Kindergrundsicherung auf dem Weg zum Kinder- und Jugendgrundeinkommen? Weit gefehlt!

Ronald Blaschke 27.01.2023 Druckversion

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend legte Eckpunkte für die geplante Kindergrundsicherung (Dokument als PDF) vor.

In der Kindergrundsicherung sollen im „Vollausbau“ die unterschiedlichen Sozialleistungen für Kinder- und Jugendliche (z. B. Kinderzuschlag, ehemals Sozialgeld, jetzt „Bürgergeld“, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets und der Asylbewerberleistungen, etc.) und des Familienleistungsausgleichs (Kindergeld, steuerliche Kinderfreibeträge) gebündelt werden. Grundsätzlich soll die Kindergrundsicherung aus zwei Bestandteilen bestehen – dem sogenannten Garantiebetrag für alle Kinder- und Jugendlichen und einem bedürftigkeitsgeprüften Zusatzbetrag für arme Kinder armer Eltern. Auf den Garantiebetrag haben alle Eltern von Kindern bis zu deren Alter von 18 Jahren Anspruch, unter bestimmten Voraussetzungen, wie z. B. Ausbildung, bis maximal zu deren 25. Geburtstag. Der bedürftigkeitsgeprüfte Zusatzbetrag soll eine Leistung für die Eltern für im Elternhaushalt lebende Kinder sein, die unverheiratet oder nicht verpartnert sind und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Das Gesetzgebungsverfahren zur Einführung der Kindergrundsicherung soll nach der Sommerpause 2023 beginnen. Die Einführung der Kindergrundsicherung ist 2025 vorgesehen – dem Jahr der voraussichtlich nächsten Bundestagswahl. Eine interministerielle Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des Gesetzesvorhabens hat sich bereits im Jahr 2021 konstituiert. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE, SPD, das Bündnis Kindergrundsicherung[1] und die Bertelsmann Stiftung haben in der Vergangenheit verschiedene Konzepte einer Kindergrundsicherung vorgelegt.

Ein Kinder- und Jugendgrundeinkommen fordern dagegen der Bund der Deutschen Katholischen Jugend und die Evangelische Jugend in Deutschland. Ehemals forderte auch der Verband der alleinerziehenden Mütter und Väter ein solches, wenngleich er es damals als „Kindergrundsicherung“ bezeichnet hat.

Im Folgenden werde ich diese These begründen: Die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (kurz: BMSFSJ) vorgelegten Eckpunkte für eine Kindergrundsicherung enthalten keine wesentlichen Schritte hin zu einem Kinder- und Jugendgrundeinkommen.

Schauen wir zunächst einmal auf die Definition des Grundeinkommens:

„Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Einkommen für alle Menschen,

  • das existenzsichernd ist und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht,
  • auf das ein individueller Rechtsanspruch besteht,
  • das ohne Bedürftigkeitsprüfung und
  • ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen

garantiert wird.“

Bezogen auf die Gruppe der Kinder und Jugendlichen (bzw. der Kinder von Eltern) hieße das:

„Das Kinder- und Jugendgrundeinkommen ist ein Einkommen für alle Kinder und Jugendlichen,

  • das existenzsichernd ist und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht,
  • auf das ein individueller Rechtsanspruch besteht,
  • das ohne Bedürftigkeitsprüfung und
  • ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen

garantiert wird.“

Gehen wir die Eckpunkte der Kindergrundsicherung anhand dieser Merkmale und mit Bezug auf Deutschland durch:

  1. Anspruchsberechtigung

 Zu vermuten ist, dass die Kinder aller in Deutschland legal aufhaltenden Eltern(teile) einen Anspruch auf die Kindergrundsicherung haben sollen, im Vollausbau auch die Kinder von Asylbewerber*innen, denn auch die Leistungen für Kinder und Jugendliche aus dem Asylbewerberleistungsgesetz sollen in der Kindergrundsicherung gebündelt werden.

