Das bedingungslose Grundeinkommen ist das demokratische Grundeinkommen!
Im Kommentar zum Grundgesetz von Maunz-Dürig zieht Roman Herzog in seiner Interpretation des Sozialstaatsprinzips des Art. 20 GG die Verbindung zu Artikel 1 und damit zur „Würde des Menschen“. Matthias Herdegen sieht wiederum den Schutz der Menschenwürde des Art.1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot und damit die Verantwortung des Staates „für die materiellen Bedingungen menschenwürdiger Existenz“. Er verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die staatliche Verpflichtung sieht, „die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu sorgen.“
Gleichzeitig verknüpft der Artikel 20 (1) das Sozialstaatsprinzip mit dem Demokratieprinzip und stellt fest: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ Das Grundgesetz konstituiert also nicht nur eine demokratisch legitimierte Staatsform, sondern es beschreibt sie als soziale Demokratie. Die bundesrepublikanische Geschichte lässt sich insofern als gesellschaftspolitische Auseinandersetzung einerseits über die Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips, andererseits des Demokratieprinzips begreifen. Die Kontroverse um die Umsetzung der Staatsfundamentalnorm führte in der Realität zum Beispiel zur Einführung von Volksbegehren und Volksentscheid auf Länderebene und zu den bekannten sozialen Absicherungssystemen, bis hin zu „Hartz IV“.
Warum aber wurde das bedingungslose Grundeinkommen in den letzten 60 Jahren noch nicht eingeführt? Erschließt sich das nicht umweglos aus dem Begriff der sozialen Demokratie?
In der Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen wird dieses in der Regel aus der Geschichte der Industrialisierung abgeleitet und als adäquate Lösung der Folgen dargestellt. Doch bleiben dabei normative Aspekte meist ausgespart bzw. unterbelichtet. Das resultiert daraus, dass für Menschen sich soziale Forderungen quasi wie ein Naturgesetz aufdrängen. Man vergisst aber, dass die gesellschaftliche bzw. ökonomische Realität von sich aus keine Gesetze produzieren kann. Gesetze werden von Menschen, in einem jeweils bestimmten historischen Zusammenhang, gemacht.
Die These, die im Folgenden begründet werden soll, ist: Das bedingungslose Grundeinkommen kann nur ein (direkt)demokratisches Grundeinkommen sein!
Bleiben wir zunächst noch bei den Formulierungen des Grundgesetzes, ein Behelf, um zu zeigen, warum wir das bedingungslose demokratische Grundeinkommen noch nicht eingeführt haben.
Das Grundgesetz führt nicht weiter aus, was das „Soziale“ im Bundesstaat nun sein soll. Letztlich war es das Bundesverfassungsgericht, das den Sozialstaat durch die Einführung eines Minimumstandards untermauerte. Der Begriff der Demokratie wird allerdings in Art 20 (2) GG etwas weiter ausgeführt. Dort heißt es: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen (…) ausgeübt.“
Das war ein Gründungsmotiv der Bewegungen für Volksabstimmungen. Das Grundgesetz legt sich keineswegs nur auf direkte Wahlentscheidungen fest. Es sieht auch die direkten Abstimmungen als Möglichkeit der demokratischen Teilhabe an politischen Entscheidungen vor. Leider wurden deutschlandweite Volksabstimmungen bislang nicht zugelassen. Daher kann man also sagen, dass das Demokratieprinzip im Grundgesetz zwar verfasst, aber in der Realität nur unvollständig umgesetzt wurde.
Wie steht es aber mit dem Sozialstaatsgebot? Sieht es hier besser aus?
Um das zu beurteilen, müssen wir den wesentlichen Inhalt des Sozialstaatsgebots rekapitulieren. Es fordert: Jeder Mensch hat das Recht in der Lage zu sein, „mitmachen“ zu können, d.h. an der demokratisch organisierten Gesellschaft teilzuhaben – unabhängig von seiner persönlichen Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft – also bedingungslos!
Diese bedingungslose Grundversorgung impliziert insofern ein Grundeinkommen. Aber nicht nur das. Es umfasst auch eine medizinische und psychologische Versorgung, sowie die Teilhabe an Informationen und Kultur und der Hilfe, sich im gesellschaftlichen System zurechtzufinden.
„Das haben wir schon alles, es ist schon alles da!“ heißt es da von vielen Politikern und sie verweisen auf das gewaltige Oeuvre der Sozialgesetzbücher, welches ganze Bibliotheken füllt. In abertausenden von Paragraphen werden die Fragen von Rente, Gesundheit, Pflege, dem Kinderschutz und nicht zuletzt auch der Grundsicherung geregelt.
