Missfaktoren und ein Gegenprogramm

Archiv 27.05.2008 Druckversion

Rauf und runter tobt die Armutsdebatte wie ein Wirbelsturm über deutsche Lande und erreicht mit ihrer Message noch die hintersten Winkel der Republik – dass es ungerecht zugehe, weil Reich und Arm auseinanderdriften, der Aufschwung unten nicht ankommt und die oberen Zehntausend immer dreister zulangen, ist mittlerweile eine Binsenweisheit. Eine Steilvorlage für die Idee des Grundeinkommens – doch diese Idee kommt in der öffentlichen Auseinandersetzung praktisch nicht vor.

Während zumindest die Grünen „infiziert“ sind und über Bürgergeld, Grundsicherung und Grundeinkommen in Online-Foren und Parteigremien streiten („wir treten aufs freie Feld hinaus“), verfängt der Charme des „Einkommens für alle“ bei den Medien nicht. Die spektakulären Auftritte von Götz Werner und die seiner weniger telegenen Mitstreiter haben den Reiz des Neuen eingebüßt, von „Bild“ bis Anne Will ist das Geschäft der Meinungsmacher eben eher hart als fair. Wer geglaubt hat, durch die prominente Besetzung von Talkshows ließe sich das Grundeinkommen „von oben“ in die Köpfe träufeln, wird eines Besseren belehrt.

Solange die „gefühlte Ungerechtigkeit“ nicht in überprüfbare Lösungskonzepte umgemünzt wird, die sich auf dem politischen Meinungsmarkt behaupten können, bleiben die Medien ambivalent. Gespräche in der Fußgängerzone belegen: die Bürgergeld-Forderung bleibt nicht nur umstritten, sondern in weiten Kreisen gänzlich unbekannt. Das Bohren dicker Bretter – Fehlanzeige. Griffige Slogans, einprägsame Kampagnen, prominente Fürsprecher, Umsetzungs-Strategien oder aktuelle Grundeinkommens-Kommentare finden sich allenfalls auf der Homepage des Netzwerks Grundeinkommen oder bei „Freiheit statt Vollbeschäftigung“. Während die Franzosen auf die Straße gehen, bleibt die (Bürgergeld-)Revolte in Deutschland digital – wer jetzt Hartz IV ein bisschen mildert, macht die Deutschen wieder glücklich?

Doch es gibt auch positive Zeichen: Seit den ersten öffentlichen Tönen vor vier Jahren haben die Solisten des Grundeinkommens-Chors trotz mancher Dissonanzen Berührungsängste abgebaut – die Pläne zum Berliner Kongress im Oktober zeigen, wie breit das Spektrum ist. Das Netzwerk Grundeinkommen setzt auf Dynamik – auf der Mitgliederversammlung Anfang Juli können professionelle Strukturen und mehr Beteiligungsmöglichkeiten beschlossen werden. Die Woche des Grundeinkommens vom 15. – 21.09. könnte ein „Event“ mit Signalcharakter sein, mit dem die deutschlandweite Grundeinkommens-Bewegung erstmals die politische Bühne betritt.

Damit auf den Grundeinkommens-Herbst („Wir sind reif für ein Einkommen?“) auch ein erfolgreiches Bürgergeld-Wahljahr 2009 folgen kann, sollten ein paar „Missfaktoren“ nicht unerwähnt bleiben, die sich als Hauptblockaden in der Meinungsschlacht erweisen könnten.