Im Eckpunktepapier wird sich auch dazu geäußert, wie mit Kindern und Jugendlichen zu verfahren ist, die sich nicht in Deutschland aufhalten und Anspruch auf die Kindergrundsicherung haben: „Der [bedürftigkeitsgeprüfte, siehe unten] Zusatzbetrag soll so ausgestaltet werden, dass europarechtlich keine Pflicht zum Export ausgelöst wird.“ Ferner heißt es: „Der Zusatzbetrag wird so ausgestaltet, dass er europarechtskonform möglichst nicht EU-Bürgerinnen und -Bürger gewährt werden muss, deren Kinder nicht in Deutschland leben.“ Damit wird im Umkehrschluss auch an der geltenden Rechtslage festgehalten, dass auch im Ausland wohnende Kinder von in Deutschland lebenden Eltern(-teilen) den Garantiebetrag (jetzt Kindergeld) erhalten.

  1. Höhe

Die Kindergrundsicherung soll zwei Bestandteile haben: einen Garantiebetrag für alle Kinder und Jugendlichen in Höhe des Kindergeldes bei Einführung der Kindergrundsicherung, was derzeit 250 Euro beträgt. Erst „perspektivisch“ soll dieser Betrag der Höhe der maximalen Entlastungswirkung des steuerlichen Kinderfreibetrags entsprechen (derzeit 354 Euro, vgl. Bündnis Kindergrundsicherung). Beide Beträge liegen weit unter dem rechtlich geltenden soziokulturellen Existenz- und Teilhabeminimum für Kinder. Deswegen soll für Kinder und Jugendliche, die selbst über kein weiteres Einkommen (und erhebliches Vermögen? [2]) und deren Eltern Hartz V („Bürgergeld“) beziehen und somit auch keine über die Hartz-V-Freibeträge hinausgehenden Vermögen („erhebliches Vermögen“) haben, ein Zusatzbetrag gezahlt werden, der zusammen mit dem Garantiebetrag das rechtlich geltende soziokulturelle Existenzminimum (sächliches Existenzminimum von derzeit 502 Euro) abdeckt. Im Wortlaut heißt es: „Der maximale Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung wird so festgesetzt, dass er in der Summe mit dem Garantiebetrag das pauschale altersgestaffelte Existenzminimum des Kindes abdeckt (altersgestaffelte Regelbedarfe nach SGB II, Wohnkosten, Bildungs- und Teilhabeleistungen).“ Gemäß dem Bündnis Kindergrundsicherung läge das soziokulturelle Existenzminimum inkl. des Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsdarfs derzeit allerdings bei 746 Euro. Außerdem ist die Bestimmung der Höhe des derzeitig rechtlich geltenden soziokulturellen Existenzminimums kritisch zu sehen und viel zu niedrig. Das habe ich hier bereits ausführlich dargelegt.

Es gilt also bezogen auf das Eckpunktepapier der Kindergrundsicherung: Nach jetzigen Bestimmungen decken weder der Garantiebetrag noch der Garantiebetrag plus Zusatzbetrag das soziokulturelle Existenzminimum für Kinder und Jugendliche ab. Immerhin wird im Eckpunktepapier bemerkt: „Der Koalitionsvertrag sieht eine Neudefinition des soziokulturellen Existenzminimums des Kindes vor. Dies umfasst zum einen die Neugestaltung des Bildungs- und Teilhabepakets […] und zum anderen eine Neubemessung der altersgestaffelten Regelbedarfe. Die Regelbedarfe sollen zukünftig stärker als bisher an den Haushaltsausgaben der gesellschaftlichen Mitte ausgerichtet werden. Auch die mehr als 20 Jahre alten Verteilungsschlüssel, mit denen Teile der Haushaltsausgaben den Kindern zugesprochen werden, sollen erneuert werden.“

  1. Individueller Rechtsanspruch

Die Anspruchsinhaberschaft beider Teile der gesamten Kindergrundsicherung haben die Eltern der Kinder und Jugendlichen, nicht die Kinder und Jugendlichen selbst.