Freilich folgen sofort die berechtigten Gegenargumente der Freundinnen und Freunde eines bedingungslosen Grundeinkommens wie Hardorp/Werner und anderer Modelldenker. Sie beklagen die nötigende Praxis des Staates, die ein Mensch erdulden müsse, um an das ihm zustehende Grundeinkommen zu gelangen. Außerdem sei diese derzeitige staatliche Grundsicherung viel zu gering.
Ein anderes zentrales Argument macht deutlich, dass die dem ausbleibenden Arbeitslohn nachfolgende bedingte Grundsicherung, Hartz IV, die Vertragsfreiheit der Arbeitnehmer verhindere und eine ungeheure Bürokratie der Kompensationsrechnungen – jeder zusätzliche verdiente Euro wird abgezogen – und der Zuzahlungsrechnungen – geringe Löhne werden „aufgestockt“ – bewirke. Dagegen erlaube ein beständig ausgezahltes, „bedingungsloses“ Grundeinkommen endlich das tatsächliche freie Aushandeln eines Arbeitsvertrages. Alles andere verletze die Würde des Menschen.
Das Sozialstaatsgebot ist also in Deutschland ebenso wenig konsequent verwirklicht wie das Demokratieprinzip.
Daraus ergibt sich die These: Beide Mangelsymptome – unvollständige direkte Demokratie und missgestalteter Sozialstaat – weisen auf ein unterentwickeltes Verständnis einer weiteren fundamentalen normativen Kategorie hin: die der menschlichen Freiheit.
Wir Deutsche haben zum Begriff der Freiheit ein zwiespältiges Verhältnis. Bevor wir ihr trauen, muss die Freiheit eingehegt und zurechtgestutzt werden. Ein Zuviel an Freiheit, davon sind wir überzeugt, kann nur schief gehen. Deshalb muss zum Beispiel derjenige, der Hartz IV erhält – obwohl er ein grundgesetzlich verbrieftes Anrecht darauf hat -, sich einer umfangreichen staatlichen Bevormundung unterwerfen!
In diesem Sinne haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes auch die Grundrechte – Grundgesetz Artikel 1-19 – formuliert. Eigentlich sollten die Grundrechte Schutz- und Entwicklungsrechte der freien und mündigen Bürger/innen darstellen und alle Gesetzgebung, einschließlich demokratischer Verfahren, der Sozialgesetzgebung, Regierung und Justiz „binden“ (GG Art. 1, Abs. 3). Doch dieser Versuch bleibt aufgrund der beschriebenen Freiheitsskepsis halbherzig.
Schauen wir uns dazu genau an, wie Freiheit in den Artikeln 1-19 konstituiert wird. Genannt werden nicht nur die individuellen Freiheiten, die Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung – mithin die Freiheit frei zu werden –, die Handlungsfreiheit, körperliche Unversehrtheit (GG Art. 2), Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit (GG Art. 4), Meinungsfreiheit (GG Art. 5), Versammlungsfreiheit (GG Art. 8), Vereinigungsfreiheit (GG Art. 9), Freizügigkeit (GG Art. 11), Berufsfreiheit (GG Art. 12). Vielmehr wird der Begriff der Menschenwürde allen speziellen Freiheitsrechten vorangestellt.
Der Begriff „Würde des Menschen“ hat es in sich. So wunderbar er klingt, doch er lädt dazu ein, den Träger dieser Würde, den einzelnen Menschen, mehr hinsichtlich seines Schutzbedürfnisses anzusehen, denn von seiner produktiven und selbstbewussten Freiheitsnatur. Man beachte die Formulierung des Artikels 1, die feststellt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Insofern wird sie als faktisch gegeben vorausgesetzt und es kann folgerichtig nur noch darum gehen, die bestehende Würde des Einzelnen „zu achten und zu schützen“ (Art. 1; Abs. 1 Satz 2). Doch die Menschenwürde ist auf der faktischen und historischen Ebene keine allzeit und seit ewigen Zeiten existierende vorstaatliche Tatsache. Sondern sie stellt, wie die übrigen Grundrechte auch, eine geschichtlich soziale Errungenschaft dar, deren konkrete inhaltliche Bedeutung und Ausformung immer neu definiert werden muss.
Wer aber entscheidet, wer soll über die konkrete inhaltliche Ausgestaltung der Menschenwürde im jeweiligen historischen Kontext entscheiden?