  1. Missgunst ist ein prima Motiv für jeden, der um seine Stellung fürchtet oder seinen Aufstieg emotional nicht verkraftet hat. Vorbehalte gegen das Grundeinkommen ähneln oft denen, die gegen Ausländer und andere Gruppen bestehen, die einem den (vorletzten) Platz streitig machen. In diese Kategorie gehört auch das „Steuerzahler-Argument“ („ich soll mit meinen Steuern bezahlen, dass einer nur faul rum sitzt?“). Leider zieht bei einer massiven Egokrise oft nicht das solidarische oder menschenrechtliche Argument, auch kein Finanzierungsmodell. Hier können wir zeigen, dass unser Gegenüber von einem Grundeinkommen selbst konkrete Vorteile und Chancen hat – „Du profitierst selbst am meisten.“
  2. Misstrauen äußert sich da, wo Menschen sich einigeln, in Deckung gehen und – wenn überhaupt – aus kompakter Defensive heraus agieren. Gleichungen mit Unbekannten sind für die übertrieben Ängstlichen zuviel des Guten. Sie halten sich lieber an feste Äquivalente. „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“. Wenn der Freund nicht angerufen hat, der eigentlich „dran war“, wird da auf keinen Fall mal nachgefragt. Man macht sich doch nicht lächerlich! Besser man verlässt sich auf die Quasi-Mathematik – die Bilanz muss stimmen (man rechnet, wo man rechnen kann). Mit einer Äquivalenz macht das Grundeinkommen radikal Schluss: „Lohn für Leistung“. Statt der Arbeits-Äquivalenz bieten wir den Gleichung-Liebhabern eine existenzielle an: Grundeinkommen – jeder Mensch ist so viel wert. Menschenwürde verlangt nach Existenzgeld. Grundeinkommen = Menschenrecht.
  3. Missachtung vermag anderen nicht die Entwicklungsfähigkeit zuzusprechen, die man für sich um so selbstverständlicher reklamiert. „Das sind die Leute, deren Kinder auf die Hauptschule gehören, wenn´s hoch kommt.“ „Es kann eben nicht jeder Professor werden.“ Solch banale Feststellungen zementieren ein Menschenbild, das sich vermeintlich auf Erfahrung stützt. Jeder kennt die Faulen und die Fleißigen. Insgeheim mag man selbst keine (weitere) Entwicklung, ruht sich gerne auf dem Erreichten aus – und verteidigt seinen Platz. Missachtung wurzelt weniger in „kleinbürgerlichen“ Kreisen (siehe 1.), sondern in einer Pseudo-Oberschicht, die soziale Unterschiede gern in Stein gemeißelt hätte. In dieser psychologischen Pole-Position befinden sich viele so genannte Entscheidungsträger, die einem eher zynischen Kulturverständnis anhängen. Gut gedeiht hier auch die „Brot und Spiele“-Idee.

Das Grundeinkommen räumt damit auf. Nicht weil wir für jeden möglichst viel „vom Kuchen“ wollen (das ist bloße Verteilungsphilosophie). Sondern weil wir jedem ein Optimum an Menschsein, an Entwicklung seiner eigenen individuellen Potenziale zugestehen. Wir sind nicht gegen Differenzen – aber gegen solche, die auf ungleichen Chancen beruhen. Ob ich mit eigenem Hauslehrer aufwachse oder ohne das Aidsmedikament nicht lange zu leben habe, hängt nicht von meiner Leistung ab. Das Grundeinkommen verstehen wir nur als ersten Schritt in Richtung einer Potenziale weckenden Gesellschaft. Unseren Möchtegern-Eliten raunen wir zu: „Gestehe anderen das Glück zu, das du selbst hattest“ (und schmeicheln ihnen damit mehr als genug).

Neben der Analyse klassischer Borniertheiten, von denen wir selbst kaum frei sind, sollten wir nicht versäumen, die Grundeinkommens-Position weiter auszubuchstabieren und offensiv in die gesellschaftlichen Debatten einzubringen. Da ist es hilfreich, Begriffe zu besetzen und Diskussionen von unserer Warte aus neu zu justieren.

In der Sozialpolitik blockiert uns da die defensiv anmutende Semantik eines „Mindestlohns“. Wir betteln ja nicht um mehr Geld vom Chef, sondern votieren selbstbewusst für ein Einkommen als Bürger – und entledigen uns der Beschränkung auf die Fabrikhalle oder den Büroschreibtisch. Das BGE ist kein verschämter Appendix der Debatte um den Mindestlohn („erst mal den Mindestlohn schaffen, dann auf der nächsten Etappe das Grundeinkommen“), sondern bietet Potential zur Sprengung der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Perspektive. Wenn schon, dann fordern wir den Mindest-Lohn für alle Bürger, nennen ihn aber richtig Bürger-Einkommen.