Für den Garantiebetrag gilt bzgl. des Auszahlungsanspruches: Werden Kinder volljährig und ziehen aus dem Elternhaushalt aus, besteht ein eigener Auszahlungsanspruch auf den Garantiebetrag: Volljährige Kinder, die nicht mehr im Haushalt der Eltern leben, sollen den Garantiebetrag direkt erhalten. Leben Kinder bei Erlangung der Volljährigkeit noch im Haushalt der Eltern, soll ein eigener Auszahlungsanspruch der Kinder/Jugendlichen auf den Garantiebetrag geprüft werden.

Das Thema Individualisierung betrifft aber nicht nur die Anspruchsinhaberschaft und den Auszahlungsanspruch, sondern auch die Anrechnungsregeln bezüglich Einkommen anderer im Haushalt lebender Personen (Bedarfsgemeinschaft). Diesbezüglich ist eine Lockerung zu verzeichnen: „Zur weiteren Stärkung der Rechtsposition von Kindern und Jugendlichen soll der Garantiebetrag künftig insbesondere bei Bezug von Bürgergeld nicht mehr für den Bedarf von Eltern oder anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft herangezogen werden, auch wenn der existenzsichernde Bedarf des Kindes oder Jugendlichen durch eigenes Einkommen wie z. B. Unterhaltszahlungen oder Renten gedeckt wird.“ Das heißt, das Prinzip der Bedarfsgemeinschaft, die Einkommen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zur Bedarfsdeckung aller heranzuziehen (gegenseitige Bedarfsdeckung) wird in diesem Falle und bezogen auf den Garantiebetrag aufgegeben. Ähnliches gilt für den Zusatzbetrag für Kinder und Jugendliche, die im Haushalt der Eltern(teile) leben: „Mit der Kindergrundsicherung sollen Kinder und Jugendliche weitgehend aus dem Leistungsbezug nach SGB II bzw. SGB XII herausgelöst werden. Wenn Eltern Leistungen nach SGB II bzw. SGB XII (künftig Bürgergeld) für sich beziehen, erhalten ihre Kinder automatisch den maximalen Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung, es sei denn, er ist aufgrund von Kindeseinkommen zu reduzieren. […] Garantie- und Zusatzbetrag werden beim Bürgergeld nicht als Elterneinkommen berücksichtigt. Dieser Mechanismus soll auch greifen, wenn lediglich aufstockende SGB II-Leistungen an die Eltern gewährt werden.“ Das heißt, der Zusatzbetrag für die Kinder/die Jugendlichen ist der Maximalbetrag, wenn die Eltern(teile) Hartz-V-Leistungen erhalten, unabhängig davon, über wie viel anderes Einkommen neben Hartz-V-Leistungen die Eltern(teile) verfügen. Das andere Einkommen von Hartz-V-beziehenden Eltern(teilen) wird also nicht zur Deckung des Zusatzbedarfes des Kindes herangezogen: Nur dann, „wenn der Bedarf der Eltern im Sinne des Bürgergeldes gedeckt ist, soll die Höhe des Zusatzbetrags mit steigendem Einkommen gemindert bzw. abgeschmolzen werden.“ Umgekehrt gilt, dass Grund- und Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung ebenfalls nicht als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft zur Deckung der Bedarfe der Eltern in der Bedarfsgemeinschaft herangezogen werden.

Bezüglich des Verhältnisses zu anderen Kindern / Personen im Haushalt und deren Einkommen finden sich keine konkreten Aussagen im Eckpunktepapier. Zu vermuten ist bezüglich dieser Bedarfsgemeinschaftskonstellation, dass deren Einkommen gar keinen Einfluss auf den Zusatzbetrag haben, denn erstens gilt: „Mit der Kindergrundsicherung sollen Kinder und Jugendliche weitgehend aus dem Leistungsbezug nach SGB II bzw. SGB XII herausgelöst werden.“ Die Kinder/Jugendlichen befinden sich also weitgehend nicht mehr in den Rechtskreisen des SGB II / SGB XII mit ihren Bedarfsgemeinschaftsregelungen. Zweitens ist im Eckpunktepapier bezüglich der Einkommensabhängigkeit des Zusatzbetrages immer nur vom eigenen Einkommen (Vermögen?) des Kindes die Rede (siehe Folgendes).

