Parteitag DIE LINKE: Delegierte stellen sich gegen Mitgliederentscheid pro Grundeinkommen 

    Ronald Blaschke 25.10.2024 Druckversion

    Mehrheitlich wurde auf dem letzten Parteitag der LINKEN im Oktober 2024 in Halle ein Antrag des Parteivorstands für die Aufnahme des Grundeinkommens ins Parteiprogramm abgelehnt. Damit vergibt die Mehrheit der Parteitagsdelegierten nicht nur die Chance, dass DIE LINKE als einzige im Bundestag vertretene Partei ein klares programmatisches Bekenntnis zum Grundeinkommen abgibt. Sie ignoriert auch den Willen der Parteibasis, die per Mitgliederentscheid für die Aufnahme des Grundeinkommens ins Parteiprogramm gestimmt hatte. Darüber hinaus dürften viele in Wissenschaft, Kunst und Kultur, Politik, Gewerkschaftsbasis und sozialer Bewegung enttäuscht sein, natürlich auch die vielen anderen Befürworter*innen des Grundeinkommens in der Gesellschaft.

    Zum Hintergrund

    Die Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE hatte es gegen den Willen der Parteiführung durch eine Unterschriftensammlung durchgesetzt, dass ein Mitgliederentscheid zum Grundeinkommen stattfinden konnte (vgl. Website Partei DIE LINKE dazu).

    Der Gegenstand des Mitgliederentscheides war die Formulierung:

    “Die Partei DIE LINKE nimmt ein emanzipatorisches bedingungsloses Grundeinkommen, wie es beispielsweise die BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE vorschlägt, in ihre politische Programmatik auf. Sie lehnt neoliberale Grundeinkommensmodelle ab. Dazu wird der Parteivorstand aufgefordert, dem Bundesparteitag bis spätestens ein Jahr nach Abschluss dieses Mitgliederentscheides eine entsprechende Änderung des Parteiprogramms zur Einarbeitung eines linken bedingungslosen Grundeinkommenskonzeptes vorzuschlagen. Nach positiver Entscheidung des Parteitages soll der Parteivorstand auch in den Entwurf des Wahlprogrammes zur nächstfolgenden Bundestagswahl die Forderung nach einem linken bedingungslosen Grundeinkommen aufnehmen.”

    Der Mitgliederentscheid fand im September 2022 statt – aus Sicht der Befürworter*innen mit großem Erfolg (Kampagnenseite der BAG Grundeinkommen). Bei einer für Mitgliederversammlungen und Mitgliederentscheide guten Beteiligung von über 33 Prozent der Mitglieder votierten rund 57 Prozent für die Aufnahme eines emanzipatorischen Grundeinkommens in Parteiprogramm, rund 38 Prozent dagegen (die Ergebnisse hier). Mit den 33 Prozent war die für die Annahme des Entscheids nötige Beteiligung von 25 Prozent der Mitglieder erfüllt. Die einfache Mehrheit, die es zudem zur Annahme gebraucht hat, war durch den Anteil von rund 57 Prozent Zustimmenden ebenfalls erfüllt.  

    Gegen den Willen der Parteiführung und insbesondere gewerkschaftlicher Zusammenschlüsse in der Partei DIE LINKE hatte sich also die Parteibasis per Mitgliederentscheid für die Aufnahme des Grundeinkommens ins Parteiprogramm ausgesprochen. Rechtlich war das allerdings nicht mehr als eine Empfehlung. Denn laut dem in Deutschland für alle Parteien gültigen Parteiengesetz haben nämlich die Delegierten eines Parteitages die Entscheidungshoheit über das Parteiprogramm (vgl. § 9 (3) Parteiengesetz und Ordnung für Mitgliederentscheide der Partei DIE LINKE). Entsprechend war auch der Text des Mitgliederentscheids formuliert.

    Mit dem Mitgliederentscheid war ein Antrag an den Parteitag notwendig geworden, der kürzlich – vom 18. bis 20. Oktober 2024 – in Halle stattfand. Er wurde von einer vom Parteivorstand eingesetzten Arbeitsgruppe aus Befürworter*innen und Gegner*innen des Grundeinkommens sowie Skeptiker*innen im Konsens ausgearbeitet. Der Parteivorstand, der mehrheitlich aus Gegner*innen und Skeptiker*innen bestand, folgte mit großer Mehrheit dem Entwurf der Arbeitsgruppe.

