schrieb am 25.03.2016, 12:38 Uhr

Ich lese aus der Begründung des Schweizer Bundesrates, dass der Niedriglohnsektor erhalten bleiben soll, insbesondere für Frauen. Es ist aber GERADE ein Ansatz des bGE, dass sich neue Bedingungen für schlechte Arbeit entwickeln sollen. Erst wenn schweißtreibende, schmutzige, dem Wetter ausgesetzte Arbeiten sowie Pflegearbeiten genauso bezahlt werden wie Büro- und Bildschirmarbeit, kann das Gleichgewicht zwischen benötigten Arbeiten und angestrebten Arbeiten sowie zwischen Schulausbildung und Handwerk wieder hergestellt werden. Ein Volk kann nicht nur aus Akademikern bestehen.

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