Bundesregierung frisiert Armutsbericht

Herbert Wilkens und Ronald Blaschke 28.11.2012 Druckversion

Die Süddeutsche Zeitung“ berichtet, dass der 4. Armuts- und Reichtumsbericht in einer geschönten Fassung veröffentlicht werden soll. Der Öffentlichkeit liegt nunmehr ein 2. Entwurf vor, der in wesentlichen Punkten vom 1. Entwurf abweicht.

Der 1. Entwurf, der vom Arbeitsministerium verfasst worden ist, hatte deutliche Hinweise auf die zunehmende Ungleichheit zwischen Reich und Arm enthalten. Das Netzwerk Grundeinkommen hat dazu kritisch Stellung genommen. Der aktuelle Bericht in der Süddeutschen Zeitung gibt nun eine erste ablehnende Stellungnahme von Gewerkschaftsseite am 2. Entwurf wieder.

Über diese Kritik hinaus ist bemerkenswert:

  1. Zu Reichtum und Armut stand im 1. Entwurf:
      „Die Bundesregierung prüft, ob und wie über die Progression in der Einkommensteuer hinaus privater Reichtum für die nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden kann“ (S. XLII). Dieser Satz ist im 2. Entwurf vollkommen gestrichen.
      Damit zusammenhängend: Der Titel „Reiche vermögen mehr“ ist weg – dafür heißt es jetzt: „Freiwilliges Engagement Vermögender unterstützen.“

    Hintergrund: Nicht nur aus dem Wirtschaftsministerium, sondern auch aus von der Leyens eigener Partei hagelte es Protest. Das sei „Linksrhetorik pur“, schimpfte Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter via „Bild-Zeitung“. Das „ganze Gegenteil von dem, was wir im Koalitionsvertrag beschlossen haben“, urteilte Unions-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs (siehe „Zeit-online“: „Merkel will kein zusätzliches Geld von den Reichen“).

  2. Auch wurden Ausführungen zum Zusammenhang „Staatsverschuldung, Finanzmarktkrise und Bankenrettung“ deutlich zusammengestrichen So stand in aller Deutlichkeit im 1. Entwurf:
      „Der steigende Wohlstand in Deutschland spiegelt sich in der gesamtwirtschaftlichen Vermögensentwicklung wider. Im Jahr 2010 belief sich das Volksvermögen auf knapp 12 Billionen Euro und war damit fünf Mal so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt mit rund 2,48 Billionen Euro. Im Zuge der notwendigen Rettungsmaßnahmen anlässlich der Finanz- und Wirtschaftskrise ist eine Verschiebung privater Forderungen und Verbindlichkeiten in staatliche Bilanzen feststellbar. In der Folge ist der Schuldenstand der staatlichen Haushalte im Jahr 2010 auf rund 83 Prozent des Bruttoinlandprodukts gestiegen. Ohne die Krise hätte er bei rund 70 Prozent gelegen. Während es richtig war, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Krise abzumildern, kommt es zukünftig darauf an, in besseren Zeiten einen Pfad der Konsolidierung einzuschlagen. Diesen Weg geht die Bundesregierung mit Entschlossenheit und setzt die verfassungsrechtliche Schuldenbremse mit Nachdruck um. Allerdings wird sie strategisch auch im Rahmen ihrer Steuerpolitik weiterhin prüfen, wie die nachhaltige Finanzierungsbasis des Staates und damit auch die gestalterischen Spielräume zu sichern sind. Hier entscheidet sich auch, welche Rolle das Vermögen finanzpolitisch für die Finanzierung der Staatsaufgaben spielen kann. Eine solide Regulierung der Finanzmärkte stellt sicher, dass zukünftig der krisenhaften Vernichtung volkswirtschaftlichen Vermögens vorgebeugt wird, die letztlich wesentliche Ursache für die Belastung der staatlichen Haushalte war.“ (Vgl. S. XXXIX)

    Jetzt heißt es nur noch:

      „Das Nettovermögen des deutschen Staates ist im Berichtszeitraum nach Berechnungen von Statistischem Bundesamt und Deutscher Bundesbank von 186,4 Mrd. Euro 2007 auf rund 11,5 Mrd. Euro 2011 zurückgegangen. Dazu haben die Maßnahmen zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der europäischen Schuldenkrise beigetragen. Im Zuge der notwendigen Maßnahmen kam es zu einem erneuten Anstieg des Schuldenstandes der staatlichen Haushalte im Jahr 2011 auf rund 80,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Ohne die Maßnahmen zur Krisenbewältigung hätte er 2011 bei 68,4 Prozent gelegen.“ (S. XLIII)

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