Indien: Erfolg mit Pilotprojekten für Sozialtransfers

Herbert Wilkens 29.11.2012 Druckversion

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Ein Video in englischer Sprache (12 Minuten) zu den Social-Cash-Transfer-Projekten in Indien ist erschienen. Da die soziale Sicherung dort absolut unzureichend ist, wurde in Madhya Pradesh (Zentralindien) zunächst in acht, jetzt 22 Dörfern, in denen besonders schlimme Armut herrscht, ein regelmäßiger Geldtransfer bereitgestellt.

Ohne Bedingungen wird in den ausgewählten Dörfern an jede Bürgerin und jeden Bürger ab 18 Jahre ein Monatsbetrag von 200 Rupien ausgezahlt; für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren erhalten die Frauen 100 Rupien. 200 Rupien entsprechen bei Umrechnung mit Kaufkraftparitäten (Methode Weltbank-Atlas) etwa 10 Euro. Es handelt sich also um ein partielles (nicht existenz- und teilhabesicherndes) Grundeinkommen. Die Verwendung steht den Menschen frei.

Die indischen Ergebnisse haben Erfahrungen bestätigt, die auch in Namibia bei dem Pilotprojekt in dem Dorf Otjivero gemacht wurden. Als wichtige Erfolge werden in dem indischen Video hervorgehoben:

  • Bessere Ernährungslage,
  • bessere Gesundheitsversorgung,
  • höhere Schulbesuchsrate,
  • mehr lokale Infrastrukturinvestitionen (Wasserversorgung, Straßeninstandhaltung, bessere Wohnsituation) und
  • gesteigerte Aktivität von Kleinunternehmen.

Von Anfang an wurden diese Projekte systematisch und wissenschaftlich evaluiert. Diese Erfolgskontrolle erlaubt es, Schlüsse aus den Pilotprojekten zu ziehen und daraus für andere Projekte, auch in anderen Ländern zu lernen. Für die Finanzierung aus nationalen Quellen und internationaler Entwicklungshilfe stehen überzeugende Argumente zur Verfügung.

Diese Pilotprojekte wurden von Frauenorganisationen organisiert und durchgeführt, die in der Gewerkschaft SEWA (Self Employed Women’s Association) zusammengeschlossen sind. SEWA ist eine große Organisation mit insgesamt 1,3 Millionen Mitgliedern. UNICEF wurde als Partner gewonnen. Schon auf der BIEN-Konferenz im September 2012 bei München haben
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Renana Jabhvala,
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Guy Standing und
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Shika Joshi über diese Projekte berichtet; siehe die Video-Dokumentation mit deutscher Simultanübersetzung (1:27 Stunden).

3 Kommentare

AgneS schrieb am 04.12.2012, 12:35 Uhr

Schön finde ich hier den deutlichen Hinweis darauf, dass es sich um ein _partielles_ GE handelt. Einen Rückschluss auf die Wirkung eines vollen BGE (Existenz und Teilhabe sichernd) lässt das ja genau nicht zu, weil die Notwendigkeit, sich weiterhin mittels Arbeitsangebot um weiteres Einkommen zu bemühen, erhalten bleibt. Auch die für alle absehbare zeitliche Befristung dieser Modellprojekte hat großen Einfluss auf den Umgang mit dem Einkommen, denn die Zukunftsvorsorge (Infrastruktur, Bildung, ...) hat so mehr Bedeutung gegenüber dem bloßen Konsum und dauerhafter Leistungsverweigerung, wie sie erst bei dauerhaftem und vollem BGE zu erwarten ist.

Wenn Pilotprojekte wie dieses beweisen sollten, dass ein Grundeinkommen eine eindeutig positive Wirkung hätte, dann bedürfte es dazu eines weiteren Aspektes.

Bisher ist die Ähnlichkeit der Projekte mit BGE höchstens auf der Ausgabenseite zu behaupten. Man stelle sich mal ein örtlich begrenztes BGE auf der Einnahmeseite vor! Wie sehen wohl die \"positiven\" Wirkungen bei einer annähernden Halbierung der Nettolöhne und der Nettorenditen da aus? Investitionen und Arbeitsangebote würden sich sofort in den grundeinkommensfreien Gürtel verlagern.

Volkmar schrieb am 29.06.2016, 11:38 Uhr

Von Frau Renana Jabhvala gibt es noch einen weiteren simultan übersetzten Videomitschnitt vom Bienkongress in München: https://youtu.be/uiAApRGpw0s

Hanteren schrieb am 16.07.2023, 20:44 Uhr

unerhebliche Anmerkungen zu AgneS:

- wenn bereits solche Projekte diese positiven Effekte haben, was könnten echte bedingungslose Grundeinkommen dann erst bewirken?

- Die Behauptung von \"dem bloßen Konsum und dauerhafter Leistungsverweigerung\" entspringt nicht nur einer grundsätzlichen Verwechslung von \"Leistung\" mit ausschließlicher (Erwerbs!!!-)-Arbeit. Falls Sie wirklich eine Frau sind, sollten Sie umso besser verstehen, dass wesentlich mehr von dem, was jeden Tag geleistet wird, unentgeltlich oder ehrenamtlich geschieht, was nicht weniger wichtig und bedeutend für die Gemeinschaft ist, sondern im Gegenteil, umfänglich sogar größer ist, als der Anteil von Erwerbsarbeit am Gesamtumfang gesellschaftlich geleisteter Arbeit.

- Ich bitte um Vergebung, aber ich kann mir den Seitenhieb nicht verkneifen, geht es dort eben nicht und erst recht selbst derzeit immer noch nicht darum, sich vom Zwang zu Erwerbsarbeit zu befreien. Das ist ein Gedankengang der aus unserer privilegierten Sicht eher als überheblich gegenüber den Ländern zu bezeichnen deren Ausbeutung für unseren Wohlstand seit Jahrhunderten - und leider immer noch - andauert. Und selbst wenn der Zwang zu Erwerbsarbeit wegfällt, bedeutet das eben nicht, dass Erwerbsarbeit komplett verschwindet. Sie wird nur weniger, anders (z.B. ressourcenschonender und ökologischer) und anders organisiert werden. Müssen, wenn das Paradigma unendlichen quantitativen Wachstums endlich mal vom Tisch kommt.

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