  1. Bedürftigkeitsprüfung

Die Kindergrundsicherung hat zwei grundlegende Bestandteile, die es jetzt bereits gibt und die bereits heute zusammen das soziokulturelle Existenzminimum abdecken sollen. Der erste ist das Kindergeld/der Kinderfreibetrag für alle Kinder, ein partielles Kinder- und Jugendgrundeinkommen. Dieser Betrag wird im Eckpunktepapier als „einkommensunabhängiger“ Grundbetrag beschrieben. Der zweite Bestandteil ist ein altersgestaffelter, bedürftigkeitsgeprüfter Zusatzbetrag, der im Eckpunktepapier als „einkommensabhängiger“ Betrag bezeichnet wird. Das wäre das ehemalige Sozialgeld (jetzt „Bürgergeld“) für Kinder, das über das Kindergeld hinausgeht. Behauptet wird im Eckpunktepapier: „Die Kindergrundsicherung soll eine verwaltungseinfache Leistung werden und keine individuellen Bedarfsprüfungen der Kinder vornehmen.“ Letzteres ist falsch, denn es erfolgt weiterhin eine Überprüfung von Einkommen und Vermögen – sowohl der Einkommen des Kindes (und seines Vermögens?, siehe Fußnote 2) als auch das Einkommen und Vermögen der Eltern – und die Höhe des Zusatzbetrags entsprechend dem Einkommen und dem Vermögen angepasst bzw. dieser gänzlich verwehrt.

Eine erste Änderung, die die Bedürftigkeitsprüfung nicht aufhebt, aber modifiziert, wäre: Bisher wurde/wird das bedürftigkeitsgeprüfte Sozialgeld/“Bürgergeld“ mit dem Kindergeld verrechnet. Mit der Kindergrundsicherung soll nun der bedürftigkeitsgeprüfte Zusatzbetrag gemeinsam mit dem Garantiebetrag das soziokulturelle Existenzminimum ergeben. Beides läuft in der Summe auf dieselbe Höhe des Gesamtbetrages hinaus. Und beides führt zu dem, was wir heute schon haben: ein partielles, also nicht die Existenz und Teilhabe sicherndes Kinder- und Jugendgrundeinkommen (in Form Kindergeld bzw. Steuerentlastung, in Zukunft Garantiebetrag genannt) gepaart mit einer bedürftigkeitsgeprüften Zusatzleistung für arme Kinder armer Eltern (in Zukunft Zusatzbetrag genannt).

  1. Zwang zur Arbeit oder anderen Gegenleistung

Sanktionierungen der Eltern im Hartz-V-Regime haben zwar keinen direkten Einfluss auf die Absicherung der Kinder und Jugendlichen im Haushalt der Eltern(teile), da die Höhe des Grund- und Zusatzbetrages der Kindergrundsicherung nicht tangiert wird. Aber das durch Sanktionen gesunkene Haushaltseinkommen hat natürlich Einfluss auf die Versorgung der Kinder und Jugendlichen im Haushalt. Dem ist nur durch die vollständige Abschaffung aller Sanktionen und Leistungskürzungen bei Hartz V zu begegnen, zumindest durch die Abschaffung aller Sanktionen und Leistungskürzungen für Eltern(teile) mit Hartz-V-Bezug, deren Kinder im selben Haushalt leben.

