Voreingenommenheit im Gewande der Wissenschaft

Manuel Franzmann 30.05.2008 Druckversion


Zur „Würdigung“ des Grundeinkommensvorschlags im aktuellen Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium für Finanzen

Im Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium für Finanzen zum Thema „Existenzsicherung und Erwerbsanreiz“ vom Mai 2008 gehen die Autoren auch auf den Vorschlag der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ein. Statt diesen Reformansatz jedoch unvoreingenommen zu würdigen, bemessen sie ihn einfach nach ihren eigenen Kriterien, die sie von außen anlegen, sodass das negative Urteil am Ende faktisch vorprogrammiert ist. Sie assimilieren den Vorschlag unumwunden an das konventionelle Denken in Begriffen von Bedürftigkeit und Hilfe, dem sich die Grundeinkommensdiskussion gerade nicht unterordnen lässt. Und sie ignorieren weitgehend, zur Lösung welcher Probleme der Grundeinkommensansatz unterbreitet wird. Ein Lösungsvorschlag ist aber nur angemessen zu würdigen, wenn man die Problemdiagnose einbezieht, auf die er sich bezieht.

Fünf Punkte wenden die Autoren gegen das bedingungslose Grundeinkommen ein, die im folgenden der Reihe nach in Ausschnitten zitiert und kommentiert werden. Das vollständige Dokument findet sich hier (PDF, 407 KB).

    1. „Es ist nicht vertretbar, alle (oder nahezu alle) Sozialleistungen in einem für alle gleichen Bürgergeld aufgehen zu lassen. Die meisten Sozialleistungen sind auf ganz bestimmte Ziele oder Problemgruppen gerichtet, was sich durch einen bloßen Bezug auf das Einkommen überhaupt nicht abbilden lässt. Man denke nur an so verschiedene Leistungen wie Kriegsopferentschädigungen, Elterngeld, Ausbildungsbeihilfen, Zuschüsse zur Bildung bestimmter Alterseinkommen, usw. (…)“

Dieser Einwand unterstellt, dass der Grundeinkommensvorschlag automatisch mit dem (nahezu) vollständigen Entfallen von Sozialleistungen verbunden ist. Sachlich ist dem aber natürlich nicht so. Man kann konzeptionell ein Grundeinkommen vorschlagen und zugleich die Beibehaltung von notwendigen Sozialleistungen befürworten, was auch meistens der Fall ist. Wenn es sich hier also um einen Einwand handeln soll, dann bestenfalls gegen bestimmte Grundeinkommenskonzepte. Da aber der Hinweis auf solche fehlt, wird der falsche Eindruck erweckt, es handele sich um einen prinzipiellen Einwand.

Diesem lässt sich immerhin der nachvollziehbare Gedanke entnehmen, dass das Grundeinkommen nur diejenigen Sozialleistungen ersetzen sollte, bei denen durch die Zahlung des Grundeinkommensbetrags auch tatsächlich der ursprüngliche Bedarf entfällt. Hier ist sicherlich zukünftig eine noch differenziertere Diskussion vonnöten, die natürlich auch im Hinblick auf Finanzierungsrechnungen von Belang ist, weil die Einspareffekte davon abhängen, welche Sozialleistungen als ersetzbar gelten können.

    2. „Bedürftigkeit lässt sich nicht einfach als negative steuerliche Leistungsfähigkeit verstehen. Während sich die steuerliche Leistungsfähigkeit einigermaßen durch das tatsächlich erzielte Bruttoeinkommen indizieren lässt, und z.B. die vom Einkommensbezieher aufgewendete Mühe – aus Praktikabilitätsgründen – unberücksichtigt bleibt, kann ein geringes Bruttoeinkommen keinesfalls als alleiniger Indikator von Bedürftigkeit hingenommen werden. Bevor der Staat den Unterhalt übernimmt, sollte er sehr wohl prüfen, wie viel Mühe der potentielle Sozialhilfeempfänger für die Erzielung seines Einkommens aufgewendet hat oder ob Vermögen vorliegt. Grundsätzlich muss der Staat nicht nach den gleichen Maßstäben geben, wie er nimmt.“

