Grundeinkommen und Umverteilung

Reimund Acker und Herbert Wilkens 30.01.2011 Druckversion

Ein großer Teil der Kosten für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle ist durch Umschichtung der jetzigen Sozialbudgets aufzufangen. Aber es bleibt ein Rest, der zusätzlich finanziert werden muss, denn die jetzige Grundsicherung deckt ja nicht voll die Kosten für die blanke Existenz und eine Mindestteilhabe am Leben der Gemeinschaft, und auch die bisher „verdeckt Armen“ werden durch ein Grundeinkommen versorgt. Wie können diese zusätzlichen Kosten finanziert werden?

Für viele Grundeinkommensbefürworter ist die Einführung des Grundeinkommens nur denkbar über eine massive Umverteilung von Einkommen und Vermögen. Reiche können und sollen bei der Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben eine deutlich höhere Last übernehmen als bisher. So denken auch viele der Reichen in unserem Land selber. Einer von ihnen, Dieter Lehmkuhl, Arzt und Mitinitiator der „Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe“, hat in einem Gastbeitrag im Berliner „Tagesspiegel“ die Argumente auf den Punkt gebracht.

Diese Überlegungen passen zu den Ergebnissen einer Studie von Richard Wilkinson und Kate Pickett aus dem Jahr 2009 („Gleichheit ist Glück: Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind“). Eine umfangreiche Rezension von Robert Misik fasst zusammen: „Anhand von über zweihundert Datensätzen aus mehreren Dutzend Nationen haben sie nahezu jeden Lebensqualitätsparameter verglichen und ins Verhältnis zum Grad der materiellen Ungleichheit gesetzt. Das Ergebnis ist eindeutig: Welchen Parameter man auch unter die Lupe nimmt, sei es Lebenserwartung, Kindersterblichkeit, den Gesundheitszustand der Bürger, die Zahl der Teenagerschwangerschaften, Alkoholismus, das allgemeine Bildungsniveau oder sanfte Faktoren wie die subjektive Lebenszufriedenheit oder das Niveau wechselseitigen Vertrauens der Bürger zueinander – praktisch in jeder Hinsicht schneiden egalitäre Gesellschaften besser ab als weniger egalitäre. Und vielleicht noch wichtiger: Nicht nur den Unterprivilegierten auf den unteren Sprossen der sozialen Leiter geht es besser – auch die auf den oberen Sprossen leben in egalitären Gesellschaften besser als ihre „Kollegen“ in ungleicheren Gesellschaften.“

Das gegenseitige Vertrauen der Menschen wird seit vielen Jahren über den Grad der Zustimmung zu der standardisierten Aussage „Man kann den meisten Menschen vertrauen“ gemessen. Ihr stimmen umso mehr Menschen zu, je weniger soziale Ungleichheit in ihrer Gesellschaft herrscht. Auf die Frage des Grundeinkommens angewendet: Das Vertrauen, dass Menschen sich in der Regel nicht als „Sozialschmarotzer“ verhalten, sobald sie ein Grundeinkommen beziehen, wird durch Umverteilung von Reich zu Arm gestärkt. Eine gleichmäßigere Einkommensverteilung und das durch sie gestärkte Vertrauen in die Mitmenschen erscheint daher zugleich als Voraussetzung und Ergebnis der Einführung des Grundeinkommens.

2 Kommentare

Michal Hübner schrieb am 27.03.2011, 21:14 Uhr

Es gibt Berechnungen eines evangelischen Geistlichen, der unter dem Titel \"Spurensuche Reichtum\" das Ergebnis einer über zwei Jahre andauernden Recherche zum Thema \"wo ist das Geld in Deutschland\" in Buchform veröffentlicht hat. Ergebnis war, ohne die Zahlen aus dem Kopf genau zitieren zu können, dass ca. 20 % der Erträge des reinen Kapitalvermögens der Deutschen (im Rest der Welt sieht es annahmegemäß vergleichbar aus) reichen, um den Sozialhaushalt komplett zu finanzieren. Geld, das nur durch den Besitz von Geld \"verdient\" wird.

Es ist gut, dass sich einige Reiche dieser Verantwortung bewusst werden. Die anderen brauchen länger, werden aber auch verstehen, dass es kein glückliches Leben in einer Gated Community geben kann, ausserhalb deren Mauer Menschen in ständiger Sorge und Angst leben müssen.

Es geht gut, wenn es allen gut geht. Der Weg dahin ist lang, aber er ist der einzige, der funktioniert.

Viktor Panic schrieb am 12.04.2011, 02:01 Uhr

Ein hervorragender Beitrag, doch dem Eindruck, dass es insgesamt MEHR Umverteilung gäbe, muss ich widersprechen:

Es stimmt zwar, dass die Spitzenverdiener MEHR abgeben müssten als heute, wenn das Grundeinkommen mindestens so hoch wie heute der Hartz-IV-Satz wäre, bei höherem Grundeinkommen natürlich erst recht.

Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass viele Millionen Bürger mit mittleren Einkommen erheblich WENIGER Steuern als heute zahlen müssten, wenn das Grundeinkommen als Steuerabzug realisiert wäre!

Das Gesamtvolumen der Umverteilung muss daher nach Einführung des BGE keineswegs steigen, es dürfte etwa gleichbleiben, könnte vielleicht sogar sinken.

Und wenn einige Sozialversicherungspflichten abgeschafft würden, beispielsweise die Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosigkeit würde durch das Grundeinkommen abgefedert, vielleicht würden \"betriebsbedingte\" Kündigungen sogar abgeschafft), würde die \"Staatsquote\" sogar definitiv sinken!

Besonders möchte ich hier noch erwähnen, dass das BGE Erwerbslosen erheblich bessere Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt liefern würde, insbesondere gegenüber Neu-Einwanderern ohne BGE-Anspruch.

Es würde dadurch zu einer gleichmäßigeren Verteilung von Arbeit und somit zu einer gleichmäßigeren Verteilung von Arbeits-Einkommen in der Gesellschaft führen.

Und je geringer diese (\"Brutto\"-)Einkommensunterschiede, um so niedriger fällt automatisch das Umverteilungvolumen aus.

Zur Veranschaulichung dieses Effekts betrachte man das Extrem-Beispiel:

Wären alle Erwerbseinkommen im Lande gleich, so gäbe es weder Netto-Zahler noch -Empfänger, es fände also gar keine Umverteilung mehr statt.

Einen Kommentar schreiben

Erforderliche Felder sind mit * markiert.
Bitte beachten Sie die Regeln für die Veröffentlichung von Kommentaren.