Zu vermuten ist, wenn auch im Eckpunktepapier nichts darüber ausgesagt wird, dass Grund- und Zusatzbetrag nicht gekürzt werden können, wenn die Kinder und Jugendlichen im Haushalt der Eltern(teile) leben und die Eltern(teile) Anspruch auf den Zusatzbetrag für ihr Kind haben. Für diese Vermutung spricht, dass kindergrundsicherungsberechtigte Kinder und Jugendliche weitgehend aus dem Leistungsbezug der Sozialgesetzbücher SGB II und SGB XII herausgelöst werden sollen – also auch nicht von deren Sanktions- und Leistungskürzungsregeln dieser Sozialgesetzbücher betroffen sein können. Diese Herauslösung aus dem sanktionsandrohenden und gegebenenfalls Sanktionen vollziehenden Leistungssystem ist natürlich dann nicht gegeben, wenn die/der Jugendliche außerhalb des Haushalts der Eltern lebt und einen Anspruch auf Hartz-V-Leistungen hat – ob nun mit oder ohne Garantiebetrag der Kindergrundsicherung. Diesen Jugendlichen drohen weiterhin Sanktionen und Leistungskürzungen und sie sind weiterhin dem Zwang zur Arbeit oder anderen Gegenleistungen ausgesetzt.

  1. Entbürokratisierung und Vereinfachung des Antragsverfahrens und mögliche Folgen

Im Eckpunktepapier wird bezüglich des Bedürftigkeitsprüfungssystems für den Zusatzbetrag festgehalten:

„Der Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung wird auf Antrag gewährt und unmittelbar bei der Kindergrundsicherungsstelle beantragt. Über den Garantiebetrag sollen Empfängerinnen und Empfänger nach einem automatisierten ‚Kindergrundsicherungs-Check‘, das heißt mittels eines Abgleichs mit den von der Finanzverwaltung bereitgestellten Steuerdaten, ein Hinweisschreiben erhalten, dass sie möglicherweise Anspruch auf den Zusatzbetrag haben […]. Der Antrag soll grundsätzlich über ein Antragsportal der Kindergrundsicherungsstelle erfolgen. Antragstellende sollen durch Vorbelegungen auf Grundlage des automatisierten ‚Kindergrundsicherungs-Check‘ unterstützt werden. Um das Antragsverfahren möglichst einfach zu gestalten, sollen Einkommensnachweise möglichst über Datenabrufe durch die Kindergrundsicherungsstelle beschafft werden können und nicht durch Antragstellende selbst vorgelegt werden müssen. Wo anspruchsbegründende Nachweise bereits elektronisch bei einer anderen Behörde zur Verfügung stehen, sollen diese datenschutzkonform direkt und automatisiert durch die Kindergrundsicherungsstelle abgerufen werden können. Wo dies noch nicht der Fall ist, sollen entsprechende Datenabrufe ermöglicht werden. Zudem prüfen wir, wie das Datenabrufverfahren zu Entgeltdaten zwischen Rentenversicherungsträgern und Arbeitgebern (rvBEA) z.B. zur Validierung der Steuerdaten eingesetzt werden kann. Die Bewilligung des Zusatzbetrags erfolgt auf Basis einer Prognose des Einkommens auf Antrag nach dem Einkommensbegriff im SGB II. Der Zusatzbetrag wird für 12 Monate gewährt (Bewilligungszeitraum). Dabei ist auf einen Gleichlauf mit den Bewilligungszeiträumen im Bürgergeld zu achten. Veränderungen beim Eltern- und Kindeseinkommen werden auf Antrag jederzeit berücksichtigt und Anpassungen an der Höhe des Zusatzbetrags vorgenommen.“

Das sind entbürokratisierte und vereinfachende Antrags- und Bedürftigkeitsprüfungsverfahren, die zur erhöhten Inanspruchnahme von Leistungen für arme Kinder armer Eltern führen können. Diese vereinfachenden Verfahren ergeben sich auch aus der Bündelung o. g. verschiedener Leistungen für Kinder und Jugendliche. Der tatsächliche Effekt der Antrags- und Bedürftigkeitsprüfungsvereinfachung wird sich in der Praxis erweisen müssen. Erst in der Umsetzung wird sich zeigen, ob sich hieraus eine stärkere Inanspruchnahme zustehender Sozialleistungen und damit eine Armutsminderung ergibt [3].