Gegen eine Bedürftigkeit im Sinne einer „negativen steuerlichen Leistungsfähigkeit“ zu argumentieren, kann sich nur auf den Reformansatz einer „negativen Einkommensteuer“ beziehen, wie er in Deutschland etwa von Joachim Mitschke propagiert wird. Dieser Vorschlag weist zwar Gemeinsamkeiten mit Grundeinkommenskonzepten auf, unterscheidet sich jedoch grundlegend in der Zielsetzung. Außerdem bekommt bei einer negativen Einkommensteuer nur der Einkommensbedürftige Transferzahlungen, wohingegen beim bedingungslosen Grundeinkommen jeder, ob bedürftig oder nicht, den gleichen Betrag erhält. Dieser zweite Einwand geht daher am Grundeinkommensmodell vollständig vorbei und zeigt, wie schwierig es für die Autoren ist zu begreifen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen gerade keine Zahlung an Bedürftige aufgrund von Bedürftigkeit ist wie beim Modell einer negativen Einkommensteuer. Wer ein Grundeinkommen erhält, bekommt eben keine Hilfeleistung als Bedürftiger, sondern die gleiche Zahlung wie jeder Staatsbürger. Daher entfällt auch der Grund bzw. die Legitimation für eine Bedürftigkeitsprüfung.

Worin bestünde aber die Legitimation für eine Grundeinkommenszahlung an alle? Sie ließe sich unter anderem darin sehen, dass auf diese Weise jeder Staatsbürger an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung beteiligt würde (ähnlich wie ein Anteilseigner Dividendenausschüttungen aus der Wertschöpfung eines Unternehmens erhält) angesichts einer Entwicklung, in der Erwerbsarbeit als alleiniges Kriterium der Verteilungsgerechtigkeit nicht mehr trägt und sich die Wohlstandsverteilung verstärkt über Kapitalbesitz vollzieht. Die Ursache hierfür dürfte letztlich darin bestehen, dass im ökonomischen Wertschöpfungsprozess der Produktionsfaktor „lebendige menschliche Arbeit“ quantitativ an Bedeutung verliert zugunsten der Faktoren „Wissen“ und „Kapital“, was sich z.B. darin widerspiegelt, dass niedrig qualifizierte Tätigkeiten vom Markt immer geringer bewertet und schlechter bezahlt werden, sodass ein Vollzeiterwerbstätiger davon oft nicht mehr leben kann. Wenn der Aktienwert von Unternehmen regelmäßig nach der Ankündigung von Rationalisierungsmaßnahmen bzw. der Einsparung von Arbeitsplätzen ansteigt, so legt auch das ein beredtes Zeugnis vom quantitativen Bedeutungsverlust des Produktionsfaktors Arbeit ab.

    3. „Wenn der Staat wirklich bürgerfreundlich, unbürokratisch, auf eine bloße Einkommensteuererklärung hin einem Alleinstehenden monatlich z.B. 600 € und einer Familie mit zwei Kindern z.B. 1.800 € auszahlt, dürfte es nicht wenige geben, die sich damit zufrieden geben und ihren Lebensstandard allenfalls durch gelegentliche Schwarzarbeit aufbessern. Bei alledem ist es nicht überraschend, dass die Kosten bis auf über 200 Mrd. € jährlich veranschlagt werden. Diese Belastung ist fiskalisch nicht zu bewältigen.“