    Prominente aus Wissenschaft, Kultur, Politik, Gewerkschaftsbasis und sozialer Bewegung unterstützten mit einem öffentlichen Appell an die Delegierten, den Antrag des Parteivorstands (siehe der Appell Prominenter an die Delegierten auf der Website der BAG Grundeinkommen).

    Der Antrag des Parteivorstands zur Aufnahme des Grundeinkommens ins Parteiprogramm (Volltext unten) wurde allerdings von der Mehrheit der Parteitagsdelegierten abgelehnt. Wesentlich dazu beigetragen haben dürften eine sachlich unzutreffende Intervention von Gregor Gysi sowie Debattenbeiträge von Parteitagsdelegierten der Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb & Gewerkschaft, insbesondere auch von deren ehemaligen Sprecherin und nunmehr Ko-Parteivorsitzende der LINKEN Ines Schwerdtner (siehe Video der Diskussion: ab Minute 15 Gregor Gysi, ab Minute 26 Kommentator und Delegiertendebatte). 

    Somit gilt weiterhin die bisherige Formulierung zum Grundeinkommen im Parteiprogramm aus dem Jahr 2011: „Teile der LINKEN vertreten darüber hinaus das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens, um das Recht auf eine gesicherte Existenz und gesellschaftliche Teilhabe jedes Einzelnen von der Erwerbsarbeit zu entkoppeln. Dieses Konzept wird in der Partei kontrovers diskutiert. Diese Diskussion wollen wir weiterführen.“ (Programm der Partei DIE LINKE)

    Fazit

    Die Mehrheit der Delegierten hat die Chance vertan, DIE LINKE zur einzigen im Bundestag vertretenen Partei werden zu lassen, die ein klares programmatisches Bekenntnis zum Grundeinkommen abgibt. Und obendrein hat sie auch noch den Willen der Parteibasis ignoriert. Schließlich hatte die sich per Mitgliederentscheid für die Aufnahme des Grundeinkommens ins Parteiprogramm ausgesprochen. Darüber hinaus dürften viele in Wissenschaft, Kunst und Kultur, Politik, Gewerkschaftsbasis und sozialer Bewegung enttäuscht sein, natürlich auch die vielen anderen Befürworter*innen des Grundeinkommens in der Gesellschaft.

    Antrag des Parteivorstands zur Aufnahme des Grundeinkommens ins Parteiprogramm der LINKEN:

    https://www.die-linke.de/fileadmin/user_upload/P01_Bedingungsloses_Grundeinkommen.pdf

    „Der Parteitag möge beschließen:

    Aufgrund eines positiven Mitgliederentscheides nimmt die Partei Die Linke die Forderung nach einem emanzipatorischen Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) in ihre politische Programmatik auf. Das Grundsatzprogramm (‚Erfurter Programm‘) wird dazu im Abschnitt 4.1 (‚Wie wollen wir leben? Gute Arbeit, soziale Sicherheit und Gerechtigkeit‘) nach dem Abschnitt zur Kindergrundsicherung auf S. 44 der gedruckten Fassung von 2012 (‚DIE LINKE streitet […] vor Ausgrenzung und Diskriminierung schützt.‘) um folgende Passage ergänzt:

    ‚Die Linke fordert darüber hinaus einen Paradigmenwechsel: Das emanzipatorische Bedingungslose Grundeinkommen (folgend: BGE) für mehr soziale Sicherheit und Selbstbestimmung. Das BGE ist ein armutsfestes Einkommen für alle Menschen, das ohne Bedürftigkeitsprüfung, Zwang zur Arbeit und andere Gegenleistungen in existenz- und teilhabesichernder Höhe individuell garantiert ist. Das BGE bildet eine zusätzliche Säule neben den gesetzlichen Umlagesystemen der Sozialversicherungen. Wir wollen die öffentliche Daseinsvorsorge bedarfsgerecht ausbauen und ausfinanzieren. Die Finanzierung von BGE und öffentlicher Daseinsvorsorge erfolgt durch eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von Oben nach Unten. Das BGE ersetzt die bis dahin bestehenden Grund- und Mindestsicherungssysteme. Es ist im Kontext der Demokratisierung von Wirtschaft und Arbeit wirksam und für uns elementarer Bestandteil eines echten sozial-ökologischen Umbaus. Verbunden mit einem Recht auf Teilhabe am Erwerbsleben, einem Mindestlohn, Mietendeckel, kostenfreiem ÖPNV und einer kostenlosen Teilhabe am öffentlichen Bildungssystem soll es dazu beitragen, Kapitalmacht zurückzudrängen und die Demokratisierung aller Lebensbereiche hin zu einem Demokratischen Sozialismus voranzutreiben.‘

