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Exportschlager Alaska Permanent Fund?

Vom 25. bis zum 27. Februar 2011 fand in New York die zehnte North American Basic Income Guarantee Conference [1] statt. Die Konferenz stand unter dem Thema „Modelle sozialen Wandels“. Sie bot neben einer Podiumsdiskussion über „Blicke von links und rechts auf das Grundeinkommen“ zwischen Stanley Aronowitz (City University of New York) und Charles Murray (American Enterprise Institute) Diskussionen zu Finanzierungsfragen und zur Implementierung unterschiedlich ausgestalteter Grundeinkommensmodelle. Auch die unterschiedlichen internationalen Grundeinkommensdebatten hatten ihren Platz. Hauptredner der Konferenz waren u.a. Senator Art Eggleton (Kanada), Senator Eduardo Suplicy (Brasilien), Alfredo L. de Romana (Sorbonne) und Ovide Mercredi (Häuptling der Misipawistik Cree Nation).

Wieder einmal spielte der Alaska Permanent Fund eine große Rolle. Viele Beiträge drehten sich um die Frage, ob und wie das Modell einer Rohstoffdividende auch jenseits Alaskas funktionieren kann. Seit 1976 gibt es diesen Staatsfonds in Alaska, seitdem fließen mindestens 25% der staatlichen Rohstoffeinnahmen in den Fonds. Die Hälfte des jährlichen Gewinnes wird seit 1982 über eine Dividende (PFD) direkt an die BewohnerInnen Alaskas ausgeschüttet. Die andere Hälfte subventioniert den Staatshaushalt. Alaska hat eine der niedrigsten individuellen Steuer- und Abgabenbelastungen in den Vereinigten Staaten und ist einer von nur fünf Staaten ohne gesetzliche Mehrwertsteuer. Bis 2002 war Alaska einer von sieben Staaten, die keine individuelle Einkommensteuer erhoben. Auch wenn diese mittlerweile wieder erhoben wird, ist sie mit max. 2,19 Prozent extrem gering. Alaska hat eine der niedrigsten Armutsquoten in den USA und ist der US-Bundesstaat mit der geringsten sozialen Ungleichheit. Es wundert nicht, dass der Fund im Land beliebt ist, 1998 stimmten 85% der EinwohnerInnen Alaskas für seine Beibehaltung.

Die Geschichte des APF sei eine Erfolgsgeschichte, die durchaus exportierbar sei, so Karl Widerquist, der als Newsletter-Editor für USBIG die Entwicklung der Alaska Dividende in den letzten zehn Jahren intensiv verfolgt hat und im Frühjahr 2012 zusammen mit Michael Howard ein Buch über die mögliche Übertragung des Alaska-Modells auf andere Länder herausgibt. Die jahrelange Beschäftigung mit dem APF habe ihn zu mehrerlei Erkenntnissen geführt. Die erste und einfachste Lektion sei, dass Ressourcen-Dividenden beliebt seien, sobald sie in Kraft treten. Die zweite und wichtigere sei, dass das Alaska-Modell exportiert werden kann, weil ein Land nicht reich sein müsse, um Rohstoffdividenden einzuführen. Auch wenn das Öl aus dem armen Staat Alaska einen reicheren Staat gemacht hat, sei er weit davon entfernt, der reichste Bundesstaat zu sein, sondern liege mit einem Pro-Kopf-BIP von 42.000 US-Dollar nur 2.500 US-Dollar über dem nationalen Durchschnitt. Auch nutze Alaska nur einen winzigen Bruchteil seines Ressourcenreichtums, um die Dividende zu finanzieren. Viele weitere natürliche Ressourcen wie Forstwirtschaft, Fischerei, Gold, Land würden nicht zur Finanzierung herangezogen. Die Steuern auf Ölbohrungen in Alaska seien im internationalen Vergleich niedrig, und nur ein Viertel der Steuern auf Alaskas Öl fließe in den Fonds, aus dem die Dividende gezahlt wird. Wie viel könnte dies sein, wenn diese Parameter nach oben verschoben würden? Ließe der Bundesstaat seine Ertragsteuer auf dem derzeitigen Niveau und zahlte den kompletten Ertrag der Mineralölsteuer in den Fonds, wäre der PFD um ein Vielfaches höher als die letztjährige Auszahlung. Drittens, so Widerquist, verfüge jedes Bundesland, jede Region, jedes Land der Welt über Ressourcen. Selbst Länder wie Hongkong und Singapur, wo der komplette Grund und Boden dafür genutzt wird, Millionen von Menschen auf kleinstem Raum Platz zu bieten, und wo fast alle Konsumgüter importiert werden müssen, hätten Ressourcen. Keine Bodenschätze, aber wertvolle Immobilien. Eine Grund- und Bodensteuer kann Widerquists Ansicht nach größere Dividenden hervorbringen als der Alaska Permanent Fund.