Wir stocken auch bei der Durchsicht der Grundrechte, wenn in der hehren Aufzählungen der Freiheiten in Artikel 7 „das gesamte Schulwesen[..] unter die Aufsicht des Staates“ gestellt wird. Merkwürdig mager kommt dagegen in Artikel 17 das Petitionsrecht – ein Bittrecht – daher. Auf die Idee, die freie Beteiligung der Individuen – Partizipationsfreiheit – an der Formierung von Staat und Gesellschaft grundrechtlich zu erklären, kamen die Autorinnen und Autoren des Grundgesetzes nicht. Erinnern wir uns dabei an jene oben statuierte Unvollkommenheit von Demokratie- und Sozialstaatsgebot!
Die Unterentwicklung des Freiheitsprinzips ist Folge einer Instanz, die uns Deutschen so selbstverständlich ist, dass wir sie nicht eigens hinterfragen, dem Staat. Aus einer unzureichenden normativen Definition von Freiheit entspringt ein unzureichender Begriff des Rechtsstaatsprinzips. Dieses wird nicht als bloßes Organisationsprinzip einer freien, demokratischen und sozialen Bürgerschaft angesehen, sondern entäußert gleichsam eine personale Figur, den Vater Staat. Das, was wir uns, was uns das Grundgesetz als freiheitliche staatsbürgerliche Souveränität vorenthalten und abschneiden, erlebt seine Urstände in dieser Figur.
Dies lässt sich anhand der Grundgesetzartikel belegen. Wie oben gezeigt taucht der Staat in Art. 1 als ein treuherziger Hüter auf. Dies aber zunächst noch nicht unmittelbar, sondern in seiner Wirkung als „staatliche Gewalt“, die mit aller ihrer Macht die Menschenwürde „achten und schützen“ soll. In der Urfassung des Grundgesetzes findet sich der Staat dann expressis verbis als Vorstand des Schulwesens (GG Art. 7), nachdem er in Art 6 als „staatliche Ordnung“ die Familie schützt und schließlich als „staatliche Gemeinschaft“ über die erziehenden Eltern „wacht“. Man achte hier auf die Unterscheidung der Ausdrücke: „staatlich Ordnung“ streng aber schützend, „staatliche Gemeinschaft“ freundlich aber überwachend.
Der spätere Verfassungsänderungsgesetzgeber kam nicht mehr auf die Idee, den Staat feinsinnig zu umschreiben. Der Deutsche Bundestag hat z.B. den „Staat“ in Artikel 3 als Förderer der „tatsächlichen Durchsetzung“ der Gleichberechtigung von Frau und Mann eingeführt. Ebenso schützt in einem neu geschaffenen Art. 20a „der Staat“ „auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen“.
Dieser „Staat“ ist es, der sich einmischen soll, wenn sich mehr als zwei Menschen zusammentun. Die Freiheit des Einzelnen endet, wo mehrere freie Individuen etwas gemeinsam zustande bringen wollen. Da werden wir Deutsche misstrauisch und rufen nach dem Staat. Wir wollen nicht lediglich, dass sich die Leute an Recht und Gesetz halten. Das ist selbstverständlich und dazu ist auch staatliche Organisation da.
Nein, wir wollen den „Vater“ Staat. Die Staatsgewalt, die doch die Würde des Einzelnen achtet und schützt, verwandelt sich in eine Art abstrakte Regierungspersönlichkeit. Wem das starker Tobak ist und einfach den richtigen Satz „Der Staat, das sind wir!“ entgegen hält, der sieht an den psychologischen Tatsachen vorbei. Er nimmt nicht wahr, wie der „Staat“ im Grundgesetz, vielmehr noch in den Herzen und Köpfen der Menschen ein Eigenleben führt. Als Instanz einer zwar eingebildeten, aber dennoch wirksamen Sicherheit in einer unsicheren Welt. Und genau dadurch wird das normative Prinzip der Freiheit von Anfang an ausgebremst. Dies führt dann in der Folge zu den beschriebenen verhängnisvollen Folgen für das Demokratie- und das Sozialstaatsprinzip.