Auch zur unseligen Rentendiskussion können wir von der Warte des Grundeinkommens aus gut Stellung beziehen: Rente erst mit 67? Mitnichten. Wir fordern die komplette Abschaffung der Alters-Rente, einer Ruheprämie für die ältere Generation, die dreist auf das Abstellgleis der Gesellschaft geschickt wird. Stattdessen votieren wir für die Bürger-Rente – und Bürger sind wir lebenslang. Mit dem Grundeinkommen bauen wir an einer Gesellschaft, die Abstand nimmt vom ineinander verzahnten Eintrichtern, Abrackern und Abschieben. Das Bürgergeld ist da ein erster Schritt zur Emanzipation von künstlichen Lebensabschnittsphasen, biografischen Schubladen und mentalen Sargdeckeln.

Gegenüber linken Kreisen machen wir deutlich: das Grundeinkokmmen gibt jedem Einzelnen seinen Anteil an der erhöhten Produktivität. Damit hat jeder ganz konkret was in der Hand, statt auf den Besitz an Produktionsmitteln spekulieren zu müssen. Frei nach Hannes Wader: “…und warte nicht auf bessere Zeiten“. Mit dem Faustpfand Grundeinkommen kann jeder im hier und heute in eigener Regie starten – auch ohne die Partei, die immer Recht hat. Da, wo es ihm selbst gefällt.

Die Unternehmer sollten sich freuen, allerdings nicht zu früh. Klar haben sie es leichter mit dem Grundeinkommen. Die Arbeitskosten werden billiger, die Leute motivierter (allerdings auch: zu gehen). Doch Grundeinkommensbezieher nehmen keine übertriebene Rücksicht mehr. Existenzängste und die Fixierung auf bloßen Brotwerb sind dann endlich Geschichte. Wer nur auf Rendite aus ist, muss sich den (ökologischen und sozialen) Preis für die ganze Menschheit vorrechnen lassen. Mit dem Grundeinkommen wird jeder Bürger ökonomisch soverän – ein wirkungsvolles Instrument, um den Wirtschaftsbürger in die Schranken zu weisen. Dann lässt sich offensiv an einer nachprüfbaren Unternehmensethik und sozialen Unternehmensformen stricken.

Es wird Zeit, ein paar visionäre Bausteine für die Grundeinkommens-Gesellschaft zusammenzusuchen. Denn zu glauben, mit dem Bürgergeld – wie wir es wollen – bliebe alles beim Alten, ist naiv. In Zukunft steht das freie und soziale Individuum im Mittelpunkt, und nicht die statische Gesellschaft, in der Ruhe die erste Bürgerpflicht ist. Das Grundeinkommen erfüllt erst seinen Sinn, wenn es Signal für einen Aufbruch ist: in eine Welt, die Bildung und Soziale Marktwirtschaft für ebenso uneingelöst hält wie die Bürgergesellschaft oder den Kommunismus. Und darum: Stricken wir gemeinsam am Entwurf – und präsentieren wir im Wahljahr unser Gegenprogramm!

6 Kommentare

Mark Pätzold schrieb am 28.05.2008, 12:41 Uhr

Vielen Dank an Christoph Schlee für diesen präzisen und im besten Sinn aufklärerischen Beitrag!

Zur vertiefenden Ergänzung und besserem Verständnis der angesprochenen \"drei Punkte des Misstrauens\" lege ich jedem Interessierten Erich Fromms \"Die Pathologie der Normalität\" ans Herz, insbesondere die Kapitel zur Geschichte des Arbeitsbegriffes und die darauf folgenden Betrachtungen (heutige gesellschaftliche Auswirkungen).