Entscheidend ist für Widerquist die Tatsache, dass Alaska eine sich bietende Gelegenheit genutzt hat. Nicht weil die Bodenschätze so zahlreich sind konnte die Dividende Alaska zu einem reicheren Bundesstaat machen, sondern weil die Gelegenheit genutzt wurde. Dies sei die dritte Lehre: nach Möglichkeiten suchen. Auch hier sei die Alaska-Erfahrung kein Sonderfall. Gemeinsame Ressourcen, Commons, werden ständig auf dem ganzen Planeten privatisiert, hier könne sich aber jedes Mal aufs Neue eine Gelegenheit für die Gemeinschaft bieten, Kontrolle über ihre Ressourcen zu behalten. Es müssten ja nicht zwingend Bodenschätze sein. Viele andere Möglichkeiten seien weniger offensichtlich, wie z.B. Mobilfunkfrequenzen oder die Besteuerung des CO²-Austoßes.

Ob nun die Frage nach der CO²-Besteuerung in den USA, die Frage, inwieweit Ressourcenbesteuerung zur Finanzierung eines Grundeinkommens in Kanada herangezogen werden kann, oder ob die Einrichtung einer weltweiten Ressourcen-Agentur die Finanzierung eines globalen Grundeinkommens sichern könne: Es bestand Einigkeit bei allen Diskussionsteilnehmern, dass das Modell des Alaska Permanent Fund auf andere Länder und Regionen übertragbar sei, wie es die Mongolei und Iran derzeit vormachen.

Die an die BewohnerInnen Alaskas ausgeschüttete Dividende ist jedoch weit davon entfernt, ein Grundeinkommen in Existenz sichernder Höhe zu sein. Ihre Höhe schwankte in den letzten Jahren zwischen 845 und 2.069 US-Dollar pro Jahr, abhängig von der Entwicklung des Ölpreises. 2010 lag sie bei 1.281 US-Dollar, das sind auf den Monat gerechnet etwas über 100 US-Dollar. Eine kritische Darstellung des Alaska Permanent Fund findet sich in Blaschke, Ronald (Hrsg.); Otto, Adeline (Hrsg.); Schepers, Norbert (Hrsg.): Grundeinkommen: Geschichte – Modelle – Debatten [2]. Berlin, 2010, S. 158 ff.

Zur Geschichte der Konferenz: 2002 als US Basic Income Guarantee Network Conference vom US-amerikanischen Netzwerk ins Leben gerufen, kamen die Netzwerke aus Kanada und den USA im vergangenen Jahr überein, die Konferenz gemeinsam zu veranstalten und abwechselnd jeweils in den USA und Kanada stattfinden zu lassen. So fand die NABIG-Conference 2010 erstmals in Montreal, Kanada statt. Dieses Jahr also wieder die USA, und so wurde die Konferenz wie schon vor zwei Jahren im Rahmen der Jahrestagung von der Eastern Economic Association (EEA) abgehalten, die auch die komplette Kongressorganisation übernahm.

Im Rahmen der Konferenz fand zudem das diesjährige Treffen des BIEN Excecutive Committees statt, in dessen Zentrum hauptsächlich der BIEN-Kongress 2012 in München stand. Finanzierung, Kongressverlauf und HauptrednerInnen wurden ebenso diskutiert wie mögliche Unterstützungsformen für Einkommensschwache und ein baldiges Vorbereitungstreffen des BIEN-Vorstands mit den Verantwortlichen des Netzwerks Grundeinkommen.