Von diesem Punkt, der durch den Staat verdeckten Freiheit des Individuums, können wir den Bogen bis zum erhofften zukünftigen „bedingungslosen Grundeinkommen“ schlagen. Denn es stellt sich die Frage, von wem man sich dieses Einkommen erhofft? Die Antwort lautet: Vom Staat! Dieser Staat solle jeder/m ein monatliches Gehalt auszahlen und zugleich die Gängelung von „Fördern und Fordern“ einstellen. Schließlich solle der Staat doch „Vertrauen in den Menschen“ haben. Steht denn nicht im Grundgesetz, der Staat achte unsere Würde? Oder, wenn man es poetisch ausdrücken will: Der Staat soll uns wie seine geliebten Kinder umarmen.
Nur, so möchte man den so auftretenden Bittstellern zurufen, was letztlich als ein Konstrukt eurer eigenen Furcht vor der Freiheit, eurer eigenen Angst vor der Demokratie entsprungen ist, wie soll das Euch vertrauen? Gefordert wird, dass gewählte Politiker, die in Wahrheit als Vertreter des Staates, statt als Repräsentanten der Bürger wahrgenommen werden, darüber entscheiden sollen, ob ein auskömmliches Grundeinkommen gezahlt wird.
Man glaubt tatsächlich, die Politiker wüssten, wie hoch oder wie niedrig dieses Grundeinkommen zu sein habe, ob es an Kinder und/oder auch an Einwohner ohne deutschen Pass auszuzahlen sei, oder ob man es durch eine Mehrwertsteuer, eine Reichensteuer oder dergleichen finanziert.
Allerdings erscheint der Gebrauch des Wortes „bedingungslos“ vor dem Hintergrund des Staatsaberglaubens halbherzig.
Erstens wird der Staat durchaus immer Bedingungen stellen, wie die oben genannten notwendigen Entscheidungen zeigen. Zweitens ist festzuhalten, dass auch der Staat samt aller seiner Handlungen selbst nicht etwas Bedingungsloses, sondern etwas Bedingtes darstellen muss. Denn der Staat ist Recht und Gesetz zu unterwerfen. Das stellt das Wesen einer staatlichen Organisation dar! Deshalb ist ein staatliches Einkommen nach Recht und Gesetz auszuzahlen. Folglich kann auch ein Grundeinkommen im absoluten Sinne niemals bedingungslos sein.
Wer also schließlich das Ziel eines bedingungslosen Grundeinkommens verfolgen möchte, der muss dafür sorgen, dass er die Gesetze, welche das zukünftige Grundeinkommen bedingen, selbst bestimmt.
Das kann nur dadurch geschehen, dass dieses zukünftige Gesetz für das Grundeinkommen in Volksabstimmungen beschlossen wird. Und nicht nur das: es liegt in der Logik des normativen Gleichklangs von Freiheit, Demokratie und Sozialstaat, dass in Zukunft die Bürgerinnen und Bürger auch regelmäßig über die Höhe ihres Grundeinkommens abstimmen sollten. Diese Sachentscheidung wird die Finanzierung des Grundeinkommens mit einschließen müssen.
Die Prozeduren selbst, mittels derer das bedingungslose Grundeinkommen samt seiner Finanzierung festgelegt werden, könnten wiederum unmittelbar vom Volke abgestimmt werden. Natürlich sollte die Möglichkeit bestehen, aus der Mitte der Bevölkerung hierzu Änderungsvorschläge in Volksinitiativen vorzulegen.
Fasst man zusammen, so zeigt sich, dass das bedingungslose Grundeinkommen nur dann „bedingungslos“ sein kann, wenn die Empfängerinnen und Empfänger dieses Einkommens selbst und unmittelbar über die entsprechenden gesetzlichen Regelungen entscheiden. Dies ist nur qua Volksentscheid möglich.
Schließlich wirkt das in diesem Sinne einmal eingeführte bedingungslose Grundeinkommen auf die demokratisch organisierte Gesellschaft zurück.
Das bedingungslose Grundeinkommen erweitert die Möglichkeiten der demokratischen Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger. Es fügt den staatsbürgerlichen Freiheiten, der historisch erkämpften Anerkennung und Respektierung der Grundrechte durch den Staat die ökonomische Unabhängigkeit des Einzelnen hinzu. In diesem Sinne wird der über dieses Grundeinkommen verfügende Staatsbürger autonom handlungsfähig und damit Teil einer demokratischen Gesellschaft von Unabhängigen und Freien.
