Eine Partei nur für Grundeinkommen

Reimund Acker 22.09.2016 Druckversion

bge-partei

„Hack“ (sprich „häck“) bezeichnet bei Computerleuten das, was ein Hacker tut bzw. das Ergebnis, wenn er Erfolg hat: Er kann dann das gehackte System zu Zwecken nutzen, für die es nicht vorgesehen war. Und dabei gibt es durchaus auch ehrenwerte Zwecke.

Wenn es nach dem Willen einiger BGE-Aktivisten geht, soll nun auch das Parteiensystem gehackt werden. Weil in Deutschland – anders als in der Schweiz – keine Volksabstimmung auf Bundesebene zum Grundeinkommen möglich ist, wollen sie eine BGE-Partei gründen, deren einziger Zweck und Programmpunkt die Einführung des Grundeinkommens in Deutschland ist. Durch diesen „Systemhack“ könnten die Wähler auch ohne Volksabstimmung für das Grundeinkommen stimmen, indem sie ihre Zweitstimme der BGE-Partei geben.

Der Computerjargon verrät schon, dass sich Piraten unter den Aktivisten befinden, die am Wochenende in München die BGE-Partei aus der Taufe heben wollen. Die Gruppe nennt sich Bündnis Grundeinkommen und hat auch schon eine eigene Website. Das Projekt findet zunehmend Aufmerksamkeit und Zuspruch in der Szene. Unterstützer und Mitgründer aus allen Teilen des Landes wollen sich am Sonntag auf den Weg ins Münchner Eine-Welt-Haus machen. Es dürfte dort also voll werden und wer dabei sein möchte, sollte sich unbedingt vorher anmelden.

Parteien mit dem Grundeinkommen im Programm gibts es bekanntlich schon, z. B. die Piraten, die Violetten, die PSG und die Partei der Humanisten. Die haben aber noch andere Dinge im Programm, die den Wählern offenbar weniger gefallen. Vielleicht sind deshalb ihre Wahlergebnisse bisher mager, oder weil ihr öffentlicher Auftritt missfällt.

Einen ähnlichen Ansatz gibt es seit der Bundestagswahl 2009, als das Netzwerk Grundeinkommen im Rahmen seiner Kampagne „Grundeinkommen ist wählbar“ zur parteifreien Direktkandidatur für das BGE ermutigte. Ich hab es damals probiert und beim Unterschriftensammeln interessante Menschen kennengelernt.

Sollte es den Gründern von Bündnis Grundeinkommen am Sonntag tatsächlich gelingen, sich trotz der vielen Wünsche aus ihren Reihen nach Aufnahme weiterer Programmpunkte auf einen einzigen – das Grundeinkommen – zu beschränken, so würde damit ein neuer Typ von Partei auf der politischen Bühne der Bundesrepublik erscheinen, der Anhängern und Wählern neue strategische Optionen eröffnen würde.

Die zu erwartende Wirkung der BGE-Partei auf die Parteien im Bundestag (oder in dessen Nähe) ließe sich zur Strategie ausbauen: Bringe sie dazu, das Grundeinkommen ins eigene Programm zu nehmen, indem du ihnen glaubhaft den Entzug von Wählerstimmen androhst. Da wirken oft schon 2 bis 3 Prozent wahre Wunder. So war es jedenfalls in der Anfangszeit der Grünen: Die entfalteten womöglich ihre stärkste Wirkung, solange sie knapp unter der 5-Prozent-Hürde lagen.

Und eine weitere Wirkung wäre zu erwarten, sobald das Projekt BGE-Partei Erfolg verspricht: Es könnte die Blaupause für weitere solche Ein-Thema-Parteien liefern und die Frage aufwerfen, ob es nicht doch besser wäre, das Volk über ein Thema abstimmen zu lassen, statt das Thema auf unabsehbare Zeit in Form der Ein-Thema-Partei am Hals zu haben. Der Druck auf die Einführung von Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene könnte also zunehmen. Zumal eine Parteigründung im Vergleich zu einem Volksbegehren relativ billig zu haben ist: Es genügen 61 Mitglieder und bundesweit 25.000 Unterschriften, genauso viele wie der Antrag auf ein Volksbegehren in Bayern. Aber dort müssen anschließend noch ca. 930.000 Wahlberechtigte innerhalb von 14 Tagen im Rathaus unterschreiben, damit das Volksbegehren eingeleitet wird. Das fällt bei der Gründung einer Bundespartei weg.