Fazit

Wer glaubte, mit der Kindergrundsicherung auf dem Weg zu einem Kinder- und Jugendgrundeinkommen zu sein, hat leider weit gefehlt. Die vorgelegten Eckpunkte der Kindergrundsicherung enthalten keine wesentlichen Schritte hin zu einem Kinder- und Jugendgrundeinkommen. Die Kindergrundsicherung ist weder im Grundbetrag noch im Grund- plus Zusatzbetrag die Existenz und Teilhabe der Kinder und Jugendlichen sichernd, solange nicht eine grundsätzliche Neubestimmungen und Erhöhung der Beträge erfolgt. Der Zusatzbetrag über den Grundbetrag/das Kindergeld hinaus ist weiterhin bedürftigkeitsgeprüft und nicht individuell garantiert. Dessen Höhe und Gewährung ist vom eigenen und vom Einkommen und Vermögen der Eltern abhängig. Viele Jugendliche sind weiterhin dem Zwang zur Arbeit und anderen Gegenleistung ausgesetzt. Auf die Kindergrundsicherung haben grundsätzlich nicht die Kinder und Jugendlichen einen Anspruch, sondern deren Eltern.

Allerdings ändern sich Details gegenüber bisherigen Leistungen für Kinder und Jugendliche, die zu begrüßen sind: Das sind zum einen die Einbeziehung von Kindern von Asylbewerber*innen im „Vollausbau“ der Kindergrundsicherung. Das ist zum anderen die Aufhebung bestimmter Bedarfsgemeinschaftsregelungen und der Sanktionsmöglichkeiten für bestimmte Gruppen von Kindern und Jugendlichen, die wir von Hartz IV kannten und von Hartz V/“Bürgergeld“ kennen. Und das ist darüber hinaus ein entbürokratisiertes und vereinfachtes Antrags- und Bedürftigkeitsprüfungsverfahren. Die beiden letztgenannten Änderungen könnten zur erhöhten Inanspruchnahme der Leistungen für arme Kinder und Jugendliche armer Eltern führen. Die Praxis wird zeigen, ob diese Annahme bestätigt werden kann. Ein sinnvollerer Schritt wäre die Einführung eines Kinder- und Jugendgrundeinkommens – denn uns sollte jedes Kind, jeder Jugendliche gleich viel wert sein. Zu finanzieren wäre ein Kinder- und Jugendgrundeinkommen. Scheinbar fehlt es „nur“ am politischen Willen.

[1] Das Bündnis Kindergrundsicherung hat ihre Konzeption mehrmals, auch in wesentlichen Bestandteilen, verändert – weg von der Nähe zu einem Kinder- und Jugendgrundeinkommen.

[2] Ob und inwieweit Vermögen des Kindes den Anspruch auf den bzw. die Höhe des Zusatzbetrages berührt, wird im Eckpunktepapier nicht deutlich.

[3] So nehmen zum Beispiel ca. 32 Prozent der Anspruchsberechtigten den Kinderzuschlag tatsächlich in Anspruch. Vgl. https://www.grundeinkommen.de/29/01/2011/grundeinkommen-der-beste-weg-um-armut-auszumerzen-beispiel-kindergrundsicherung.html

Foto: pixabay

Ein Kommentar

G. Seedorff schrieb am 31.01.2023, 21:52 Uhr

Es ist sicher nicht unrealistisch, wenn man aufgrund dieses Berichtes vom Netzwerk Grundeinkommen verlangt, dass es seine 5 Basisforderungen einmal auf den Prüfstand stellt und realistischere Basisforderungen ausarbeitet, um dem Ziel näher zu kommen: Die Einführung eines Grundeinkommens für alle!

Auch wenn wir uns dafür alle aufteilen müssen z. B. nach dem Alter.

Ob eine Einteilung, wie im Bericht dargestellt, nach dem Einkommen erforderlich ist, würde bedeuten, dass es letztendlich nicht ins Grundgesetz aufgenommen werden kann und das ist doch wie ich vermute unser aller ENDZIEL

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