zu den Autoren:
Daniel Schilly ist Lehrer für Mathematik und Philosophie in Bonn, Mitbegründer von „Mehr Demokratie“ und seit Juli 2009 Sprecher des Bundesvorstands des Vereins
Dr. Klaus Hofmann ist Soziologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter von „Mehr Demokratie“ in NRW
5 Kommentare
Kann ein Grundeinkommen, dessen Höhe regelmäßig zur Abstimmung gestellt wird, die soziale Sicherheit und daraus folgende Freiheit gewährleisten, die sich die Autoren selbst wünschen? Das glaube ich kaum. Das Bestreben Freiheit zu garantieren, kann durchaus im Widerspruch zu regelmäßigen Volksentscheiden oder auch grundsätzlicher zu dem Verlangen nach mehr Demokratie stehen. Eine einfache Harmonie zu postulieren, scheint mir aus der Sicht von \"Mehr Demokratie e.V.\" nachvollziehbar, aber mindestens unterkomplex.
Ein Lob der Ausführlichkeit mit den Detailbetrachtungen.
Das werden nicht Alle lesen wollen oder verstehen! Es ist viel zu intellektuell.
Eine vorangestellte Kurzfassung empfiehlt sich nachdrücklich für normale Mitglieder oder Interessenten.
Dass die Höhe des Grundeinkommens immer ein Streitpunkt sein wird, der das Zustandekommen durch die Neiddiskussion verhindert (\"Der bekommt etwas, ohne arbeiten zu müssen\", \"Der hat mehr, und arbeitet weniger\", Der hat alles, und läßt sein Geld arbeiten.\" etc.), sollte jedem klar sein. Hier kann auch das Grundgesetz, welches in seiner Intention zwar gut gemeint ist, von den Gesetzgebern durch diese Missgunst und verurteilenden Unterstellungen einer menschlichen Trägheit teilweise ins Gegenteil verkehrt wird. Die schützende Hand des väterlichen Staates wird damit zur schlagenden Hand, die den Bürger zwingt, eine Gegenleistung in Form von Arbeit zu erbringen. Diese Arbeit wird vom Amt entgegen dem GG fremdbestimmt und verwaltet, der Aufwand vom Salär abgezogen. Damit haben wir die 1,-€ Jobs und die Arge´s geschaffen.
Damit haben wir aber auch Hartz-IV-Empänger stigmatisiert und die Begründung geschaffen, Arbeit mit einem Taschengeld zu abzuspeisen.
Hier wurde durch die Fremdbestimmung der Arbeit eine moderne Sklaverei eingeführt, in dem der Staat ein Heer von Leiharbeitern bereithält, die bei Fehlverhalten durch Kürzungen reglementiert werden. Eine Möglichkeit der Ablehnung entwürdigender Tätigkeiten sieht das Gesetz nicht vor, ebenso wenig wie ein Recht darauf, gegen unwürdiges Mobbing und Schikanen durch Vorgesetzte vorzugehen. Verweigerung wird subtil bestraft. Die Auswirkungen auf den freien Arbeitsmarkt sind indes, dass die Löhne sich in den Niedriglohngruppen an den 1,- € orientieren, da ein festes Beschäftigungsverhältnis für den Arbeitgeber in jedem Fall teurer kommt. Somit gehen viele Arbeitnehmer trotz einer 40 Stundenwoche noch auf das Amt, um zusätzliche Leistungen zu beantragen. Hier subventioniert der Steuerzahler billige Arbeitskräfte im freien Wettbewerb. Das geht nicht lange gut, da geringes Gehalt mit geringer Rente einhergeht, und diese Arbeitnehmer niemals diesen verhängnisvollen Kreis der staatlichen Abhängigkeit durch eigene Kraft durchbrechen können. Dass das Bundesverfassungsgericht diesen Zusammenhang nicht erkennt, und die Hartz-IV-Gesetze nicht als verfassungswidrig einstuft, mag verwundern. Aber angesichts leerer Kassen ergibt sich kurzfristig und rechnerisch für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation, ja selbst für die 1,-€ Jobber, die damit monatlich rund 176,-€ mehr in der Tasche haben als den Mindestanspruch, und sich in der Gesellschaft nützlich und gebraucht fühlen können. Ihrem Missbrauch haben sie durch das Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter sowieso nichts entgegen zu setzen. Statt über die Höhe des Bürgergeldes zu streiten, sollte angestrebt sein, wieder zu einem weitestgehenden Sozialstaat zurückzukehren. Das bedeutet ein Anstreben von möglichst finanziell freier Lebensgrundlage, in dem ein menschenwürdiges gemeinschaftliches Leben ohne individuelle Zwangsbeiträge wie Krankenkassen, Schul- oder Studiengebühren, Unterhaltszahlungen etc. möglich wird, um das Bürgergeld so gering wie möglich zu halten. Zur Finanzierung sollte der Konsum herangezogen werden, aber auch die Energieerträge wie Erdöl und Strom, sowie die Finanzerträge wie Börsengewinne und Festgeldkonten. Sollte dieses einmal wirtschaftlich nicht mehr tragend sein, so kann der Staat mit einer Erhöhung des Bürgergeldes den Konsum der Binnenwirtschaft anregen, anstatt es den Banken für Ihre Misswirtschaft in die löchrigen Taschen zu stopfen. Eine weitere Erhöhung des Bürgergeldes würde selbst auf die Außenwirtschaft eine belebende Wirkung erzielen. Damit wäre ein bedingungsloses Bürgergeld ein geeignetes Instrument zur Regelung des Finanzflusses und der Inflation. Das Geld selbst wird damit zum Treibstoff im Wirtschaftsmotor, nicht die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft.