    Im Gegenzug wird die bisherige Passage zum BGE auf S. 44 der gedruckten Fassung von 2012 (‚Teile der LINKEN […] wollen wir weiterführen.‘) gestrichen.“

    16 Kommentare

    Otto Meixner schrieb am 26.10.2024, 13:10 Uhr

    Ich bin daraufhin aus der Partei ausgetreten

    Ulrich Franz schrieb am 29.10.2024, 04:36 Uhr

    Ich bedauere - natürlich -, dass die LINKE den Antrag des Vorstandes das linke emanzipatorische Grundeinkommen in das Parteiprogramm der LINKEN auf Basis der Mitgliederbefragung aufzunehmen abgelehnt hat. (Und sicher hat das Votum von Gregor Gysi dazu sicher mit beigetragen.) Ich halte diese Entscheidung für falsch. Aber in einem dürfte Gysi mutmaßlich recht haben. Eine Entscheidung zu diesem Zeitpunkt!! könnte die ohnehin in ihrer Existenz bedrohte Partei zerreißen, wenn es ihr nicht durch Geschlossenheit gelingt, wieder in den Bundestag einzuziehen. Mir ist dabei bewusst, dass es jetzt andererseits viele Frustrierte geben wird, die dafür lange gekämpft haben.

    Ingrid Kuhlmann schrieb am 29.10.2024, 17:56 Uhr

    Das Grundeinkommen ist in meinen Augen das Mittel um die Gesellschaft zu befrieden. Es ist wichtig das dieses Thema in erreichbare Weite rückt. Die Linke sollte sich da verantwortlich verhalten.

    Und Herr Gysi sollte sich nicht so demotivierend äußern. Schließlich ist das Grundeinkommen nur 1 Punkt von vielen. Ob die Partei zukünftig gewählt wird , wird sicherlich nicht durch ein Ja zum Grundeinkommen entschieden. Ich denke zur Zeit gibt es neben dem Grundeinkommen genügend Themen die eine starke und aussagekräftige Linke brauchen.

    Anne Pipenbrinck schrieb am 29.10.2024, 19:06 Uhr

    @UlrichFranz Klar, das Votum für ein Grundeinkommen hätte zu Verwerfungen geführt. Aber, mal ehrlich, mit dem Argument \"aber die Wahl(en) in XY\" wurden in den letzten Jahren bis Jahrzehnten alle möglichen Grundsatzdebatten abgewürgt. Es gäbe so viel Klärungsbedarf, die Themen Antisemitismus und Russland/Ukraine/Pazifismus sind die aktuell am brennendsten, aber nicht die einzigen.

    Die Partei begegnet dem immer wieder mit Beschlüssen und Formulierungen, die so verwässert sind, dass die irgendwie alle unterschreiben können. Das macht die Partei unglaubwürdig, nicht nur bei den Genoss:innen selbst, sondenr auch bei der Wählerschaft. Mit diesem ewigen Vorbeilavieren an potentiellen Konflikten wird die Linke nichts mehr gewinnen können.

    Nun sind nach dem LPT in Berlin und dem BPT recht viele Genoss:innen ausgetreten (darunter auch ich). So unterschiedlich die einzelnen Gründe sind, lassen sie sich unter mangelnder Glaubwürdigkeit der Partei gut zusammenfassen.

    Roland Lutz schrieb am 29.10.2024, 23:48 Uhr

    Ich bin vor Jahren wegen Frau Wagenknecht aus der Linken ausgetreten. Nun wäre es ja gut, wieder einzutreten…nichts da. Die Haltung Vieler in der Linken zum Israel-Gaza/Libanonkrieg (ich kann Lederer gut verstehen!) wie auch diese Ablehnung des BGE zeigen mir leider auf: Eine (neue) politische Heimat wird Die Linke nicht mehr für mich.