Ich hab ja normal mit Parteien nicht viel am Hut, finde sie eher uncool, aber ich muss zugeben, dass ich das geplante Experiment einer BGE-Partei interessant finde und seinen Aktivisten Erfolg wünsche: Möge die Macht mit euch sein!

19 Kommentare

Bernhard Meisel schrieb am 23.09.2016, 17:00 Uhr

Mit der Bodenzeitung werden die Leute gefragt, was sie arbeiten würden, wenn ihr Einkommen gesichert wäre. Da ist es nur konsequent, den Leuten auch eine Möglichkeit zu geben, für ein bedingungsloses Grundeinkommen zu stimmen.

Ute Plass schrieb am 23.09.2016, 21:00 Uhr

\"Der Druck auf die Einführung von Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene könnte also zunehmen.\"

Diese Hoffnung hege ich auch :-)

Werner Winkler schrieb am 24.09.2016, 06:40 Uhr

Wenn die innerparteiliche Kultur so ist, dass sie als Vorbild für die anderen Parteien taugt, könnte das einen zusätzlichen Aufmerksamkeitsfaktor schaffen - aber ebenso umgekehrt: die Aufmerksamkeit vom Thema selbst ablenken. Ich denke schon, dass die Wählenden von den Kandidierenden wissen möchten, wie sie sich zu anderen Themen stellen oder wen sie ins Bundeskanzleramt wählen würden. Aber das kann ja individuell kommuniziert werden, ohne dass es eine Parteilinie geben muss.

Anton Doll schrieb am 25.09.2016, 13:07 Uhr

Ich denke auch, dass sich BGE zu anderen Themen positionieren muss (und wird), denn die Fragen werden gestellt. Wenn man ein wenig überlegt, dann ergeben sich aus dem BGE fast zwangsläufig weitere politische Themen und Forderungen.

Susanne Fritz schrieb am 26.09.2016, 11:08 Uhr

Was für eine super Idee! Die Partei würde ich sofort wählen! Denn das ist Impact Power nach meinem Geschmack.

Tom Meier schrieb am 05.10.2016, 18:05 Uhr

Das ist einfach klasse und überfällig. Das Grundeinkommen ist gesellschaftlich so relevant und gleichzeitig themenübergreifend. Es zwingt unsere Regierung dazu die Augen zu öffnen, und sich der realen Lebenssituation von Millionen von Bürgern zu stellen. Außerdem bekommt die Linke endlich einen Partner an die Seite gestellt, den mit SPD und Grünen ist nichts zu verändern. Ich wünsche euch allen nur möglichen Erfolg.

Peter Berens schrieb am 12.10.2016, 18:50 Uhr

Das BGE ist ja nicht nur irgendeine sozial wirtschaftliche Regelung, sondern wäre verbunden mit einer tiefgreifenden Veränderung unserer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Alles bisherige Erreichte in der sozialen Marktwirtschaft basiert auf der Annahme, dass die Wirtschaft ständig steigt. Umweltkatastrophen und gesättigte Märkte zeigen, dass das unmöglich ist. Also mit der Diskussion über den BGE kommt alles auf den Tisch.

Manfred Brauser schrieb am 19.10.2016, 10:36 Uhr

Und wie wird das Ganze finanziert? Ganz einfach, wenn die ganzen Maschinen, die die Arbeit wegrationalisieren, besteuert würden. Es muss nur der Wille dazu da sein und es konsequent umgesetzt werden, und Lösungen, wie denn die Maschinen bewertet und besteuert würden, kommen dann auch!

Hans Stallkamp schrieb am 31.10.2016, 07:45 Uhr

Hallo, die Grundeinkommenspartei „BGE\"- Bündnis Grundeinkommen- ist keine Partei für „Links\" oder „Rechts\", sie umfaßt das ganze Parteienspektrum:

„Die Würde des Menschen\"

(siehe unser Grundgesetz)

Deswegen ist sie eine „Einthemenpartei\"

und nur für die „Zweitstimme \". Sie ist wählbar für alle stimmberechtigten deutschen Bundesbürger

egal ob „Links\" oder „Rechts\"

-Gott sei Dank, sie, die „BGE\" ist bereits gegründet.