Und das Grundgesetz könnte, entkoppelt von den Interessen der Wirtschaft und seiner Judikative und Legislative, dem Staat, zu den ethischen Anliegen der Bürger und seinem ursprünglichen Sinn, und damit zu seinen wahren Werten zurückkehren.
Wir sollten nicht nur über die Ausgestaltung unseres Rechtsstaates und die unseres Sozialstaates abstimmen dürfen, sondern auch über dessen Finanzierung als Bürger mitbestimmen können. Dazu wäre aber auch über eine „Demokratisierung“ unseres Geldsystems zu reden. Ob die direkte Demokratie in Gestalt von Volksabstimmungen (Volksinitiative/Volksentscheid) dafür ausreicht, gilt es dabei zu hinterfragen.
Denn all diese Entscheidungen bedürfen zuvor einer umfassenden Analyse und Betrachtung. Wir Bürger brauchen deshalb Gelegenheit, um uns intensiv mit diesen Themen auseinandersetzen zu können. Und damit meine ich ein „sich beschäftigen“ im Sinne von „sich abarbeiten“, d.h. Zeit und Mühe aufwenden, um die Dinge gründlich zu durchdringen.
Deshalb brauchen wir zusätzliche Methoden, mit denen wir die kollektive Kreativität der Bürger für die Gestaltung unseres Gemeinwesens nutzbar machen können. Diese kann man „Bürgerbefragungen“, „Bürgerforen“, oder auch „Bürgergutachten“ nennen und in Form von „World Cafés“, „Open Spaces“, „Zukunftswerkstätten“ und „Creative Labs“ durchführen – ihre Praxistauglichkeit wird sich entlang der zunehmenden digitalen Vernetzung („Web 3.0“) weiter offenbaren.
Trotzdem ist der Hinweis der Autoren auf eine zentrale Frage („Wer zahlt denn das Grundeinkommen?“) an dieser Stelle nicht zu unterschätzen: das Grundeinkommen wird von allen getragen, weil wir es uns gegenseitig erarbeiten und auch gegenseitig zahlen werden. Susanne Wiest z.B. hat diesen Aspekt des Grundeinkommens vortrefflich verstanden – wir sollten ihn unbedingt weiter transportieren. Ob man den Staat als Manifestation der Gesellschaft oder als administrative Instanz definiert, ist dabei zweitrangig.
Die Diskussion kommt aber zum richtigen Zeitpunkt und das Netzwerk Grundeinkommen sollte engagierter als bisher mit anderen politischen Initiativen Austausch und Zusammenarbeit pflegen, die sich mit den oben genannten Fragestellungen beschäftigen (Mehr Demokratie, Omnibus für direkte Demokratie, INWO/Fairconomy etc.).
Dirk Jakobi bezweifelt oben in seinem Kommentar, dass sich die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in einer Volksabstimmung für ein auskömmliches bedingungsloses Grundeinkommen aussprechen würden. Diese Befürchtung ist vielleicht sogar für die nähere Zukunft berechtigt, aber (!)
Auch heute weigern sich die parlamentarischen Gesetzgeber, das sind ebenfalls Bürgerinnen und Bürger, ein auskömmliches bedingungsloses Grundeinkommen auszuzahlen.
Und sollte in der Zukunft ein bedingungsloses Grundeinkommen von einer kleinen Gruppe von Experten eigenmächtig bestimmt werden, so begibt sich die Gesellschaft in die Hände dieser „Grundeinkommenskönige“. Der Expertenglaube ist unter Demokratieskeptikern verständlicherweise weit verbreitet, ...