Peinlicher Fehler in einem Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen

Herbert Wilkens 29.06.2008 Druckversion

Mit dem Ziel, die Rechte der Arbeitssuchenden zu stärken sowie die „Balance zwischen Fördern und Fordern“ zu verbessern, hat ein Antrag der Grünen Bundestagsfraktion konkrete Forderungen gestellt. Dabei geht es auch um die Sanktionen, die gegen ALG-II-Empfänger verhängt werden können. In der Begründung des Antrags wird festgestellt: „Der Grundbedarf, der für eine Teilhabe an der Gesellschaft notwendig ist, muss jederzeit gewährleistet sein und darf nicht durch Sanktionen angetastet werden.“ Mit der Umsetzung hapert es aber. Dort wird (unter Punkt 4) die Bundesregierung aufgefordert, „die jetzt geltenden Sanktionsregeln zu ändern und das physische Existenzminimum in Zukunft nicht durch Sanktionen anzutasten.“ (Hervorhebung HW)

Im Umkehrschluss hieße das, die Grünen wollten es hinnehmen, dass ALG-II-Empfänger doch von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen werden dürfen. Haben sich hier die Rechten in der Fraktion klammheimlich durchgesetzt?

An der Basis der Grünen regt sich bereits Widerspruch. Unter anderen das Grüne Netzwerk Grundeinkommen mit Robert Zion (Gelsenkirchen), Jörg Rupp (Karlsruhe), Werner Hager (Aachen), Matthias Schneider (Duisburg) sowie die Landes-Arbeitsgemeinschaft Soziales Niedersachsen fordern eine Revision des Antrags.

2 Kommentare

Reinhard Börger schrieb am 30.06.2008, 09:19 Uhr

Das sehe ich nicht so; ich verstehe den Antrag nicht als Verbesserungsvorschlag, sondern als Protest gegen weitere Verschlechterungen. Ich halte, wie wohl alle auf dieser Liste, das Grundeinkommen für einen besseren Weg als Korrekturen an Hartz IV. Wenn auch noch gewisse kulturelle Bedürfnisse durch das BGE abgedeckt werden könnten, erschiene mir das auch besser, aber auch ein Grundeinkommen in der Höhe des Existenzminimums wäre auch schon ein Fortschritt, auf den man aufbauen könnte. Aber ein Antrag ist auch ein Kompromiss, und dass es nicht hingenommen werden kann, wenn das physische Existenzminimum durch AlgII-Kürzungen angetastet wird, dürfte Konsens unter allen Grünen sein, egal ob sie für ein Grundeinkommen sind oder nicht. Und wenn ein solcher Antrag von der Grünen Fraktion geschlossen unterstützt wird und vielleicht auch noch Stimmen aus anderen Fraktionen bekommt, ist mir das lieber, als ein Antrag auf ein Grundeinkommen, der nur die Stimmen einiger Grüner (und möglicherweise auch noch weniger anderer) bekäme. Gerade in der Politik ist ein großer Konsens, der von einigen auch Kompromisse fordert, doch besser als Maximalforderungen.

Viktor Panic schrieb am 30.06.2008, 12:28 Uhr

Es wäre aufschlussreich zu erfahren, wie hoch heute denn das eine ist und wie hoch das andere?

Ich bin fest davon überzeugt, dass ein BGE-Modell, welches heutige Empfänger sogar dann besserstellt, wenn sie nach Einführung des BGE trotz verbesserten Selbstbehalts keine Beschäftigung aufnehmen, auf lange Sicht nicht politisch durchsetzbar ist!

Im Übrigen:

Das Modell der Grünen, wie es (auf dieser Website!) der Tabelle unter dem Beitrag \"Ausgewählte Grundeinkommensmodelle im Zahlenvergleich\" (ebenfalls von Herbert Wilkens veröffentlicht) zu entnehmen ist, muss ich leider als ausgesprochen verunglückt bezeichnen!

Zwar handelt es sich um ein prinzipiell lineares Modell, wie auch ich es befürworte!

Jedoch ist erstens das Grundeinkommen so hoch, dass viele heute Geknechtete sich erleichtert von der Arbeit abwenden würden! Anfangs zumindest.

Doch zweitens ist die Regelung der Unterkunftskosten derart unglücklich gestaltet, dass der Selbstbehalt für die ersten 1000 Euro nur magere 14 Prozent beträgt und somit sogar die heutige unglückselige Situation um ein Drittel unterbietet! Vom wegfallenden Zuverdienst-Freibetrag ganz zu schweigen.

Fazit: Die Wohnkosten sollten unbedingt in das Grundeinkommen integriert sein!

Ob Wohnort-abhängig oder pauschal, das ist eine andere Frage. Ich befürworte letzteres, ganz im Sinne der Selbstbestimmung.

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