Diesen Einwand muss man als bloße und noch dazu fragwürdige Mutmaßung bezeichnen. Anscheinend glauben die Autoren, dass eine erhebliche Zahl von Menschen durch materielle Leistungsanreize zu keinem Beitrag für die Gesellschaft zu bewegen ist und durch „intrinsische Motivation“ erst recht nicht. In Wahrheit aber spricht eine Vielzahl von Forschungsergebnissen dafür, dass sich niemand der „Sinnfrage“ entziehen kann, die den Kern einer intrinsischen Motivation bildet. Den ganzen Tag vor dem Fernseher verbringen und ähnliches, das machen manche Jugendliche für eine Übergangszeit (die für ihr Erwachsenwerden durchaus eine Bedeutung hat) oder Menschen, die sich von schwerer und vor allem auch „entfremdeter“ Arbeit erholen müssen, was naturgemäß zeitlich begrenzt ist. Irgendwann stellt sich aber bei jeder unproduktiven Existenz die Sinnfrage mit bohrender Hartnäckigkeit, gerade dann, wenn man nichts zu tun hat. Diesbezüglich muss man den Autoren eine gewisse Naivität vorwerfen.

    4. „Zu bezweifeln ist, dass eine Senkung der Transferentzugsrate, wie sie in den gängigen Vorschlägen vorgesehen ist, die wirksamsten Anreize setzt. Bei hinreichend scharfen Sanktionen auf eine Arbeitsverweigerung bedarf es im Grunde keiner weiteren finanziellen Anreize zur Arbeitsaufnahme.“

Was die Autoren unter wirksamen Arbeitsanreizen verstehen, bleibt zwar offen, aber man muss hier wohl „verbetriebswirtschaftlichte“ Vorstellungen unterstellen, wie sie sich schon im vorhergehenden Abschnitt andeuteten. Die praktische Bedeutung „religiöser“ Sinnfragen und „intrinsischer Motivation“ für die Lebensführung des Einzelnen bleibt unberücksichtigt und wird offensichtlich vollkommen unterschätzt. Glauben die Autoren etwa, dass es sich dabei um etwas handelt, was nur gebildetere Kreise betrifft? Das wäre eine empirisch unhaltbare Annahme. Kein Wort verlieren die Autoren zum erheblichen Aufwand, den die „hinreichend scharfen Sanktionen auf eine Arbeitsverweigerung“ verursachen. Dieser Aufwand fiele durch ein Grundeinkommen ja gerade weg. Es wird auch nicht gewürdigt, dass ein Grundeinkommen solche Arbeitshauspraktiken explizit vermeiden soll.

    5. „Im Ergebnis erlaubt ein bedingungsloses Grundeinkommen ein Leben auf Kosten anderer. Der Empfänger solcher Sozialtransfers wird in keiner Weise dazu angehalten, zunächst für sich selbst zu sorgen und einen Beitrag für die Gesellschaft im Gegenzug für erhaltene Zahlungen zu leisten. Diese für die Nachhaltigkeit von Sozialsystemen so wichtigen Gedanken der Subsidiarität und des Gebens und Nehmens werden zugunsten eines unbedingten Nehmens aufgegeben. Dadurch werden die Grundlagen des Sozialsystems erschüttert.“

Die Aussage, dass ein Grundeinkommen ein Leben auf Kosten anderer ermöglicht, ist zwar richtig. Aber was folgt daraus? Das gilt ja genauso bei anderen Einkommensformen ohne Arbeit wie etwa bei Kapitaleinkünften und auch bei Erbschaften. Mancher Angehörige des Jetsets verprasst ein Einkommen, das nicht er sondern andere erarbeitet haben und das ihm ohne Arbeit zugefallen ist. Soll man diese Einkommensformen deswegen gleich abschaffen? Solche Egoismen sind doch – wie auch der so genannte Sozialmissbrauch – eher pathologische Ausnahmeerscheinungen. Und aus Ausnahmeerscheinungen, noch dazu aus pathologischen, einen prinzipiellen Einwand zu machen, ist wenig überzeugend.

Bei einem bedingungslosen Grundeinkommen, das zu Recht auch als „Sozialdividende“ bezeichnet wird, ist genauso wie bei anderen Formen von arbeitslosem Einkommen wie Erbschaft, Unternehmensdividende usw., realistischerweise davon auszugehen, dass sich die Zahl der Fälle in Grenzen halten wird, welche nur „nehmen“ und dieses Einkommen nicht dazu nutzen, an anderer Stelle auch etwas zu „geben“.