Zum Punkt drei (jener kleinen obenstehenden Liste im Beitrag) möchte ich ergänzen, dass eine der Hauptstrebungen unserer Zeit und der jüngsten Vergangenheit das Erlangen von Sichherheit ist. (Man achte einmal aufmerksam auf Argumente aus Politik, Wirtschaft etc. in den Medien) Mit diesem Ringen um Sicherheit geht jedoch in der menschlichen Psyche etwas vor sich - nämlich die Abschneidung sowohl von den eigenen Gefühlen, wie auch die unbewußte Leugnung der Angst vor der Unbestimmheit der Zukunft. Fehlender Mut zu neuen Entscheidungen resultiert bei Personen, die sich in \"gesicherten Verhältnissen\" befinden (sozial, materiell etc ...) aus jener Angst vor der Unsicherheit. Jeder Mensch empfindet seine errungene Sicherheit als unbedingt schützenswert und ist selten bereit, die für eine bessere Zukunft aufzugeben. Die Angst ist zu groß. Doch gehört jene zu einem \"normalen\" Ausdruck des Lebens - aber wir leben in einer Gesellschaft, die Angst, Unsichereit und Anstrengungen wie Krankheiten behandelt, anstatt diese elementaren Züge des Mensch-Seins in energievolles Handeln zu verwandeln.

Ebenso möchte ich dem vorletzten Absatz hinzufügen, dass wir die Phase rationaler Zweckargumente schon lange hinter uns gelassen haben. Wir sprechen nicht mehr von \"Leistung für etwas\". Unser Leistungsbegriff ist zu einem Selbstläufer geworden, Leistung um der Leistung willen - zu einem Glaubenssystem, das exakt die gleichen Merkmale aufweist, wie es jede Relegion tut, in der Götzen angebetet werden. Nur die Sprache der Rationalisierungen (im psycholog. Sinn, nicht im wirtschaftl.) verschleiert diese Tatsache, lässt es so erscheinen, als würde unser Glaube an diese Maßstäbe reiner Vernuft und dem Zweck entspringen.

[Mehr dazu und zu anderen Themen in einigen bald erscheinenden Artiklen, hier auf der Webseite des Netzwerkes vorab zu lesen.]

Mark Pätzold

Gisela Brunken schrieb am 28.05.2008, 13:18 Uhr

Sehr gut! :)

(Ich würde das \"Gegen\" am Programm weglassen...)

Reinhard Börger schrieb am 28.05.2008, 13:35 Uhr

Stimmt. Ich finde, wir sollten zunächst das weit verbreitete Vorurteil ausräumen, das Grundeigentum sei eine Prämie für Faulheit. Das Gegenteil ist der Fall. Bei uns soll keiner verhungern, das soll durch Hartz IV verhindert werden. Wenn aber jemand wenig verdient und ihm der Mehrverdienst von seiner Unterstützung abgezogen wird, lohnt es sich für ihn nicht zu arbeiten. Wenn der Abzug erst bei einer Obergrenze stattfindet, tritt an dieser Grenze das gleiche Problem auf. Man kann das schlecht als Faulheit verurteilen, wenn sonst immer der homo oeconomicus gelobt wird. Ein Mindestlohn bietet zumindest keinen Anreiz zur Teilzeitarbeit, wenn dadurch nicht so viel verdient wird, wie an AlgII gezahlt wird. Wer aber das BGE bezieht und das darüber hinaus verdiente Geld behalten darf (evtl. abzüglich geringer Steuern), für den besteht eher ein Leistungsanreiz. Warum redet niemand über diesen Anreiz für Geringverdiener, während für Superreiche oft eine Begrenzung des Spitzensteuersatzes die Rede ist? Soll jemand, der bisher zehn Millionen Euro brutto im Jahr verdient hat, nun unbedingt elf Millionen vedienen?