    Aber wer sonst in der (partei)politischen Landschaft ☹️?

    Hedwig Lankwitz schrieb am 30.10.2024, 00:11 Uhr

    Also ich bin jetzt so halb in der Thematik drin. 20 Minuten die Debatte geschaut und muss feststellen dass der Infogehalt eher gering ist. Wenn die Gegenseite mit Ines, Gysi und Tupac Kritikpunkte nennen, dann wurde dem nicht genug entgegengebracht außer: \"Die Basis hat sich nunmal entschieden\". Rhetorisch nicht gut genug könnte man sagen.

    Aber das könnt ihr ja hier auf der Seite nachholen? :)

    Liebe grüße von gegenüber

    Charlotte Ullmann schrieb am 30.10.2024, 14:40 Uhr

    Grundeinkommen: Supergau auf dem Linken-Bundesparteitag in Halle

    vom 18.10. bis 20.10.2024

    Der Supergau ist eingetreten. Für die Befürworter eines linken, emanzipatorischen Grundeinkommens (BGE)!

    Das linke Konzept, abgeschmettert auf dem Parteitag in Halle am 20.10.2024 nach kurzer kontroverser Debatte um ca.10:00 vormittags.

    Obwohl ein Mitgliederentscheid zum BGE vorlag, bereits vor zwei Jahren positiv beschieden.

    Ein Mitgliederentscheid besitzt den Rang eines Parteitagsbeschlusses, änderbar nach Ablauf von zwei Jahren.

    Wie verabredet wurde er vom Bundesvorstand auf dem Parteitag als Antrag eingebracht, doch erst jetzt, nach zwei Jahren.

    Aha, deswegen die Schieberei? Trickreich eingefädelt! Weil man ihn deswegen neu verhandeln kann, laut Satzung!

    Was aber in all den vergangenen zwei Jahren hinter dem Rücken der Befürworter gemauschelt wurde, dem Antrag des Vorstands, respektive der BAG-Grundeinkommen, nicht nachzukommen, macht sich deutlich anhand des Gegenantrags, der von den Gegnern (vorrangig Gewerkschafter) auf dem Parteitag eingebracht wurde.

    Unglaublich! Die letzte Chance für die Partei Die Linke (PDL), ihre Wiederauferstehung zu feiern nach ihrem fulminanten Niedergang im Bund und in den Ländern!

    Vertan die Chance zu zwei wichtigen Alleinstellungsmerkmalen, die da wären: Basisdemokratie und ein linkes BGE, mit denen sie sich von den relevanten Parteien wohltuend hätte abheben können!

    Wie konnte das geschehen?

    Im Programm der Linkspartei, verabschiedet 2011 in Erfurt, also genau vor 13 Jahren, wird das BGE als diskussionswürdige Option hypostasiert, diese zu pflegen so lange, bis auch der/die Letzte vom BGE überzeugt ist.

    Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) -Grundeinkommen, mitsamt ihren Landesverbänden, bemühte sich nicht nur um fruchtbare Diskussionen, sondern arbeitete dazu auch noch ein sehr gutes, gangbares und revolutionäres BGE-Konzept aus, das bisher am besten ausgearbeitete Konzept unter den BGE-Konzepten, offensichtlich nicht genügend rezipiert innerhalb der Partei oder zumindest von den scharenweise Ausgetretenen mit in die Versenkung genommen.

    Deswegen nun der erneute Diskussionsbedarf, der eine finale Abstimmung nicht zu erlauben schien.

    Also geht die Diskussion weiter bis zum Nimmerleinstag?

    Obwohl dieses linke Konzept eine gigantische Umverteilung von oben nach unten vorsieht, so sehr gewünscht von der Linken in Partei und Gesellschaft, mit dem 90 bis 95% aller Bürger besser gestellt wären, nur die oberen 5 bis 10 % wären Zuzahler, also schlechter gestellt als heute.