Alles in allem erscheinen die Einwände des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium für Finanzen gegenüber dem Grundeinkommensvorschlag wenig substantiell und durchweg einer voreingenommenen Perspektive geschuldet, sodass für die Zukunft eine sachlich angemessenere Würdigung zu wünschen bleibt.

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Der Autor

Manuel Franzmann forscht und lehrt als Sozialwissenschaftler an der Universität Frankfurt/M. und ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Netzwerks Grundeinkommen

15 Kommentare

Mark Pätzold schrieb am 31.05.2008, 11:49 Uhr

Dank für den informativen und sachlichen Beitrag an Manuel Franzmann.

Den sogenannten Analysen des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium für Finanzen klebt eine Perspektive wie Dreck am Stecken, die bisher jede Diskussion um eine soziale Reform begleitet hat: Sämtliche Argumente der \"Machbarkeit\" und \"Anwendbarkeit\" drehen sich nicht um das Ziel \"für den Menschen\", sondern beschäftigen sich mit der abstrakten Frage: \"Wie kann das System an sich bestmögich funktionieren.\" Da wird \"der Staat\" zur Person, die gibt und nimmt und verteilt - und wird behandelt, als wäre es eine natürliche Person, deren Bedürfnisse über denen der Bürger ständen.

Wir sollten Argumentationen, wie die des wiss. Beirates, per se dadurch lächerlich machen, indem wir darauf hinweisen, dass es nicht um die möglichst fehlerfreie und \"sichere\" Verwaltung von Menschen geht, sondern darum, dem Menschen bestmögliche Lebensbedingungen zu schaffen. DAS ist die Aufgabe einer modernen, staatlichen Struktur. Warum sollten sich, gemessen an den Kriterien der Vernunft, Menschen sonst organisieren, wenn nicht, um sich das Leben positiv zu gestalten - positiv im Sinn einer Erleichtung und echten Gleichberechtigung!?

Ich bin durchaus der Meinung, dass Entscheidunsgträger, die vom Prinzip eines generellen Mißtrauens den Bürgern gegenüber getrieben sind, durch Menschen ersetzt werden sollten, die ein positives Menschenbild haben.

... womit wir schon wieder beim großen Thema \"Möglichkeiten der Einflussnahme\" sind.

Grüße aus dem sonnigen Berlin

Mark Pätzold

Gisela Brunken schrieb am 31.05.2008, 22:33 Uhr

In der Internetzeitung http://www.buergerstimmen.de/politik/ngo_390.htm ist ein Kommentar zu dem Gutachten mit dem Titel: \"Professoren befürworten Zwangsarbeit\" zu lesen.

Reinhard Börger schrieb am 02.06.2008, 10:14 Uhr

Ich stimme Manuel Franzmann weitestgehend zu, habe den Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats aber bisher nur flüchtig gelesen. Da ich selbst als Mathematiker selbst Wissenschaftler bin, möchte ich mir doch schon ein paar Aussagen erlauben. Meine politischen Äußerungen, z.B. hier, stellen keinen wissenschaftlichen Anspruch.

In der Mathematik kann man durch logisches Überlegen feststellen, was richtig und falsch ist. Das Renommee und die politische oder weltanschauliche Auffassung weder des Lesenden noch des Schreibenden spielt dabei keine Rolle. Bei diesem Voschlag ist aber von Verantwortbarkeit die Rede; das ist für mich kein wissenschaftlicher Terminus, sondern gehört in die politische Auseinanderstzung. Was jemand für verantwortbar hält, muss jede und jeder selbst wissen, und dann kann politisch durch Abstimmung entschieden werden. Der Vorschlag versucht anscheinend, ein politisches Vorurteil wissenschaftlich zu kaschieren. Er stellt die Grundvoraussetzungen nicht in Frage, aber gerade um die geht es mir.