Dieter Hornemann schrieb am 20.06.2008, 19:27 Uhr

Danke für den anregenden Beitrag. Ich würde gern noch einen Gesichtspunkt hinzufügen. Wir sind immer noch sehr stark geprägt von dem mittelalterlich-kirchlichen Menschenbild, nämlich daß der Mensch ein verdorbener Sünder ist und nur dann Hoffnung besteht, wenn er von außen in Schranken gewiesen wird. Diese Schranken sollen durch Autoritäten gewährleistet werden. Früher war es die Kirche, dann wurde es der Staat, und heute soll es der wirtschaftliche \"Lebenskampf\" sein. Es ist an der Zeit, vom Menschen groß zu denken, dann wird auch die Offenheit entstehen, daß ihm die Freiheit bis ins Finanzielle ermöglicht wird. Ich fand es bei den Diskussionsrunden immer besonders interessant, daß man schon am Gesichtsausdruck der Teilnehmenden erkennen konnte, ob sie dafür oder dagegen sein werden.

Viktor Panic schrieb am 26.06.2008, 10:37 Uhr

Das ist ein guter und wichtiger Beitrag!

Und den „kritischen“ Titel halte ich für ganz nützlich, das Interesse von Skeptikern zu erregen.

Auch den Kommentar von REINHARD BÖRGER möchte ich ausdrücklich unterstützen. Das BGE ist absolut keine Faulheitsprämie, denn die wirklich Faulen (die es meiner Meinung nach gar nicht gibt) werden davon nicht profitieren. Vielmehr ist es eine Arbeitsprämie, auch wenn wir dann immer gleich offensiv dazusagen sollten, dass es Sozialhasser gibt, die den heutigen Alg-II-Empfängern diese Chance nicht gönnen! Allerdings möchte ich kritisch anmerken, dass es nicht bloß einen „geringen“ Steuerabzug vom Hinzuverdienten geben wird! Der Steuersatz zur Finanzierung entspricht exakt dem Prozentsatz, der dem Verhältnis Grundeinkommen : Durchschnittseinkommen entspricht. Das gilt natürlich nur für Modelle ohne „Knick“ oder Krümmung. Hinzu kommen noch die restlichen Staatsausgaben. Daher werden wir wohl die Gesamt(grenz)belastung (Einkommen- plus Mehrwert-Steuer) zunächst nicht weit unter 50 Prozent drücken können, also einen Eink.steuersatz von mindestens 30 Prozent erhalten. Dass der Satz im unteren Bereich geringer als oben ausfällt, wird sich wohl nicht durchsetzen lassen! Da weise ich bloß mal auf das Althaus-Modell hin, wo er unten 50, oben 25 Prozent beträgt. Wir sollten dieses Modell ausdrücklich als mögliches Einstiegs-Modell unterstützen! Auch ich persönlich halte ein lineares Modell für ideal.

Für besonders EINDRUCKSVOLL in der Diskussion halte ich die grafische Darstellung der HEUTIGEN „Kaufkraft-Kurve“, das ist der mathematische Zusammenhang zwischen Einkommen und Kaufkraft. Gesehen habe ich sie noch nirgends, aber bei eurem Link „Ausgewählte Grundeinkommesmodelle im Zahlenvergleich“ ist eine Tabelle zu finden. Die zweite Spalte stellt die heutige Situation dar! Die erste Spalte braucht man natürlich auch, sie ist die (waagerechte) x-Koordinate, die zweite als y-Koordinate. Ich schildere das so ausführlich, damit auch mathematisch weniger Bewanderte sich das Bild machen können.

