Unaufgeregte Diskussion zum Grundeinkommen auch bei Gewerkschaften möglich
Anders als in den Funktionärskreisen einiger deutscher Gewerkschaften läuft beim Schweizerischen Verband des Personals Öffentlicher Dienste (vpod) und im gewerkschaftsnahen Schweizer Denknetz eine unaufgeregte Debatte zum Grundeinkommen.
So widmet sich das vpod-Magazin vom September 2012 ausführlich dem Thema Grundeinkommen. Während vpod-Präsidentin Katharina Prelicz-Huber ein Plädoyer für das Grundeinkommen hält (S. 12), wendet sich vpod-Zentralsekretär Christoph Schlatter in seinem Beitrag gegen das Grundeinkommen (S. 13). Schlatter kritisiert auch die derzeit laufende zweite (1) Volksinitiative für ein Grundeinkommen. (Eine Kritik kommt auch vom gewerkschaftsnahen Denknetz Schweiz.)
Während in ver.di jegliche Diskussion innerhalb dieser Gewerkschaft durch eine Beschlussvorlage vollkommen lahmgelegt werden sollte und die IG-Metall-Führung Ergebnisse einer gewerkschaftlichen Umfrage, die eindeutig für das Grundeinkommen sprechen, einfach unter den Tisch fallen lässt, scheuen der vpod und seine Gremien nicht die breite Diskussion des Für und Wider eines Grundeinkommens. Die positive Folge ist, dass sie zu einer sehr differenzierten Einschätzung des Grundeinkommens kommen. Natürlich werden auch „Grundeinkommens“ansätze kritisiert, die nach Meinung der Diskutierenden keineswegs das halten, was sie versprechen, sondern eher das Gegenteil bewirken würden (siehe dazu den Beitrag auf S. 15 der Septemberausgabe des vpod-Magazins und den Entwurf eines Positionspapiers). Man muss keineswegs allen Einschätzungen zustimmen. Allerdings muss man anerkennen, dass eine Debatte geführt wird, die das Grundeinkommen keineswegs von vornherein verteufelt, sondern im Gegenteil produktiv mit dem Thema umgeht und auch dazu führt, dass Eckpunkte für ein für eine Gewerkschaft akzeptables Grundeinkommenskonzept entworfen werden; siehe dazu den Beitrag Ein BGE muss die Freiheit aller stärken der Fachgruppe Sozialpolitik, Arbeit und Care-Ökonomie vom Denknetz vom September 2011. (2)
Das ist eine ganz andere Herangehensweise als sie z. B. DGB-Chef Michael Sommer in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt an den Tag legte, als er die Teile der LINKEN, die ein Grundeinkommen fordern, abkanzelte: „Mir ist auch nicht mehr klar, welchen Wert die Arbeit für die Linke noch hat. Relevante Teile der Partei fordern ein bedingungsloses Grundeinkommen. Diese Programmatik ist gesellschaftspolitisch verheerend.“ Natürlich konnte z. B. Katja Kipping, die sich in der LINKEN für ein Grundeinkommen engagiert, diesen unüberlegten und poltrigen Vorstoß des DGB-Chefs gut parieren: „Leider hat Michael Sommer auch noch nicht verstanden, dass das Grundeinkommen gerade Ausdruck der Wertschätzung der Arbeit ist – der unentgeltlich geleisteten Erziehungs- und Sorgearbeit, des sozialen und des bürgerschaftlichen Engagements und der Bildungsarbeit der Menschen. Schon heute werden doppelt so viele unbezahlte Arbeitsstunden wie bezahlte Arbeitsstunden geleistet. Wer also Arbeit wertschätzt – und ein DGB-Chef sollte das tun -, muss eigentlich für und nicht gegen das Grundeinkommen sein.“ Dennoch bleibt ein Unwohlsein angesichts der Art und Weise, wie sich hier ein führender Gewerkschaftsfunktionär in die interne Diskussion einer Partei einmischt und versucht, sie zu reglementieren. Um wie viel schwerer müssen es die Grundeinkommensbefürwortenden in der SPD haben? Ist doch diese Partei bekanntermaßen noch viel stärker mit der Gewerkschaftsführung verbunden als DIE LINKE.
(1) Die erste Volksinitiative für ein Grundeinkommen scheiterte im Jahr 2011. Auch im Jahr 2000 hatte sich bereits der Schweizerische Bundesrat mit dem existenzsichernden Grundeinkommen beschäftigt und dies abgelehnt.
(2) Das Denknetz hatte bereits im Oktober 2010 einen Infobrief zum Grundeinkommen veröffentlicht, der auch eine Übersicht über in der Schweiz diskutierte Grundeinkommensansätze und -modelle beinhaltet. Eine weitere Übersicht findet sich in dem Buch Die Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Beide Übersichten sind nicht identisch.