Zustimmung zum Grundeinkommen: Wie groß ist sie tatsächlich?

Franziska Leopold 29.01.2022 Druckversion

Die öffentliche Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen scheint deutschlandweit stark angestiegen zu sein. Die zahlreichen Zeitungs-, Podcast- oder Fernsehberichte und erhöhten Google-Suchanfragen belegen dies. Sicherlich wurde dies durch die Covid-19-Pandemie befeuert. Die unermüdliche Arbeit des Netzwerks Grundeinkommen und auch die zivilgesellschaftlich finanzierten Verlosungen des Vereins mein grundeinkommen haben einen gehörigen Anteil am Aufmerksamkeitsschub. Dem Verein gelang es, eine erste deutschlandweite Pilotstudie in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) zu initiieren. Doch ist die öffentliche Unterstützung für das Grundeinkommen tatsächlich so hoch, wie die erhöhte mediale Aufmerksamkeit vermuten lässt?

Der hier erstmals veröffentlichte Überblick über englischsprachige wissenschaftliche Meinungsstudien zum Grundeinkommen (PDF-Dokument) gibt Antworten auf verschiedene Fragen:

Bestehen europaweit länderspezifische Unterschiede bei der Unterstützung des Grundeinkommens? (nachzulesen im Überblick unter anderem bei Lee, 2018, 2021; Parolin & Siöland, 2020; Roosma & van Oorschot, 2020)

Lassen sich soziodemographische Unterstützergruppen klassifizieren? (siehe bspw. Dermont & Weisstanner, 2020; Jordan et al., 2020; Yang et al., 2020)

Inwiefern beeinflussen die politische Einstellung (z. B. Schwander & Vlandas, 2020) oder andere individuelle Charaktermerkmale der Befragten die Zustimmung zum Grundeinkommen? (thematisiert bei Choi, 2021, Vlandas, 2021)

Variiert die Unterstützung je nach Ausgestaltungsform des Grundeinkommens? (siehe Chrisp et al., 2020; Stadelmann-Steffen & Dermont, 2020)

Inwieweit beeinflussen gemachte Erfahrungen in Pilotprojekten die öffentliche Meinung zum Grundeinkommen? (Linnanvirta et al., 2019; Simanaien & Kangas, 2020)

Diese und weitere Fragen werden in diesem individuell zusammengestellten, schwerpunktartig gemischten Literaturüberblick beantwortet. Die Antworten stammen aus aktuellen wissenschaftlichen englischsprachigen Studien zum Grundeinkommen.

Vorneweg ist zu sagen, dass das Studiendesign der Meinungsstudien entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse hat. Ein Großteil der vorgestellten Studien basiert zwar auf den Daten der Europäischen Sozialerhebung 2016, deren Grundeinkommens-Definition auf die spezifischen Ausgestaltungsformen des Grundeinkommens nicht näher eingeht. Es wird aber deutlich, dass eine insgesamt überwiegend positive Bewertung schnell abnimmt, sobald die politische Reform näher beschrieben wird und Folgen, wie z. B. steigende Steuern oder der Wegfall bestehender Sozialleistungen, benannt werden. Das derzeitige Niveau der Sozialleistungen – der sogenannte Status quo – ist bei europaweit unterschiedlichen Zustimmungsraten besonders ausschlaggebend: Während in Ländern mit niedrigen Sozialleistungen die Zustimmung hoch ist, nimmt diese im europaweiten Vergleich mit steigendem Budget des Wohlfahrtsstaates ab. Dies fällt insbesondere in den skandinavischen Ländern (außer Finnland) auf, obwohl ihr vergleichsweise universalistisch ausgerichteter Sozialstaat eine dem Grundeinkommen recht nahe kommende Ausrichtung aufweist. Es scheint die Meinung über das Grundeinkommen als relativ „neue Reform“, trotz der großen öffentlichen Aufmerksamkeit, noch nicht gefestigt zu sein. Insbesondere in Deutschland besteht, was die Erforschung der öffentlichen Einstellung anbelangt, noch Luft nach oben.

Zur Autorin: Franziska Leopold (M.Sc.) arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am FRIBIS – Freiburg Institute of Basic Income Studies – und hat sich im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit in der MUBINGO-Gruppe (Managment of basic income NGOs) mit den unterschiedlichen Meinungsstudien des Grundeinkommens beschäftigt.

Bild: pixabay

2 Kommentare

Hans-Jürgen 'Gratz schrieb am 02.02.2022, 11:04 Uhr

Wir beschäftigen uns in einer kleinen Arbeitsgruppe seit einigen Jahren mit dem Grundeinkommen und können die von Frau Leopold herausgefundenen Ergebnisse bestätigen. In Deutschland wird besonders deutlich, dass die grundsätzliche Befürwortung in dem Masse abnimmt, in dem man persönlich finanzielle Einbußen erwartet. Dieser Eindruck sollte nicht entstehen. Daher befürworten wir als Beispiel das sogenannte Carls-Modell, das zudem den Vorteil hat, dass es auch in Teilen und versuchsweise eingeführt werden kann. Es ist u.a. auf meiner Webseite \'geldmachtgier\' unter dem Thema BGE zu finden.

Joachim Winters schrieb am 06.02.2022, 12:16 Uhr

https://blog.freiheitstattvollbeschaeftigung.de/2022/02/04/zustimmung-zum-grundeinkommen-wie-gross-ist-sie-tatsaechlich/

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