    (Siehe: Charlotte Ullmann, https://www.scharf-links.de/debatte/sozialstaatsdebatte/detail-sozialstaatsdebatte/zum-mitgliederentscheid-der-partei-die-linke)

    Aber letztere, nämlich die oberen 5 bis 10 %, sind die absolut Reichen, die oft ohnehin nicht wissen, wohin mit ihrem Geld, und verzweifelt nach Anlage-Möglichkeiten suchen. Genau deswegen werden von ihnen Krisen und Kriege heraufbeschworen, für noch mehr Profit, den sie zu allem Überfluss kaum versteuern müssen, weil sie mit ihrem Geld ausgefuchste Fachleute kaufen können, die ihnen die Wege zu Steuerschlupflöchern ausleuchten.

    Seit 13 Jahren also zieht sich die innerparteiliche Debatte zum BGE quälend dahin, forciert von den Befürwortern, abgeschmettert von den Gegnern.

    Die Gegner unterwerfen sich mit ihrem Hauptargument den vorgeblich so unabänderlichen Kräfteverhältnissen des Kapitals, jeden revolutionären Impetus in Partei und Gesellschaft im Keime erstickend.

    Dem Mitgliederentscheid ging eine Kampagne voraus, durchgeboxt von visionären und selbstlosen Basismitgliedern. Er wurde jetzt schlicht und ergreifend vom Tisch gefegt, obwohl Mitgliederentscheide den Rang eines Parteitagsbeschlusses genießen. Sicher, auch Parteitagsbeschlüsse können wieder geändert werden. Jedoch ist es in meinen Augen etwas anderes, wenn der Beschluss von der Basis kommt, den ernstzunehmen einer jeden Partei, einer jeden gesellschaftlichen Formation, die sich unserem Grundgesetz und unserer Demokratie verpflichtet sieht, eine Ehre sein müsste.

    Trotz alledem wird von der Partei Die Linke, die sich links nennt und die sich demokratischen Sozialismus auf die Fahne geschrieben hat, eine gesellschaftlich mögliche Veränderung zu einer sozial besseren Welt verantwortungslos torpediert.

    Charlotte Ullmann

    am 22.10.2024 in Frankfurt am Main

    Dietrich Bicher schrieb am 30.10.2024, 20:53 Uhr

    @Hedwig Lankwitz:

    Wo auch immer \"gegenüber\" ist, 20 Minuten reichen für ein derart komplexes Thema eben nicht.

    @BGE allgemein:

    Gestern schrieb ich den beiden Parteivorsitzenden unter anderem zum Mitgliederentscheid zum bedingungslosen Grundeinkommen (BGE):

    \"Ihn niederzustimmen, ist meines Erachtens eine drastische Verletzung der Mitgliederrechte und einfach nur eine Mißachtung des Mitgliederwillens.

    Abgesehen davon könnte ein emanzipatorisches BGE viele Finanz- und Fachkräftemangelprobleme im heutigen Deutschland entschärfen.

    (Auch Gregors Argumentation gegen ein BGE ist inhaltlich ganz schwach und enttäuschend, denn auch er sollte wissen, daß er mit einem BGE aufgrund

    geänderter Besteuerungen davon kaum profitiert – ebenso wie alle anderen Bestverdiener und Reichen.)

    Und warum sollte es nicht ähnlich dem LINKEN-Mindestlohn-Projekt (das sich heutzutage sogar die Brandenburger SPD auf die Fahne schreibt) möglich

    sein, es gesellschaftsfähig zu machen? (Das ist bei weitem noch nicht \"Sozialismus\", jedoch würde der in Deutschland herrschende Kapitalismus ein wenig mehr

    an den Artikel 1 des Grundgesetzes hergerückt werden.)

    Leider muß ich jedoch zur Kenntnis nehmen:

    \"Bis zum Beginn des Bundesparteitages haben weder Jan Van Aken noch Ines Schwerdtner auf unsere Wahlprüfsteine geantwortet.

    Auch unserer Bitte an die Parteizentrale diese an die weiteren Kandidierenden weiterzuleiten, wurde nicht entsprochen\" schreibt die BAG

    (https://www.die-linke-grundeinkommen.de/start/unser-bge/).\"

    Obwohl ich diese Meinungsäußerung telefonisch angekündigt hatte, gab\'s noch nicht einmal die erbetene Eingangsbestätigung aus dem Vorsitzenden-Büro.