Es geht darum, wie Menschen sich durch ihre Arbeit ihr Auskommen verdienen können. Wie weit diese Arbeit zum Gemeinwohl beiträgt, wird nicht gefragt. Trägt Zigarettenwerbung wirklich zum Wohl der Allgemeinheit bei? Und wer bezahlt sie letztlich? Nur der Raucher, der meist auch ohne Werbung rauchen würde, oder auch der Nichtraucher. Im Prinzip lebt der Mensch doch nicht von seinem Einkommen, sondern konsumiert Nahrung, Wohnraum etc., die er größtenteils nicht selbst herstellt. Er kann sie sich z.B. von seinem Lohn kaufen, den er durch Zigarettenwerbung verdient. Aber leistet derjenige, der Zigarettenwerbung produziert, wirklich mehr für die Allgemeinheit als derjenige, der keinen Lohn erzielt? Zigarettenwerbung trägt jedenfalls nicht zum Angebot an Nahrung und Wohnraum bei.

In einem Punkt möchte ich allerdings Manuel Franzmann widersprechen: Die negative Einkommensteuer läuft für mich auf das Gleiche hinaus wie das Grundeinkommen, ist aber wohl organisatorisch einfacher, da sie keine eigene Behörde erfordert. Warum soll man das BGE explizit an alle auszahlen, anstatt es von der Einkommensteuer abzuziehen? Für jemanden, der wenig oder gar nichts verdient, ist die Differenz dann negativ; der entsprechende Betrag wird dann vom Finanzamt ausgezahlt, natürlich ohne Bedürftigkeitsprüfung.

Manuel Franzmann schrieb am 04.06.2008, 17:45 Uhr

Wenn ich gesagt habe, dass im Unterschied zur negativen Einkommensteuer jeder ein bedingungsloses Grundeinkommen erhielte, so ist darunter nicht zu verstehen: bar auf die Hand, sondern es läge schon nahe, beim Vorliegen von Erwerbseinkommen das Grundeinkommen mit der Steuerschuld zu verrechnen. Der Unterschied zur negativen Einkommensteuer besteht darin, dass diese Verrechnung bei Einkommen oberhalb des Mindestniveaus gar nicht existiert, sondern nur diejenigen, die unterhalb des Mindesteinkommens liegen, von ihr erfasst werden. Der Grund dafür sind der dahinter liegende Diskurs bzw. die differierenden Zielsetzungen. Die negative Einkommensteuer zielt nicht auf wie das Grundeinkommen auf den Abschied von Erwerbsarbeit als verpflichtendem Normalmodell ab.

Reinhard Börger schrieb am 05.06.2008, 14:12 Uhr

Das erscheint mir als Streit um des Kaisers Bart. Wenn man die Steuerschuld um einen bestimmten Betrag senkt und diesen Betrag vom Grundeinkommen abzieht, ändert sich nichts; es kommt letztlich nur auf die Differenz an. Diese sollte m.E. keinen Knick haben, sondern möglichst glatt verlaufen; dies dürfte auch der Intention von Manuel Franzmann entsprechen. Über die konkrete Ausgestaltung kann man diskutieren.

Herzliche Grüße

Reinhard Börger

Wolfgang Schlenzig schrieb am 09.06.2008, 09:56 Uhr

28 Professoren, davon nur 2 Frauen, aber alle ohne Sachverstand! Es geht ihnen nur um die ökonomische Verwertung der Menschen. Sie tun so, als seien die Menschen, der Staat und die Wirtschaft drei Dinge, die nicht zusammengehörten --> Die Menschen müssten für sich selbst sorgen. Aber wir leben in einer hochspezialisierten, hochproduktiven Arbeitsteilung wo allerdings das Werteschaffen inzwischen viel weniger Geld abwirft als das tägliche Spekulieren an der Börse oder anderswo in der Finanzwelt.

Einerseits sehen wir, dass die Springquellen der Produktivität erheblich spudeln, also Wohlstand für alle generieren könnten, andererseits sehen wir, dass der Staat darauf vorsätzlich verzichtet und der Umverteilung von unten nach oben weiter aktiv unterstützt.

