Diakonie: Abschaffung von Sanktionen bei Hartz IV
Die Diakonie hat lesenswerte Thesen für eine menschenwürdige Grundsicherung veröffentlicht, die soziale Teilhabe ermöglichen soll.
Sie fordert darin die Abschaffung von Sanktionen bei der Grundsicherung: „Das Existenzminimum darf durch Sanktionen nicht in Frage gestellt werden. Auch wer der gesellschaftlichen Vorgabe von Pflichten – aus welchen Gründen auch immer – nicht nachkommt, hat ein Recht darauf, dass seine Lebensgrundlage sicher bleibt. Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg für positive Effekte von Sanktionen auf die Leistungsberechtigten. Sanktionen ignorieren die strukturellen Barrieren, die den längere Zeit Arbeitsuchenden den Zugang zum Arbeitsmarkt versperren. Sanktionen verschärfen Hunger und Wohnungsnot.“
Die Erklärung unter der Überschrift „Bedingungslose Hilfen für Armut und Ausgegrenzte“ lautet: „Die Bibel betont das Recht der Armen und Ausgegrenzten auf Hilfe. Ihre Lebensgrundlage ist zu sichern. Dies ist Ausdruck ihrer Menschenwürde. Im christlichen Verständnis wurzelt die Menschenwürde darin, dass der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen ist.“
Der Theologe und Sozialethiker Prof. em. Franz Segbers, erklärte dazu in öffentlichen Streitgesprächen: „Das Ebenbild Gottes nötigt man nicht.“ Aus seiner Sicht bedeutet es Nötigung, Menschen durch Sanktionen und Leistungskürzung die Mittel zu entziehen, die ihnen Existenz und gesellschaftliche Teilhabe sichern sollen (vgl. auch die Bundestagspetition von Inge Hannemann und den Antrag der LINKEN im Bundestag zur Abschaffung aller Sanktionen und Leistungseinschränkungen bei der Grundsicherung).
Segbers geht in seinen Forderungen noch weiter: „Meine große Hoffnung wäre allerdings eine weitergehende Reform in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens“, womit dann auch die entwürdigende Bedürftigkeitsprüfung abgeschafft wäre. Dabei könnte er sich auch auf einen Text der Diakonie zu Grundsicherungen aus dem Jahr 2010 stützen. Dort heißt es: „Ein Grundsicherungssystem kann das Problem der verdeckten Armut nicht lösen. Selbst wenn die Sozialleistung durch ein Amtsermittlungsprinzip ergänzt wird, das heißt, [auch wenn die Behörde] im Falle des Bekanntwerdens der Hilfebedürftigkeit von sich aus tätig werden müsste, können so nicht immer alle Bedürftigen erreicht werden. Eine flächendeckende Abfrage von Bedürftigkeit bei allen Bürgerinnen und Bürgern würde eine überbordende Bürokratie schaffen.“ Wenn ein Grundsicherungssystem aber nicht gewährleisten kann, dass Arme die notwendigen Leistungen zur Sicherung der Existenz und gesellschaftlichen Teilhabe erhalten, erfüllt es seinen Anspruch nicht, diesen ein menschenwürdiges Leben zu sichern. Es ist menschen- und grundrechtlich fragwürdig. Auch deswegen macht das Grundeinkommen Schluss mit den Bedürftigkeitsprüfungen.
Was die 122 Organisationen (darunter auch viele christliche) im Verband Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) diskutieren, sollten die Diakonie und andere Wohlfahrtsverbände durchaus auch fordern: „Ein Grundeinkommen, dessen Finanzierung die Bevölkerungsgruppen mit höherem Einkommen stärker belastet und das an alle ausgezahlt wird, kann die Universalität sozialer Sicherheit, insbesondere die Einkommenssicherheit und darauf gründende wirtschaftliche Aktivitäten, und die gesellschaftliche Umverteilung befördern. Es hat ein hohes Potenzial zur Verwirklichung des Menschenrechts auf soziale Sicherheit. Politisch-gesellschaftlich birgt ein universeller Transfer, der die gesamte Bevölkerung einbezieht, positive Aspekte, weil Menschen Leistungen nicht vorrangig deswegen bekommen, weil sie arm sind, sondern weil sie darauf als Bürgerinnen und Bürger der Gesellschaft Anspruch haben.“ Auch Christinnen und Christen in Österreich haben schon ein starkes Votum für ein Grundeinkommen abgegeben. Der evangelische Wohlfahrtsverband (Diakonie) und der katholische Wohlfahrtsverband (Caritas) könnten dem Vorbild der Christinnen und Christen in Österreich und der christlichen entwicklungspolitischen Verbände in Deutschland folgen. Gründe dafür gibt es genug!
4 Kommentare
\"Das Ebenbild Gottes nötigt man nicht\". Ein wunderbarer Satz.
Na ja, dann führt es doch endlich ein:
Netto = 0,5 * Brutto + Familienköpfe * bGE auch für Brutto = 0 mit Freibetrag = Prokopfeinkommen bzw. bGE = halbes Prokopfeinkommen.
Dafür braucht man keine Modelle und keine Diskussionen, bei persönlichem Freibetrag = Prokopfeinkommen ist der Familienausgleich eine Nullsumme, und die Öffentlichen Haushalte werden um Grundsicherungen, halbe Staatsgehälter, halbe Renten und halbes ALG 1 entlastet, es ist also nur die Zusammenfassung der Einkommensteuern und der AG-Sozialabgaben zu einer bGE-Sozialabgabe (Negative Einkommensteuer.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre nichts anderes als eine zeitgemäße Form der sozialstaatlich gebotenen existenziellen Grundsicherung. Leider wird durch die Vielzahl der Modelle und den Unwillen, diese konkret durchzurechnen, die Diskussion zähflüssiger als sie sein müsste.
Die Idee wurzelt tief im Gedankengut der sozialen Marktwirtschaft und gehorcht dem Gebot wirtschaftlicher Vernunft: Alle teilen die Hälfte ihres Einkommens (grundgesetzkonforme 50% Einkommensteuer) mit allen - das wäre eine moderate Rückverteilung von oben nach unten. Für den Staatshaushalt wäre das kostenneutral.
Wie einst in der Friedensbewegung (Aktion Sühnezeichen 1980/81) könnten
christliche Organisationen wie Diakonie und Kirchengemeinden Bündnisparter und Schrittmacher auf dem Weg zum Grundeinkommen werden. Weiter so!