Wenn ich sage, ich habe die Kaufkraft-Kurve noch nirgends gesehen, dann gilt das nur für die heute gültige! Die Kaufkraft-Kurven verschiedener Grundeinkommens-Modelle hingegen habe ich schon mehrfach bewundern dürfen, sogar im „Sachverständigen“-Gutachten (zum Althaus-Modell) waren sie abgebildet. Wer bei der Vermittlung unserer Idee Erfolg haben will, braucht nur die HEUTIGE Kaufkraft-Kurve zu zeichnen (oder zu skizzieren) und zu erläutern:

„Links ist der Sozialhilfe-Bereich, rechts der Einkommensteuer-Bereich. Dieser Knick…“ Draufzeigen! “... ist an der Spaltung unserer Gesellschaft in Erwerbstätige und Erwerbslose schuld, ER zwingt die Menschen, sich zu entscheiden, ob sie GANZ oder GAR NICHT arbeiten wollen. Denn EIN BISSCHEN ARBEIT lohnt sich in unserer Gesellschaft einfach nicht! Und der technische Fortschritt, eigentlich ein Segen, wird dadurch zum Fluch! Und statt WENIGER ARBEIT FÜR ALLE lautet das Resultat KEINE ARBEIT FÜR IMMER MEHR!“

Und dann die (passende) gerade Linie reinziehen und sagen: „Das ist die Lösung des Problems. Das ist das Grundeinkommensmodell.“

Reinhard Börger schrieb am 30.06.2008, 10:41 Uhr

Was den \"geringen\" Steuersatz angeht: Man sollte nicht von den heutigen Sätzen ausgehen; das bGE ist eine so einschneidende Veränderung, dass danach die Steuersätze ohnehin neu festgelegt werden müssen. Ich finde, sie sollten nicht mit 15% beginnen, sondern von 0 an langsam ansteigen; ein gewisser Betrag könnte sogar ganz steuerfrei sein. Eine Krümmumg lässt sich nicht vermeiden, wenn der Satz nicht über 100% steigen soll. Möglicherweise können die Sätze so austariert werden, dass das gesamte Aufkommen an Einkommensteuer gerade das Grundeinkommen deckt; dies wurde bereits von dem Ökonomen Gerhard Maier-Rigaud angedacht. Andere Staatsaufgaben könnten dann aus indirekten Steuern bezahlt werden. Götz Werners Idee, die Einkommensteuer ganz abzuschaffen, unterstütze ich aus sozialen Gründen nicht, auch wenn sie wahrscheinlich funktionieren würde.

Die Sozialabgaben könnten deutlich gesenkt werden, da das BGE langfristig Renten- und Arbeitslosenversicherung ersetzen könnte. Die gesetzliche Arbeitslosenversicherung als Risikoversicherung könnte leicht abgeschafft werden; auch heute deckt sie schon das größte Risiko, nämlich die Dauerarbeitslosigkeit, nicht ab. Bei der Rentenversicherung ist das Umsteuern schwieriger, da die bis heute gezahlten Versicherungsbeträge gerechterweise auch in Zukunft Ansprüche begründen sollten; die formal einfachste Möglichkeit, alle Beiträge bei der Umstellung zurückzuzahlen, scheidet wohl aus fiskalischen Gründen aus. Wer mit dem BGE nach dem aktiven Arbeitsleben oder bei Arbeitslosigkeit nicht zufrieden ist, sollte sich freiwillig zusätzlich versichern können.

Das Gesundheitswesen ist ein anderer Punkt, aber es braucht nicht an das Arbeitseinkommen gekoppelt zu sein. Hier sind verschiedene Modelle denkbar, die aber mit dem BGE nicht direkt zu tun haben; auch darüber muss dann entschieden werden. Die größten Probleme sehe ich bei der Pflege; das bGE dürfte wohl kaum so hoch sein, dass seine Bezieher davon angemessen eine professionelle Pflege bezahlen könnten. Hierzu ist vielleicht eine Zwangsversicherung sinnvoll; sie verhindert, dass jemand sich zunächst um den eigenen Beitrag drückt, später aber als Pflegefall von der Allgemeinheit mitversorgt wird. Es könnte natürlich auch festgelegt werden, dass der Staat die Pflege für alle bezahlt; der Bedarf müsste dann natürlich bei der Planung des Haushalts, insbesondere der Steuern, beücksichtigt werden. Wenn man das so macht und auch das Gesundheitssystem anders organisiert, könnte man ganz auf Sozialabgaben verzichten.

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