Und dieser Staat macht sich dann noch zum Repressionshandlanger und Präkariatsorganisierer. Deshalb, nur BGE schafft Veränderungen.

Robert Bleilebens schrieb am 29.06.2008, 14:27 Uhr

„Zu bezweifeln ist, dass eine Senkung der Transferentzugsrate, wie sie in den gängigen Vorschlägen vorgesehen ist, die wirksamsten Anreize setzt. Bei hinreichend scharfen Sanktionen auf eine Arbeitsverweigerung bedarf es im Grunde keiner weiteren finanziellen Anreize zur Arbeitsaufnahme.“

Ein unglaublicher Schwachsinn! Selbstverständlich setzt die Senkung der Transferentzugsrate einen wirksamen Anreiz.

Diese unsinnige Behauptung dieser Professoren-Clique kommt doch offensichtlich nur dadurch zustande, daß diese selber

1.) davon nicht betroffen sind und es auch nie sein werden und

2.) auch nie auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht haben, wie es denn wäre, wenn sie selber davon betroffen wären.

Denn sie würden garantiert eine Grenzbelastung von 80% - 90% nicht akzeptieren und diese als leistungsfeindlich kritisieren - und das auch völlig zu Recht!

Aber Arbeitslosen soll das zugemutet werden! Hier zeigt sich eine für erhebliche Teile der heutigen selbsternannten \"Elite\" typische zweigeteilte Denkweise, die fordert, andere Menschen ganz anders zu behandeln als sie selbst behandelt werden möchten.

Bernd Kowarsch schrieb am 14.07.2008, 19:40 Uhr

Meine Kritik am \'Punkt 2\' würde eher an einem Bruch in der Argumentation festmachen.

Der Beirat des BMF argumentiert zunächst mit einem Mangel an Transparenz beim Nachweis der Bedürftigkeit (hier schon kann man ja einwenden, dass zumindest in einem auch Vermögenssteuern umfassenden Steuersystem die Bedürftigkeit genügend festgestellt werden könnte).

Daran anschließend jedoch spricht er \'plötzlich\' davon, sehr wohl die LEISTUNGSbereitschaft prüfen zu wollen: \"Bevor der Staat den Unterhalt übernimmt, sollte er sehr wohl prüfen, wie viel Mühe der potentielle Sozialhilfeempfänger für die Erzielung seines Einkommens aufgewendet hat oder ob Vermögen vorliegt.\"

Während Vermögen die Abhängigkeit von öffentlichen Transfers noch auszusetzen vermag (so im System der Neg.ESt), bedeutet die Müheprüfung in diesem Pseudozusammenhang doch recht genau: \"Wernicharbeitenwill ist satt\".

Es soll hier offenbar gar kein Bedarf geprüft, sondern mittels einer willkürlichen Behauptung die Verknüpfung zweier grundverschiedener Dinge hergestellt werden.

Von einem wie immer festgestellten Leistungsunwillen kann man auf alles und gar nichts schließen (der Calvinist auf Geisteskrankheit, der Buddhist auf Reife), bestimmt aber nicht auf Bedarfsdeckung. Der Konnex von Leistungsunwillen und Bedarfsdeckung gleicht dem von Kriegsdienstverweigerung und Vogelfreiheit.

Anstatt gegen die Bedürftigkeit zu argumentieren IGNORIERT der Beirat die Frage nach einem Verfahren mit dem sie festzustellen wäre. Jeder Gedanke daran, ein Bedarf könne ohne Bereitschaft bestehen, ist ihm Verschwendung - was folgt ist Verdrängung nach dem Motto \'irgend ein Druckmittel wurde noch immer gebraucht und das war schließlich auch ausreichend verfügbar\'.