    Wie abgehoben und fern der Mitgliedschaft geht\'s eigentlich im KL-Haus zu?

    Ulrich Franz schrieb am 31.10.2024, 04:38 Uhr

    @Anne Pipenbrinck

    Ich habe ja die Entscheidung der LINKEN als \"falsche Entscheidung\" gekennzeichnet. Ich bin kein Mitglied der Partei. Und deswegen könnte ich auch nicht austreten, aber darum geht es nicht. Die Grundeinkommensbewegung - das wissen wir doch alle - braucht einen langen Atem, gerade dann, wenn es um ein wirklich emanzipatorisches Grundeinkommen mit einer umfassenden Daseinsvor- und -fürsorge geht, die eine z.B. auch kulturelle Teilhabe für Alle real ermöglicht und!! fördert. Dieses in die Köpfe gerade auch der Skeptiker*innen zu bekommen, ist ein nicht leichtes Unterfangen. Im Gegenteil. Eine Partei, die dies nicht zumindest in überwiegende

    en Teilen trägt, ist auch - nochmal ich halte die Entscheidung für falsch - nicht glaubwürdig. Wenn ich die neue Parteivorsitzende in der Debatte richtig verstanden habe, hat sie versprochen, die Diskussion aktiv fortzuführen. Dies sollte man tun und einfordern.

    Und weiter dicke Bretter bohren.

    Roland Lutz hat s.o. hier die Frage gestellt, wer denn sonst politische Heimat sein kann? Hast Du dafür eine Antwort?

    Peter Semmerich schrieb am 03.11.2024, 14:03 Uhr

    Linke damit evident Müll und kann weg - Verwunderung hält sich in Grenzen.

    Thomas Schneider schrieb am 03.11.2024, 17:11 Uhr

    Ein Mitgliederentscheid bloß Demokratie-Simulation in der SED-Nachfolger-Partei? Ich bin schockiert.

    Ralf Wachinger schrieb am 06.11.2024, 16:30 Uhr

    Ich bin seit 2009 Basismitglied der Partei Die Linke und darüber hinaus ein Befürworter des emanzipatorischen BGEs. Ich war jedoch über 10 Jahre aus verschiedenen Gründen innerparteilich inaktiv. Meine Idealpartei wäre sozial und ökologisch emanzipatorisch und zukunftsorientiert. Mein Enthusiasmus, mit dem ich 2009 eingetreten bin, ist zunehmend meiner Enttäuschung gewichen. Was innerparteilich schiefläuft, ist an anderer Stelle zu diskutieren. Ich möchte trotz allem an die enttäuschten Parteimitglieder appellieren, nicht auszutreten. Die emanzipatorischen Bewegungen (BGE-, Sozial-, Umwelt-, Friedens-Bewegung usw.) brauchen eine Vertretung in den Parlamenten. Wenn keine vorhandene Partei das schafft, ist notfalls dafür eine neue Partei zu gründen. Das ist über die Jahrzehnte betrachtet ein normaler Prozess der Erneuerung in einer politischen Landschaft, wo das Weiter-So und der Status-quo trotz besseren Wissens mehr zählen als die notwendigen Veränderungen.

    Zum links-emanzipatorischen BGE der BAG Grundeinkommen: In meinen Augen entsteht dadurch perspektivisch ein universelles, inklusives Sozialsystem. Siehe dazu Ronald Blaschkes Beitrag \'Grundeinkommen - Was ist das eigentlich?\' im Büchlein \'Digitalisierung? Grundeinkommen!\', erschienen im Mandelbaum-Verlag 2019. Mir ist dabei ganz wichtig, dass zusätzlich zu den vier Konsenskriterien der BGE-Bewegung ein fünfter dazukommt: Eine Umverteilung von oben nach unten. Oder besser: eine Rückverteilung. Denn allgemein gesehen entsteht verständlicher Widerstand in der Bevölkerung gegen notwendige Veränderungen, wenn die kleinen Leute übermäßig belastet werden, während die Großkopferten aus ihrer Verantwortung genommen werden.

    Im Weiteren schlage ich allen BGE-Bewegten vor, sich noch stärker an Die Linke zu wenden, damit dort umgedacht wird. Denn wir BGE-bewegten Basis-Mitglieder können das nicht alleine stemmen.