Doroteja schrieb am 02.11.2016, 15:31 Uhr

Bevor ich mich für eine Partei entscheide, will ich schon wissen, wie sie zu bestimmten Fragen steht, z.B. zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Die Einführung eines Grundeinkommens beantwortet solche Fragen nicht. Daher wird die neu gegründete Partei wohl nicht umhin kommen, sich auch in anderen Fragen zu positionieren, was natürlich zur Spaltung der Wählerschaft führt. Gleichwohl wird die neue Partei in ihrem Programm wohl einen Schwerpunkt auf das Thema Grundeinkommen legen. Ich empfehle, weitere bürgernahe und basisdemokratische Schwerpunkte zu setzen. Dann wird die Partei hoffentlich für viele wählbar.

Thorsten schrieb am 07.11.2016, 12:45 Uhr

Blöde Idee!

Noch eine Partei, die die Befürworter eines Grundeinkommens bei den Grünen und Linken absaugen wird, um sie dann unter der 5%-Hürde verschwinden zu lassen, stärkt die Parteien dort wo entschieden wird, die das Grundeinkommen nicht wollen. Ihr müsst auf alle Parteien einwirken, dass es dort einen breiten Konsens gibt. Volksentscheide und Unterschriftenlisten, aber auch Parteiarbeit! Politik in den Parteien machen die, die hingehen! Die Partei, die ihr da plant, hätte keine Chance. Ein-Themen-Parteien haben keine Chance. Die Debatte der Vor- und Nachteile eines Grundeinkommens, die bei Grünen und Linkspartei schon fortgeschritten geführt wird, würde bei Null anfangen und sich um Jahre verschieben!

Thorsten schrieb am 07.11.2016, 13:10 Uhr

Und wenn diese Einthemenpartei dann da ist und sich doch von ihren Mittgliedern gezwungen sieht, mehr Themen anzufassen, passiert das was überall passiert. Erst kommen die Pöstchenabgreifer, die mit ihrer ganzen Erfahrung prahlen und dann dieselben Fehler machen, für die sie bei ihren Exparteien nicht mehr gewählt wurden. Es ist ja nicht so, das man mit einer Partei kein Geld machen kann. Und dann dürft ihr euch noch mit den ganzen Rechtsradikalen und Kommunisten, die sich überall reinhängen, rum ärgern. Seht euch doch die Lucke-AfD und die Piraten an. Durch rechte Populisten sehr viel Arbeit kaputt gemacht. Wenn ihr Parteien schon als uncool bezeichnet, solltet ihr keine gründen! Da müsst ihr ganz viel Zeit, Arbeit und auch eigenes Geld reinstecken. Die Zeit fehlt euch für euer eigentliches Thema.

Sabine schrieb am 18.11.2016, 00:30 Uhr

@Thorsten

Grüne und Linke arbeiten mit diesem Thema nicht wirklich, da bewegt sich nichts. Außerdem gibt es mit der AfD bereits eine Partei als Beispiel dafür, wie man mit nur einem Thema (denn das ist es klar gesehen), der Fremdenfeindlichkeit, zu Wahlergebnissen über 5 % gelangt. Daher finde ich die Idee der Parteigründung BGE nicht dumm. Die Idee des Grundeinkommens bedingt außerdem die Beschäftigung mit vielen gesellschaftlichen Themen, und alles andere ergibt sich wie bei jeder anderen Partei auch. Jeder hat mal klein angefangen, wie man an den Grünen sieht. Auch wenn die Grünen heute bei vielen Leuten Zweifel aufwerfen, aber wo ständen wir umweltpolitisch ohne diese Bewegung? Verseuchte Erden, verkohlte und verpestete Luft und stinkende tote Flüsse kenne ich noch aus meiner Kindheit (West!). Wir können nicht für 20 Jahre im Voraus denken, aber wir können jetzt handeln. Wenn man mit Nichts anfängt, gibts auch Nichts zu verlieren.