_

Weiter hielte ich gerade den Begriff einer allgemeinen Bedürftigkeit für nützlich. Also nicht: \'Gleichgültig ob bedürftig oder nicht soll jedeR ein Einkommen erhalten\' sondern: \'jedeR soll ein Einkommen erhalten weil jedeR bedürftig ist\' oder anders: \'gleichgültig ob Einkommen oder nicht ist jedeR bedürftig\'. Aufgrund dieser allgemeinen Bedürftigkeit (Abhängigkeit von individuell nicht veränder-, vertretbaren Lebensbedingungen) ist dann die ebenso allgemeine Zahlung des Grundeinkommen nicht nur legitim sondern geboten - und unabhängig von den Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft.

Peter Müller schrieb am 02.05.2009, 01:48 Uhr

Zur Kritik an Punkt 5:

Es wird kritisiert, dass auch andere Einkommensarten ein Leben ohne Arbeit auf Kosten anderer ermöglichen. Es geht aber darum auf wessen Kosten man ohne Arbeit lebt.

Bei Erbschaftseinkünften lebt der Erbe auf Kosten des Erblassers. Dieser hat freiwillig den für das Zustandekommen eines Erbes notwendigen Konsumverzicht geleistet.

Genauso bei Kapitaleinkünften. Dort wird auf Kosten derer gelebt, die sich das Kapital geliehen haben. Ebenfalls freiwillig.

Bei einem BGE wird jedoch auf Kosten der Allgemeinheit gelebt, der das Geld gewaltsam in Form von Steuern genommen wird.

Gisela Brunken schrieb am 03.05.2009, 13:10 Uhr

zu Punkt 5 und zum Kommentar von Peter Müller: Hier wurde vielleicht das BGE mit einer negativen Einkommenssteuer verwechselt. Ein BGE ist eine Zahlung an ALLE und kein Empfangen von Sozialtransfers. Erwerbstätige haben dann die Sicherheit, auf ihr BGE zurückgreifen zu können, wenn sie einmal ihren Arbeitsplatz verlieren. Sie verlieren Existenzangst und erhalten eine bessere Ausgangsbasis beim Aushandeln von Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit und Vergütungen. Es gibt kein BGE auf Kosten der Allgemeinheit, von einem BGE profitiert die gesamte Allgemeinheit in einem wohl noch kaum vorstellbaren Ausmaß.

Viktor Panic schrieb am 05.05.2009, 12:00 Uhr

Kritiker Peter Müller macht den typischen Fehler, zu übersehen, dass es das HEUTIGE System ist, welches Steuergelder verschwendet:

Indem es \"zielgenau\" nur \"den Bedürftigen\" ihr Existenzminimum von der Allgemeinheit finanziert; indem es Menschen, deren Einkommen nicht zum Leben reicht, nur \"das Nötigste\" an \"Aufstockung\" zugesteht; und indem es Menschen, deren Einkommen gerade zum Leben ausreicht, völlig im Stich lässt:

ENTWERTET es Arbeit für die Betroffenen und bürdet zugleich dem jeweiligen Arbeitgeber die alleinige Verantwortung für den Lebensunterhalt seines Beschäftigten (und evtl dessen Kinder) auf, treibt dadurch die Lohnkosten für einfache Tätigkeiten auf ein international nicht konkurrenzfähiges Niveau hoch, welches zur Verknappung derartiger Jobs im Inland führt; es puscht die verbliebenen Erwerbstätigen zu möglichst langen Arbeitszeiten, weil nur hohe Einkommen wirklich ihre Mühe wert sind, und führt dadurch zur Konzentration der verbliebenen Arbeit auf möglichst wenige Arbeitskräfte.

Das BGE hingegen würde gerade der Mitte der Gesellschaft finanziell nützen, die heute vermeintlich unter \"hohen Sozialabgaben und hohen Steuern\" ächzt, indem es wieder einen fairen Zusammenhang zwischen Leistung und Einkommen herstellt.

Echte Faulpelze - von denen es gar nicht so viele gibt, wie manche meinen - würden (rein finanziell gesehen) noch am wenigsten von seiner Einführung profitieren!