    Hedwig Lankwitz schrieb am 07.11.2024, 12:32 Uhr

    Ich glaube nicht dass dieser 20 minütige Schlagabtausch redundant war für das Wahlergebnis. Anscheinend wurde ja auch der Eingriff von Gysi und Ines als mitentscheind genannt. Alles etwas aus dem Buchgefühl heraus wurde mitentschieden bei den Deligierten. Und da hat die Gegenseite uns rhetorisch übertrumpt. Aber die 2 jährige Hinauszögerung war tatsächlich unfair und die vergangene Zeit als Argument für eine Neubeurteilung ranzuhalten dementsprechend die Spitze des Eisbergs

    Ralf Wachinger schrieb am 11.11.2024, 16:42 Uhr

    Ich ergänze meinen vorherigen Kommentar mit den folgenden Überlegungen:

    Tiefere Hintergründe zu den Meinungsverschiedenheiten im politisch linken Diskurs arbeitet Karl Reitter in seinem im Mandelbaum-Verlag 2021 erschienenen Büchlein \'Kritik der linken Kritik am Grundeinkommen\' (sic!) gut heraus. Er beschreibt zwar vornehmlich die Verhältnisse in Österreich, aber in Deutschland sind sie gleichartig. Siehe auch seine Ergänzung \'Der Wille zu regieren - Warum die Kritik am bedingungslosen Grundeinkommen so vehement formuliert wird\': https://www.jahrbuch-marxistische-gesellschaftstheorie.net/post/karl-reitter-der-wille-zu-regieren

    Die konkrete Formulierung im Mitgliederentscheid 2022 weist auch darauf hin. Ich zitiere den letzten Absatz der NEIN-Stellungnahme: \"Eine Festlegung der LINKEN auf die Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen würde unsere Politikfähigkeit in den konkreten Auseinandersetzungen in Bündnissen und Bewegungen ebenso gefährden wie die notwendige Pluralität und Breite der LINKEN.\"

    Die JA-Begründung bezieht sich deutlich auf das Thema links-emanzipatorisches BGE. Die NEIN-Stellungnahme nennt einerseits schon im Programm vorhandene Punkte: ein Recht auf gute, existenzsichernde Arbeit, eine armutsfeste Mindestsicherung, eine armutsfeste solidarische gesetzliche Rente, eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung und einen sozial-ökologischen Umbau. Diesen Punkten stimme ich zu. Andererseits werden in der NEIN-Stellungnahme auch Argumente vorgebracht, die mit der sogenannten Politikfähigkeit zu tun haben. Das ist ein anderes Thema. Zudem ist das konkrete BGE-Konzept, um das es im Mitgliederentscheid geht, in die Gesamtprogrammatik der Partei eingepasst und vervollständigt sie perspektivisch.

    Wenn ich die gesamte Situation aus meiner Sicht zusammenfasse, so komme ich zu Differenzen in der politischen Dimension von emanzipatorisch zu konservativ. In diesem Sinne wäre der genauere Titel des vorgenannten Büchleins \'Links-emanzipatorische Kritik der links-konservativen Kritik am Grundeinkommen\'. Wer sich mit den fachspezifischen Überlegungen schwer tut, schaue sich Die Linke und das BSW an. Die verschiedenen Positionen der Personen innerhalb und nun auch außerhalb Der Linken (das BSW) kann als Kontinuum gesehen werden.

    Eric Manneschmidt schrieb am 16.11.2024, 01:19 Uhr

    @Ralf Wachinger: Der Forderung, die BGE-Definition um den Aspekt \"Rückverteilung\" zu ergänzen, schließe ich mich an.

    Wir in der Initiativgruppe Bedingungsloses Rhein-Main haben das in unserer BGE-Definition bereits umgesetzt: https://bge-rheinmain.org/mehr-erfahren/das-bge

    \"12. es [das BGE] wird auf eine Weise finanziert, so dass Vermögensungleichheit reduziert wird.\"

    Hedwig Lankwitz schrieb am 24.11.2024, 13:18 Uhr

    @ Ralf Wachinger: Danke für den Buchtipp. Gibt wertvolle Einblicke in die Debatte

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