Wir da unten … bleiben da unten und erfreuen uns des Lebens. – Die wirkliche Alternative zum Kapitalismus

Karl-Heinz Thier 23.03.2014 Druckversion

Bisher hatten Menschen aus der Mittelschicht Mitleid mit Menschen aus der Unterschicht und ihnen gezeigt, wie man da rauskommt (Marx, Lenin …). Es hat nicht geklappt, weil außenorientierte Menschen aus der Unterschicht nach vorne gekommen sind (Stalin …). Außenorientiert meint hier die Haltung eines Konsumenten zwischen den Regalen: Brauche ich das oder jenes, diese oder jene Ideologie?[1] Innenorientiert meint hier die Haltung eines Hausmanns oder einer Hausfrau: Was brauche ich für meinen Körper, meine Familie, damit diese glücklich und zufrieden sind, ein einfaches Leben aus eigener Kraft führen, möglichst ohne Geld.[2] Eine karitative oder eine außenorientierte Haltung, vornehmlich oder allein, können uns also nicht weiterbringen.[3]

Das hat auch noch tiefer liegende Gründe. Karitatives Handeln ist oft die Kehrseite von Kriminalität (Mafia, Hoeneß …). Außenorientiertes Handeln läuft über den Kopf, nicht über den Körper, alle Sinne, nicht über ein Ich. Selbstbewusste Menschen sind innenorientiert.

„Was brauche ich?“ wird hier von Menschen gefragt, die wissen, dass sie nicht mehr essen können, als in ihren Magen hineinpasst, und die sich alles selbst oder mit Mitmenschen ihrer Wahl meist ohne Geld besorgen können und deren Sorgen meist nicht über die eines Dorfes (ca. 300 Menschen) hinausgehen. Manche Menschen würden sagen: ein einfaches, glückliches Leben. Menschen waren Anfang des letzten Jahrhunderts in dieser Art zufrieden in ihren Wohnungsbau- und Konsumgenossenschaften, in ihrer Selbstversorgung in den Gärten, in ihrer Kraft gegenüber Arbeitgebern, in ihrer Zuversicht, dass dies einmal die Normalität in dieser Gesellschaft werden würde, und hatten deshalb nicht das Bedürfnis aufzusteigen. Das war die Kraft/Kreativität, die aus der Muße (Radfahrer-, Turn-, Schwimmvereine) kommt wie beim Panther, der stundenlang in den Bäumen liegt. Das war einmal das normale Leben eines Teils der Unterschicht, aber er blieb in der Minderheit. Weil der andere Teil sich durch die Konsumgesellschaft[4] verführen ließ, sich einreden ließ, mensch brauche nicht nur ein gutes Brot, sondern 300 verschiedene Sorten. Mensch konnte sich angeblich nicht mehr von selbst oder in der Nähe Angebautem ernähren. Plötzlich musste mensch angeblich fremde Früchte haben, exotische Früchte, Früchte in 20 modischen, „geschützten“ Marken. So verloren die Konsumgenossenschaften ihre Mitglieder.

Heute, da wir nur noch 20% Erwerbsarbeit brauchen für das, was wir benötigen, und das Finanzsystem über kurz oder lang zusammenbricht, erinnern sich viele wieder der Tradition der Muße des einfachen Lebens und der Selbstversorgung ohne Geld (Lehrer in Teilzeit, glückliche Arbeitslose …) und des kollektiven Lebens (Wohnprojekte, Kooperativen …). Arbeit ist in solchen Zusammenhängen keine beschwerliche, fremdbestimmte, das Leben ausfüllende Tätigkeit mehr, sondern eine Tätigkeit, die aus der Muße kommt. Diese aktivierende Muße wird gefördert durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) von 1500 € netto monatlich für jedeN. Es wird zunächst einmal gefordert von selbtbewussten[5] Menschen in der Art: Wir haben ein Recht auf Leben (ohne dass dafür erst eine Gegenleistung erbracht wird). Unseren Vorfahren wurden Ländereien genommen, von denen sie sich ernähren konnten. Das BGE kompensiert diesen Verlust. Es ist ein Zwischenschritt zu einem Wirtschaften ohne Geld.

Alle innenorientierten, nicht-karitativen Menschen, die „solidarisch“ mit der Unterschicht sein wollen, geben erst einmal alles an Einkommen und Vermögen ab, was über den Bedarf eines guten Lebens (BGE) hinausgeht, wenn ihre „Solidarität“ glaubwürdig sein soll. Andere sind weiterhin willkommen, bei reformerischen Demonstrationen und Aktionen mitzumachen.

Endnoten
[1] Damit scheidet auch der Ansatz von Hugo Chavez aus („Brot für die Armen“).
[2] Damit scheidet auch der Ansatz von Armind Kejrival aus („Das einfache Leben“).
[3] Damit ist nichts gegen Menschen gesagt, die aus einer solchen Haltung agieren. Sie leisten weiterhin einen wichtigen, temporären Beitrag in dieser unmenschlichen Gesellschaft, aber nicht an der Spitze.
[4] Mensch beachte hier die zwei verschiedenen Bedeutungen von Konsum.
[5] „Selbstbewusst“ heißt hier: nicht karitativ und außenorientiert veranlagt.

——————————————————————————————-

Der Autor

Karl-Heinz Thier ist Mitglied des Netzwerks Grundeinkommen und lebt in Hamburg. Mehr Information auf seiner Website. Kontakt: K.Thier@gmx.com.

Einen Kommentar schreiben

Erforderliche Felder sind mit * markiert.
Bitte beachten Sie die Regeln für die Veröffentlichung von Kommentaren.