Ist Helikoptergeld ein Grundeinkommen?

Hinrich Ruyter 24.01.2017 Druckversion

Seit März 2016 gab es täglich 10 bis 30 Nachrichten zu der früher wenig beachteten emotionalen Idee des sogenannten „Helikoptergeldes“, das direkt und ohne Gegenleistung an die Bürger verteilt wird, so als würde es aus einem Helikopter über ihnen abgeworfen. EZB-Chef Mario Draghi findet das Konzept interessant, Adair Turner, Robert Skidelsky in England, Lawrence Summers in den USA und Romain Baeriswyl in der Schweiz befürworten es. In Japan könnte seine Anwendung zuerst nötig sein. Scharfe Gegner gibt es natürlich auch, wie beim Grundeinkommen.

Könnte daraus so etwas wie ein Grundeinkommen werden? Was ist Helikoptergeld und wo sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Grundeinkommen?

Die Ursprünge und geldpolitischen Aspekte von Helikoptergeld sind bei Wikipedia nachzulesen. Es wird heute als die letzte Maßnahme der Notenbanken gesehen, um Inflation und Wachstum auf ein geldpolitisch wünschenswertes Niveau zu bringen, nachdem alle bisher getroffenen Maßnahmen gescheitert sind. Im Fokus von Helikoptergeld steht die Konjunktur, nicht wie beim Grundeinkommen der Mensch.

Ich beschränke mich darauf, das Helikoptergeld mit dem Grundeinkommen zu vergleichen. Von den möglichen Ausprägungen eines Helikoptergeldes nehme ich den recht detaillierten Vorschlag des britischen Wirtschaftshistorikers Robert Skidelsky in der Financial Times als Beispiel. England macht sich Sorgen um die wirtschaftlichen Folgen des „Brexit“, dem Austritt Großbritanniens aus der EU. Es könnte eine Rezession geben. Um sie aufzufangen, schlägt Skidelsky Helikoptergeld vor, das direkt an die Bürger verteilt wird. Nicht als Kredit, den man zurückzahlen muss, sondern als Geschenk.

Was schlägt Robert Skidelsky konkret vor und warum?
In welcher Beziehung stehen die Vorschläge zu den Grundeinkommens-Kriterien?