Ein Wort noch zu Gisela Brunkens Replik:

Es GIBT keinen GRUNDSÄTZLICHEN Unterschied zwischen Grundeinkommen und Negativsteuer! (Natürlich muss die Negativsteuer vernünftig konzipiert sein, damit sie auch das Kriterium der Bedingungslosigkeit erfüllt: Nämlich, dass Bürger mit Null Erwerbseinkommen genügend Negativsteuer erhalten, um davon in Würde leben zu können.)

Lothar Mickel schrieb am 07.05.2009, 05:52 Uhr

Das BGE muss selbstverständlich ausschließlich aus Steuern auf den Geldumlauf finanziert werden - wie alle anderen hoheitlichen Aufgaben auch. Wichtig dabei ist ein einheitlicher und damit auch gerechter Prozentsatz OHNE jegliche Progression. Wer dann viel Geld \"umschaufelt\" - also der sogenannte \"Leistungsträger\" - leistet logischerweise nominell - keinesfalls jedoch prozentual - einen höheren Beitrag zum BGE. Und anders kann es doch garnicht sein.

Manuel Franzmann schrieb am 09.05.2009, 15:35 Uhr

Zu Peter Müllers Kommentar: Ich haben gar nicht kritisiert, dass man auf Basis von Kapitaleinkünften oder eines Erbes leben kann, ohne dafür arbeiten zu müssen. Da liegt offenkundig ein Missverständnis vor. Außerdem lässt sich das vorgebrachte Argument mit der Freiwilligkeit natürlich auch für das Grundeinkommen geltend machen: Bei einem BGE entscheidet die Allgemeinheit aus freien Stücken über seine Einführung. Daher ist das Argument, dass beim BGE \"jedoch auf Kosten der Allgemeinheit gelebt (wird), der das Geld gewaltsam in Form von Steuern genommen wird\" wirklich unsinnig.

Gisela Brunken schrieb am 11.05.2009, 22:27 Uhr

Den Unterschied zwischen einer negativen Einkommenssteuer und einem Grundeinkommen finde ich in dem Film \"Grundeinkommen\" dargestellt. Außerdem wird in den kommenden Folgen von \"Radio Grundeinkommen\" von Anne Allex auf den Unterschied hingewiesen, zu hören am Samstag den 16. Mai um 8.00 Uhr als Kurzfassung und am Samstag den 23. Mai als eineinhalbstündige Sendung von 20.00 - 21.30 Uhr. In Göttingen und Umgebung per Radio: Stadtradio Göttingen, 107,1 MHz. Darüber hinaus: per Internet auf www.stadtradio-goettingen.de, livestream.

Viktor Panic schrieb am 14.05.2009, 13:38 Uhr

Zum angeblichen \"Unterschied zwischen Grundeinkommen und Negativsteuer\":

... (im) Film von Schmidt und Häni (\"Grundeinkommen Film hier ansehen\" googeln).

Dort wird keineswegs ein \"Unterschied\" beschrieben. Zwar wird das Konzept des Wirtschaftnobelpreisträgers Milton Friedman kurz erwähnt, ... und es entsteht der Eindruck, dass dieses Konzept der Vergangenheit angehöre. Genaues über die Funktionsweise wird im Film übrigens auch nicht gesagt. Doch später im Film, in Minute 78, wird dargelegt, dass auch beim von Häni und Schmidt favorisierten Modell Bürger mit niedrigem Einkommen \"eine Steuer ausgezahlt bekommen\", eine Negativsteuer also! Entscheidend ist, was hinten rauskommt, hat mal ein Politiker gesagt. Daher müssen wir grundsätzlich darauf achten, wie sich ein Konzept TATSÄCHLICH auf unterschiedliche Einkommen auswirkt, und dass nicht bloß \"Grundeinkommen\", \"Bürgergeld\", \"Negativsteuer\", \"Nationaldividende\", \"Existenzgeld\" oder \"Kombilohn\" draufsteht. Diese Begriffe KÖNNEN alle dasselbe bedeuten! Doch gerade beim \"Kombilohn\" konnte man sehen, wie eine gute Idee durch falsche Umsetzung ad absurdum geführt wurde!

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