[Anm. d. Red.: Antwort von Thorsten und weitere Debatte hierzu siehe Debattenliste. Abo unter https://www.grundeinkommen.de/mailinglisten/debatten-liste ]

Diana Aman schrieb am 30.11.2016, 21:51 Uhr

Ich finde die Idee der BGE-Partei sehr gut und unterstützenswert. Zumal es auf eine neue Weise Kräfte bündelt und eine bundesweite Aussage schafft.

Es gibt einige Einwände und Befürchtungen, die auch berechtigt sind.

Ob den Parteien, die jetzt schon BGE befürworten, Stimmen genommen werden, ob ein Ergebnis unter 5% nicht eine Schwächung der Idee wäre, ob man es schafft, sich gegenüber anderen Themen neutral zu halten usw.

Das BGE ist derzeit im Aufwind. Die BGE-Partei könnte tatsächlich den Wind in die etablierten Parteien tragen und dafür sorgen, dass einige sich endlich klar dafür oder dagegen bekennen, was ja z. B. für die Linke auch noch ganz klar offen steht.

Dass eine Ein-Themen-Partei nicht gleich über 5% holt, sollte schon im Vorfeld kommuniziert werden. Aber ich denke, dass es eh eine Frage der Interpretation ist. Die einen werden sagen: siehste, will ja doch keiner, die anderen werden sagen: immerhin!

BGE beantwortet sehr viele Fragen der Gesellschaft oder gibt Lösungsansätze. Ich könnte mir gut vorstellen, dass man sich darauf beschränkt.

Alles in Allem: Risiken gibt es immer. Aber es ist gut, wenn die Energie fürs BGE fließt! :-)

Volkmar schrieb am 12.12.2016, 11:36 Uhr

Grundeinkommen wird erst möglich, wenn eine große Anzahl der Menschen davon wissen. Diese Einthemenpartei bringt die Idee unter die Menschen und ist somit von uns Befürwortern zu unterstützen. Übrigens halten sie sich an die Definition vom Netzwerk. Seitdem ich das weiß, gibts von mir volle Unterstützung.

Ich freue mich, dass es Bewegung zu dem wichtigen Thema gibt und merke auch, dass das auf der Straße gut ankommt.

Torsten Müller schrieb am 07.04.2017, 23:36 Uhr

Ein kluger Mann hatte einmal gesagt: \"Eine Idee wird zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift\". Ein anderer kluger Mann sagte einmal: \"Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist\".

Das bedingungslose Grundeinkommen ist diese Idee. Zeigen wir, dass Karl Marx und Viktor Hogo mit ihren Sprüchen Recht hatten. Los geht´s.

Annette Post schrieb am 14.04.2017, 11:11 Uhr

Würde mir für die ganze Menschheit wünschen: keine Hungersnot,große Gemeinschaften,Verteilung der Nachbarschafthilfe für ältere Menschen,Grundmiete,Strom / Gas, usw.

Dies alles wird nur ein Traum sein, weil doch jeder sich nicht mit nur 1000.-€ monatlich zufrieden sein wird und kann, weil der Unterhalt einer Wohnung schon das meiste Geld auffrisst! Jährlich die Preise im Einkauf steigen für den Lebensunterhalt! Gleichheit wird es in unserem Leben niemals geben! Der Unterschied ist schon vom Haus und einer 2 Zimmerwohnung zu erkennen!

Gerhard Seedorff schrieb am 03.05.2017, 15:42 Uhr

Wenn nur ein Bruchteil der lt. Umfragen für das bedingungslose Grundeinkommen eintretenden Bürger die neue Partei mit der Zweitstimme wählen, kann eine künftige Regierung deren Wunsch nicht mehr ignorieren.

Beate Stippl-Frölich schrieb am 21.04.2020, 05:13 Uhr

In der Zeit der Krise jetzt macht die Bundesregierung jede Menge Schulden, mit denen noch die nachfolgenden Generationen zu tun haben werden.

Wie kann da ein Grundeinkommen jetzt funktionieren?

Schreibt mir gern eine email an: beate_stippl-froelich@gmx.de

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