  • Geldkarten zu je 1.000 britischen Pfund (ca. 1.154 Euro) würden an 46 Millionen Bürger verteilt, die im Wählerregister eingetragen sind. Damit käme Kaufkraft direkt zu den Verbrauchern und würde über deren Nachfrage die Wirtschaft anheizen. Der Anleihenkauf durch die Zentralbank wie bisher spült dagegen Geld auf die Finanzmärkte.Geld direkt an die Bürger, das wäre konform mit einem Grundeinkommen. Auch das Kriterium „keine Bedürftigkeitsprüfung“ ist erfüllt. Der Betrag von einmalig 1.000 Pfund würde dagegen das Kriterium „(dauerhaft) existenzsichernd, die gesellschaftliche Teilhabe ermöglichend“ nicht erfüllen. „Alle im Wählerregister eingetragenen Bürger“ könnte man als Rechtsanspruch wie beim Grundeinkommen interpretieren; der Ausschluss derer, die nicht im Wählerregister stehen (u.a. Kinder und Jugendliche) ist nicht ganz vereinbar mit dem Grundeinkommenskriterium „individueller Rechtsanspruch“ (eines jeden Bürgers) Einen Zwang zur Arbeit gibt es beim Helikoptergeld ebenso wenig wie eine Bedürftigkeitsprüfung. In dieser Beziehung entspricht es also dem Grundeinkommen. Wegen der Einmaligkeit und der geringen Höhe ist es aber lediglich mit einem partiellen Grundeinkommen vergleichbar. Ein interessanter Aspekt der Geldkarte besteht darin, dass man dafür kein Bankkonto braucht.
  • Das Geld käme von der Zentralbank und würde über staatliche Stellen verteilt. Es wäre also frisch „gedrucktes“, zusätzliches Geld in den Händen der Konsumenten. Damit stiege die umlaufende Geldmenge (wenn das Geld nicht gespart würde, siehe unten), woraus sich eine höhere Inflationsrate ergäbe. Für Ökonomen ist eine ca. 2-prozentige Inflation wünschenswert, als Sicherheitsabstand zur gefährlicheren Deflation.Die meisten Grundeinkommens-Modelle wollen es durch Umverteilung und/oder Einsparungen bei Sozialleistungen finanzieren, nicht durch zusätzlich gedrucktes Zentralbank-Geld.
  • Die Geldkarten wären programmiert: Jede Woche würde der Guthabenbetrag nach Skidelskys Vorschlag automatisch reduziert. Das Verfallsdatum wäre ein starker Anreiz, das Helikoptergeld nicht zu sparen, sondern es zum Kauf von Waren und Dienstleistungen auszugeben. Nur dann kann es die Wirtschaft ankurbeln, meint Skidelsky. Das Konzept einer solchen „Umlaufsicherung“ stammt von Silvio Gesell.Grundeinkommensmodelle sehen im Allgemeinen keine Umlaufsicherung des als Grundeinkommen ausgezahlten Geldes vor. Man kann im Wegfall der Sparmöglichkeit und der dadurch eingeschränkten Verwendungsmöglichkeiten einer solchen Komplementärwährung einen Widerspruch zur Grundeinkommensidee sehen, die den Menschen ja mehr persönliche Freiheit verschaffen soll. Die Bestimmung der Höhe des Grundeinkommens orientiert sich an den Preisen für Güter und Dienste, die zur Existenzsicherung und Teilhabe nötig sind.
  • Parallel müsse ein staatliches Investitionsprogramm laufen, um die zusätzliche Nachfrage bedienen zu können, sagt Robert Skidelsky. Das Investitionsprogramm solle die Produktion der Güter und Dienste ermöglichen, die durch das Helikoptergeld nachgefragt würden.Ob und in welchem Maß auch das Grundeinkommen zusätzliche Nachfrage und damit Investitionen bei den Produzenten bewirkt, hängt von seiner Höhe und der Art seiner Finanzierung ab. Beim zeitlich begrenzten Geldregen aus dem Heli­kopter ist ein Investitionsprogramm als Zusatzmaßnahme naheliegend, aber auch gefährlich. Denn wenn das Geld ausgegeben ist, könnte es an die Finanzmärkte abfließen – Produktions-Überkapazitäten wären die Folge, samt deflationären Risiken.

Fazit: Die zunehmende Diskussion über Helikoptergeld beflügelt auch das Nachdenken über das Grundeinkommen. Der Einwand wird unglaubwürdig, Geld ohne Zwang zur Gegenleistung zu verteilen sei unmoralisch und ungerecht.

Beim Vergleich stößt man auf Kriterien, die das Grundeinkommen erfüllen muss, um seine positiven Wirkungen zu entfalten, die aber in den vier Standard-Kriterien des Netzwerks nicht ausdrücklich genannt sind: Es muss regelmäßig und dauerhaft gewährt werden. Und es muss als gesetzliches Zahlungsmittel ausgezahlt werden.

Ob man in der Einführungsphase manche Kriterien missachten darf; ob man das Grundeinkommen so gestalten muss, dass es möglichst wenig Inflation hervorruft; und ob es in umlaufgesicherter Währung ausgezahlt werden darf: Diese Fragen sind weitere Diskussionen wert.

Neben den inhaltlichen gibt es auch psychologische Unterschiede: Der Begriff „Grundeinkommen“ ist eher nüchtern und verkopft. „Helikoptergeld“ dagegen ist emotional mitreißend. Die knatternde Geldquelle sieht man förmlich über sich schweben, Geldscheine kreisen durch die Luft und Menschen lesen sie als Einkommen am Grund auf. Warum nicht auch das Grundeinkommen durch Bilder unterfüttern, die Emotionen und Interesse wecken? Lassen wir es doch bildlich ebenfalls auf die Menschen herabfallen, regelmäßig, von oben, aus den Wolken, dem Himmel. Statt „Helikoptergeld“ vielleicht „Gesellschaftsgeld“?

