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Sozialrichter geißelt Manipulationen am Hartz-Regelsatz

In einem Interview mit der hessischen Internet-Zeitung Echo.online [1] erläutert der Sozialrichter Jürgen Borchert die rechtlich wohl nicht haltbare Verfahrensweise der Regelsatz-Festlegung. In einem undemokratischen Verfahren werde festgelegt, mit welchem Betrag das Existenzminimum eines Hartz-IV-Empfängers gewährleistet werden soll. Dabei würden die statistischen Werte so manipuliert, dass ein wirklichkeitsfremder und deutlich zu niedriger Satz festgeschrieben werde. Von den statistisch ermittelten Werten seien ungerechtfertigt Abzüge angesetzt worden, z.B. um die angeblichen Käufe von Maßanzügen oder Pelzmänteln oder die angeblichen Ausgaben für das Segelfliegen nicht in den Regelsatz einzubeziehen.

Das Darmstädter Sozialgericht habe ein Gutachten erstellen lassen. Das Ergebnis war, dass die Regelleistung für die dreiköpfige Familie, um die es in diesem Fall geht, um monatlich etwa 150 Euro höher liegen müsste. Mehrausgaben des Staates seien unausweichlich. Gerechtigkeit habe ihren Preis.

Gegen beide Verfahrensmängel sei das Bundesverfassungsgericht und das Bundessozialgericht angerufen worden.

Borchert liegt mit seiner Kritik auf der Linie, die auch von vielen Wohlfahrtsverbänden vertreten wird. Das verzerrte Verfahren der Regelsatzbestimmung beschrieb z.B. Rudolf Martens beim Paritätischen Wohlfahrtsverband schon 2004 [2] und 2006 [3] in den Einzelheiten.

Bei den Diskussionen um die Mindesthöhe eines bedingungslosen Grundeinkommens, das die Existenz und gesellschaftliche Teilhabe sichern soll, kommt es darauf an, dass das Existenzminimum in einem sachgerechten Verfahren ermittelt wird. Dieses Verfahren darf den normativen Ansprüchen des Grundgesetzes nicht widersprechen, und die politische Willensbildung und Kontrolle muss gewährleistet sein. Die anstehenden Gerichtsentscheidungen zum Hartz-IV-Regelsatz werden somit eine prägende Wirkung haben – nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die Grundeinkommens-Zukunft.