Grundeinkommen im Zukunftsdialog

Ronald Blaschke 25.03.2012 Druckversion

Wie sieht Deutschland in fünf bis zehn Jahren aus? Wie wollen wir gegen Ende des Jahrzehnts leben? Diese Fragen diskutiert die Bundeskanzlerin seit Frühjahr 2011 mit über 120 Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis und mit Bürgerinnen und Bürgern in einem Zukunftsdialog.

Drei große Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:
1. Wie wollen wir zusammenleben?
2. Wovon wollen wir leben?
3. Wie wollen wir lernen?

Auf der Internetplattform dialog-ueber-deutschland.de können Bürgerinnen und Bürger Handlungsvorschläge für die Politik einreichen und öffentlich abstimmen lassen. Die Vorschläge können bis zum 15. April 2012 gemacht werden. Die Absender der zehn Vorschläge, denen die Internet-Nutzer die meisten Stimme gegeben haben, werden nach Abschluss des Zukunftsdialogs ins Bundeskanzleramt eingeladen und können mit der Bundeskanzlerin über ihre Ideen sprechen.

Das Grundeinkommen wurde auf der Internetplattform mehrmals vorgeschlagen. Hier eine Übersicht über die Vorschläge zum Grundeinkommen, denen bisher am häufigsten zugestimmt wurde:

In der Rubrik „Wovon wollen wir leben?“ belegt derzeit Matthias Nass
mit rund 42.400 Stimmen Platz 1. Sein Vorschlag zum Grundeinkommen lautet: „Bedingungsloses Grundeinkommen – Erörtern & Abstimmen – Neue Umstände erfordern neue Wege!“ Matthias Nass benennt sechs Gründe für das Grundeinkommen und fordert eine demokratische Abstimmung über ein Modell eines Grundeinkommens: Es „sollten die Möglichkeiten der verschiedenen Modelle für ein bedingungsloses Grundeinkommen untersucht werden. Und ein geeignetes Modell den Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik in einer Volksabstimmung zum Beschluss oder Ablehnung vorgelegt werden.“

In derselben Rubrik wie Matthias Nass fordert Johannes Ponader ein „Bedingungsloses Grundeinkommen für alle“. Es heißt bei ihm: „Da ein bedingungsloses Grundeinkommen unsere Gesellschaft wesentlich verändern wird, sollte die Idee in einem breiten Dialog aller Beteiligten umgesetzt werden.“ Das von Johannes Ponader im Handlungsvorschlag geforderte Grundeinkommen soll den vier Kriterien des Netzwerks Grundeinkommen entsprechen. Allerdings hat Ponader selbst vor kurzem als Mitglied der Piraten, genauer der Sozialpiraten, einer Plattform für Sozialpolitik in der Piratenpartei Deutschlands, ein Modell eines „partiellen
Grundeinkommens“ zur Diskussion gestellt, das nicht geeignet ist, die Existenz zu sichern und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Der vorgeschlagene Betrag beläuft sich auf 439 Euro, was mit einem im Modell angedachten bedürftigkeitsgeprüften Wohnkostenzuschuss für Arme noch unter dem jetzigen Hartz-IV-Niveau für Alleinstehende liegt.*
Der Handlungsvorschlag von Johannes Ponader im Zukunftsdialog der Bundekanzlerin belegt mit derzeit rund 7.000 Stimmen Platz 4 in der ausgewählten Rubrik.

In der Rubrik „Wie wollen wir zusammenleben?“ hat Susanne Wiest unter dem Titel „Sichere finanzielle Grundlage für jede(n)-bedingungsloses Grundeinkommen“ den Inhalt ihrer Petition als Handlungsvorschlag unterbreitet. In der Petition wurde gefordert: „Der Deutsche Bundestag möge beschließen … das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen. Begründung: Unser Finanz- und Steuersystem ist sehr unübersichtlich geworden. […] Um nun allen Bürgern ein würdevolles Leben zu gewährleisten, erscheint mir die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens als guter Lösungsweg. Ca. 1500 € für jeden Erwachsenen und 1000 € für jedes Kind. Alle bestehenden Transferleistungen, Subventionen und Steuern einstellen und als einzige (!) Steuer eine hohe Konsumsteuer einführen.“ Mit diesem Handlungsvorschlag belegt Susanne Wiest im Zukunftsdialog unter der von ihr ausgewählten Rubrik mit derzeit rund 37.000 Stimmen Platz 10.

Grundsätzlich kann die Stimmzählung beim Zukunftsdialog im Internet nur als ungefähres Stimmungsbild verstanden werden, denn sie ist leicht manipulierbar. Mit wenig technischem Wissen kann man mehrmals seine Stimme abgeben. Das Resultat der Internet-Abstimmung lässt somit letztlich keinen Schluss auf die tatsächliche Zustimmung durch die Internetnutzer des Zukunftsdialogs zu – peinlich für einen medial aufwändig in Szene gesetzten Zukunftsdialog.

Die Bundeskanzlerin hat aber nicht nur per Internet zum Bürgerdialog aufgerufen, sondern veranstaltete auch öffentliche „face-to-face“- Bürgerdialoge, so zum Beispiel am 4. März 2012 in Erfurt. Dort konnte Uwe Mordhorst von der IG Metall, der auch den Gewerkschafterdialog Grundeinkommen unterstützt, schon in der ersten Runde Angela Merkel mit dem Thema Grundeinkommen konfrontieren. Der Vorschlag von Uwe Mordhorst zum Grundeinkommen und die Reaktion der Bundeskanzlerin ist bei Phoenix zu sehen (Video, ab Minute 5:15).

*Von Johannes Ponader (siehe Kommentar unten) wurden jüngst Präzisierungen zum Modell vorgenommen. Die kursiv gekennzeichnete Feststellung ist mit dieser Präzisierung nicht mehr zutreffend (30. März 2012).

2 Kommentare

Johannes Ponader schrieb am 29.03.2012, 01:55 Uhr

Das von mir miterarbeitete Modell ist hier falsch wiedergegeben. Zum einen handelt es sich bewusst nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen im Sinne der vier Kriterien, sondern um ein Übergangsmodell, das den Einstieg in ein echtes bedingungslos garantiertes Grundeinkommen erleichtern soll. Zum anderen ist das Modell selbstverständlich so konzipiert, dass die Höhe der Auszahlung für Bezieher von Sozialleistungen im Vergleich zu heute nach oben angepasst wurde. - bei einer gleichzeitigen vollständigen Abschaffung von Sanktionen und Arbeitszwang. Das Modell stellt also eine Reform des Sozialsystems dar, dass als Übergangsmodell wesentliche Schritte hin zu einem echten BGE geht.

Mehr Details finden sich in dem im Artikel verlinkten Blog der Sozialpiraten.

Horst Komto schrieb am 08.04.2012, 23:56 Uhr

Link zur Europäischen Bürgerinitiative: http://ec.europa.eu/citizens-initiative/public/welcome?lg=de

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