Ist das solidarische Bürgergeld „neoliberal“?

Michael Opielka 26.11.2007 Druckversion

In einem Artikel in der taz vom 8.10.2007 zum Grundeinkommenskongress in Basel finden wir folgendes Zitat: „Ein Modell wie das von Dieter Althaus steht schlicht in einer neoliberalen Tradition und hat nichts mit unseren Ansätzen zu tun“, meinte Ronald Blaschke vom Netzwerk Grundeinkommen.

Angenommen, Ronald Blaschke wurde richtig zitiert, dann muss eine derartige Äußerung strikt zurückgewiesen werden. Sie ist falsch und gefährdet die Umsetzung der Idee des Grundeinkommens. Warum?

Die Grundeinkommensidee hat selbstverständlich ordoliberale bzw. neoliberale Wurzeln, am prominentesten bei Milton Friedman, später bei Joachim Mitschke und heute bei Thomas Straubhaar, dessen „idealtypisches“ Bürgergeld-Modell den Sozialstaat auf eine Negative Einkommenssteuer zusammenstutzen will – ergänzt durch ein Gutscheinmodell für Bildung.

Doch auch die von den Gegnern des Grundeinkommens hoch gehaltene Idee der Bismarckschen Sozialversicherungen hat liberale und auch rechte Wurzeln: Bismarck war Nationalliberaler und verantwortlich für die Sozialistengesetze 1877, die meisten Nazis hielten die Sozialversicherungen für ein volksdeutsches Gut und die wesentlichen Ausweitungen der Sozialversicherungen erfolgten nach 1945 durch Christdemokraten. Dennoch behaupten heute die meisten „Linken“ in den Grünen, der SPD und den Gewerkschaften, dass die lohnarbeitszentrierten Sozialversicherungen „links“ und nur durch eine „Grundsicherung“ zu erweitern seien.

Das Althaus-Modell des „Solidarischen Bürgergeldes“ steht natürlich in der Tradition der Grundeinkommensidee und hat selbstverständlich etwas mit den Ansätzen des Netzwerk Grundeinkommen und von BIEN zu tun.

Dennoch hat Ronald Blaschke etwas Richtiges geahnt: Auch auf dem Plafonds des Grundeinkommens gibt es rechte und linke Konzepte – würde es dieses Spektrum nämlich nicht geben, dann wäre die Grundeinkommensidee chancenlos! Das Althaus-Modell könnte man in der rechten Mitte des Grundeinkommensspektrums einordnen – es umfasst nämlich zwei wesentliche Elemente, die es von der neoliberalen Tradition abgrenzen: eine Zusatzrente nach Schweizer Vorbild in Höhe des doppelten Bürgergeldes und ein steuerfinanziertes Gesundheitswesen, was die Neoliberalen in der Regel radikal ablehnen.

Linksutopische Modelle, wie in der Linkspartei teils zirkulierend, abstrahieren von der existierenden Bevölkerung und schlagen ein Grundeinkommen von 1000 Euro monatlich vor, wollen teils explizit eine Staatsquote von 70-80% erreichen, also einen distributiven Sozialismus. Eine Familie mit zwei Kindern hätte dann ein Grundeinkommen von 3000 bis 4000 Euro netto, da würden sich sehr viele freuen. Ein solches Konzept steht in der Tat nicht in der „neoliberalen Tradition“. Es lohnt aber das Gedankenexperiment, ob die Bevölkerung – selbst nach umfassenden Informationen – per Plebiszit einem solchen Modell zustimmen würde.

Es ist verständlich, dass sich Parteipolitiker um ihre Partei bemühen. Ronald Blaschke ist Mitarbeiter der Bundestagsfraktion der Linkspartei. Dennoch empfiehlt es sich sehr, in der Bewegung für ein Grundeinkommen das Ritual politischer Übertreibung zu vermeiden und zu schauen, was das Gemeinsame ist.

Wenn man das missachtet, wiederholt sich auch künftig die Erfahrung des grünen Bundesparteitags am 24.11.2007: die Gegner des Grundeinkommens bauten das Althaus-Modell als Attrappe des Sozialabbaus auf – ohne sich ernsthaft beispielsweise mit dem von Wolfgang Strengmann-Kuhn und mir erstellten Gutachten zu diesem Modell beschäftigt zu haben. Sie denunzieren mit einer unsachlichen Bürgergeld-Althaus-Kritik die Idee des Grundeinkommens selbst. Es ist wichtig, dass Grundeinkommensbefürworter ihnen nicht auf den Leim gehen.

2 Kommentare

Manuel Franzmann schrieb am 27.11.2007, 01:02 Uhr

Ich halte die Kritik dieses Beitrages für berechtigt. Mit ähnlich gelagerten Argumenten habe ich Ronald Blaschke via E-Mail konfrontiert, allerdings ohne bislang auf großes Verständnis gestossen zu sein.

Worum ich über das von Michael Opielka angesprochene hinaus sehr bitten möchte, ist, daß sich die Kritiker \"neoliberaler\" Grundeinkommensmodelle zukünftig vor allem darauf konzentrieren, diese Modelle (sachlich) zu kritisieren und nicht ihren Urhebern vorschnell böse Absichten wie etwa einen bewußten Sozialabbau zu unterstellen. Mit der Unterstellung von Absichten muss man sehr aufpassen, und man sollte diesbezüglich bis auf gegenteilige Beweise Wohlwollendes annehmen. Solche Absichtsunterstellungen sind vielleicht für eine parteipolitische Profilierung hilfreich; sofern sie dem Netzwerk Grundeinkommen zugeordnet werden können, schaden sie diesem zweifellos erheblich.

Peter Scharl schrieb am 22.12.2007, 17:32 Uhr

Ich möchte Michael Opielka ausdrücklich zustimmen, wenn er sagt: \"Auch auf dem Plafonds des Grundeinkommens gibt es rechte und linke Konzepte – würde es dieses Spektrum nämlich nicht geben, dann wäre die Grundeinkommensidee chancenlos!\" Der BGE-Idee konnte wirklich nichts Besseres geschehen, wie das Eintreten eines konservativen Ministerpräsidenten für diese BGE-Idee - und dazu noch wirklich bedingungslos!

Ich bin auch in der BGE-Gruppe der Linkspartei dabei und habe damals bei der ersten Erörterung des Konzepts darauf hingewirkt, dass in die Unterlagen der Passus reinkam, dass es sich beim Konzept um die Vision einer Endstufe eines BGE handelt.

Aber uns Allen muss klarsein, dass wir \"Einstiegsstufen\" brauchen! Und Althaus wäre eine Super-Einstiegsstufe! Deshalb verwenden wir uns von der Ulmer BGE-Gruppe auch dafür! ... nicht zuletzt, weil Althaus (oder seine Zuarbeiter) ziemlich identisch die Einstiegsrechnungen der Ulmer Gruppe zum TGM (TransferGrenzenModell) verwendet haben. ;-))

LINK zu Althaus auf der Ulmer HP:

http://www.ulmer-bge-modell.de/ALTHAUS.html

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