7 Kommentare

Henrik Wittenberg schrieb am 25.01.2017, 15:23 Uhr

Finanzierung eines BGE mittels Umlaufsicherung

Man könnte einen täglich fälligen BGE-Beitrag auf die Geldmenge M1 einführen. Damit können Geldmengenschwankungen und Umlaufgeschwindigkeit in einem menschendienlichen/gesellschaftsdienlichen Verhältnis stabil gehalten werden. Der BGE-Beitrag soll auf alle Giralgelder erhoben werden und hauptsächlich in Form eines Grundauskommens wieder ausgeschüttet werden. Der Turnus der Auszahlung des Grundauskommens kann täglich, wöchentlich oder monatlich erfolgen und sollte gesellschaftlich diskutiert werden.

https://www.scribd.com/document/326410001/Finanzierung-eines-BGE-mittels-Umlaufsicherung

Heinz Gunkel schrieb am 25.01.2017, 18:08 Uhr

Grundeinkommen oder Helikoptergeld?, das ist hier die Frage.

Nach Milton Friedmans Definition und nach der Quantitätstheorie wird mit einem Helikoptergeld die Geldmenge M erhöht und mit der Geldmenge die Preise P:

M * V = P * Y

V = Umlaufgeschwindigkeit

Y = Bruttoinlandsprodukt

Robert Skidelsky sieht konkret die Gefahr des Geldabflusses der Unternehmensgewinne in den globalen Finanzmarkt aus der Volkswirtschaft hinaus, in der es (eigentlich) kreisen sollte, um eine nachhaltige Investition zu generieren. Damit diese Investitionen realisiert werden können, muß der Fiskus dieses Helikoptergeld wieder einsammeln. Damit das eingesammelte Helikoptergeld nachhaltig und wirtschaftsfördernd wirkt, muß es in Projekte investiert werden, die gesellschaftlich nachhaltig wirken. Dann kann sich der Staat den Zwischenschritt über das Helikoptergeld auch sparen und gleich direkt investieren. Damit vermeidet der Staat die immer noch möglichen, aber ungewollten, Finanzabflüsse in den globalen Finanzmarkt (sowas hatten wir schon mal Ende der 1960er Jahre mit der Globalsteuerung).

Robert Skidelsky macht seinen Vorschlag konkret für GroßBritannien, das eine eigene Währung hat. EURO-Land besteht aus vielen sehr unterschiedlichen Volkswirtschaften und ein Helikoptergeld in EURO brächte erheblich mehr politische, wirtschaftliche und soziale Probleme, als im relativ homogenen Großbritannien. Selbst in Deutschland wird es nicht einfach sein, ein Grundeinkommen einzuführen, weil im Bundesstaat Deutschland die politischen und sozialen Aufgaben föderal zwischen Bund, Ländern (mit Freistaaten und Stadtstaaten) und Kommunen verteilt sind.

Juergen Rettel schrieb am 01.02.2017, 15:49 Uhr

1. Silvio Gesell erkannte 1916 nun die Notwendigkeit einer Demurrage im Freigeld für die Geldwertstabilität, also eine Art Einkommensteuer auf das nicht-verkonsumierte Einkommen.

Damit hatte Gesell schon damals den Götz-Werner-Ansatz einer „alleinigen“ Konsumsteuer im Grundsatz widerlegt !

2. Milton Friedman erkannte aber 1962, dass es mit der Demurrage auf nicht-verkonsumiertes Geld allein nicht getan ist, man muss sie auf das unmittelbar „verspeiste“ verkonsumierte Geld ausdehnen. Und dafür bot sich das bGE aus Negativer Einkommensteuer als Flat Tax an !

DI Wilhelm Puschmann schrieb am 18.02.2017, 16:17 Uhr

Helikoptergeld versus Bedingungsloses Grundeinkommen.

Es stimmt schon, dass >Helikoptergeld = Bedingungsloses Grundeinkommen<.

Wie wärs mit "GELDREGEN" für das bGE.

Hinrich Ruyter schrieb am 24.02.2017, 19:53 Uhr

Danke, DI Wilhelm Puschmann, für die Idee mit dem Bild \"Geldregen\" für das Grundeinkommen. Der Regen kann andauern, beständig sein. Wenn ich\'s weiterspinne, komme ich auf \"Goldregen\". Gold unterstützt das Bild als Ewiges, Unvergängliches.

Die Befürworter des Grundeinkommens kann ich nun \"Goldregenpfeifer\" nennen, schöne große Vögel, die beständig vom Goldregen pfeifen. Herzlichen Dank!

Robert Ulmer schrieb am 05.03.2017, 21:03 Uhr

Ich finde das sachliche Wort \"Grundeinkommen\" schon sehr in Ordnung - es verweist auf Stabilität, auf einen verlässlichen und breiten finanziellen Bürgersteig für alle.

Eine Mitstreiterin hat einmal das Wort \"Gratiseinkommen\" vorgeschlagen, das ich auch sehr schön finde.

Bei der Diskussion um ein neues Logo fürs Netzwerk GE (vor ca. 8 oder 9 Jahren) habe ich einen Duschkopf vorgeschlagen, um an das Gießkannprinzip zu erinnern: https://robertulmer.wordpress.com/2012/04/01/kontofluter/

Carsten Rachow schrieb am 29.11.2018, 10:30 Uhr

ULG - Das unantastbare Lebensgeld

Gebunden an die Menschenwürde, erhält das ULG seine Wertstabilität a) durch die demokratisch gewollte Garantiezusage an alle Bürger der Eurozone, lebenslang abrufbar zu sein; b) durch seine transparent kommunizierte Relation zum BIP (die Bürger wissen: werden wir arbeitsfaul, sinken BIP und ULG) und c) durch seinen entlastenden Einfluss auf die Geldmenge M3, denn das ULG wird nicht als Schuld- oder Kreditgeld erschaffen, sondern als \"Wertgeld\" in den Kreislauf eingespeist.

Das ULG kann bei der EZB passiviert werden unterhalb der Position \"Bargeldumlauf\", etwa als \"Lebensgeldumlauf\". So wird es rechtlich nicht zum Eigenkapital der EZB, sondern bleibt, was es sein soll: der symbolhaft monetarisierte Ausdruck des inneren Menschenwertes, mithin Eigentum jedes Bürgers. Aktivisch kann die EZB dann eine neue Position \"abrufbare Guthaben an Lebensgeldern\" buchen. Im Ergebnis wird aus dem ULG ein \"durchlaufender Posten\": Die EZB fungiert als Diener der Bürger. Sie erschafft demokratisch legitimiert das ULG, verwaltet es und leitet es direkt an die Bürger weiter.

Die Steuerung der Geldmenge kann wie bisher problemlos geleistet und somit Inflationsrisiken vorgebeugt werden. Da es sich beim ULG um Zentralbankgeld handelt (ähnlich dem \"Vollgeld\"), gewinnt die EZB eine zusätzliche geldpolitische Autorität, die sie heute wegen der Giralgeldschöpfung der Geschäftsbanken nicht hat.

Ein \"unantastbares Lebensgeld\" ist kein Lohn, kein Einkommen und auch kein hierarchisches Geschenk, das wohlwollende Halbgötter \"von oben\" gnädigerweise herabwerfen - das Lebensgeld ist \"in bare Münze gegossene Menschenwürde\". Es ist daher auch nicht an Arbeit, Einkommen und Kreditwürdigkeit gekoppelt. Es fließt lebenslang, weil der Mensch Mensch ist, nicht weil er arbeitet.

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