Fragen und Antworten

 

Ausgangslage

 

Die Produktivität ist seit Beginn der industriellen Revolution und dann im 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts ständig gestiegen. Das hat einerseits zu leistungsfähigeren Volkswirtschaften und zu einem höheren Lebensstandard der Bevölkerung geführt. Andererseits führt der Produktivitätsfortschritt in Volkswirtschaften mit gesättigten Märkten dazu, dass Arbeitskraft in immer mehr Bereichen überflüssig wird.

Das bedeutet

  • einerseits gesellschaftlichen Reichtum sowie die Möglichkeit, Wohlstand für alle zu schaffen,
  • andererseits gleichzeitig strukturelle Arbeitslosigkeit.

Gesellschaften mit hochproduktiven Volkswirtschaften haben noch nicht gelernt, mit diesem Widerspruch umzugehen. Sie beklagen deshalb die Tatsache, dass Arbeitsplätze wegrationalisiert werden, anstatt die Chance zu erkennen: die Perspektive hochproduktiver Gesellschaften, allen Menschen ein Grundeinkommen zukommen zu lassen.

Was ist das bedingungslose Grundeinkommen?

Das Grundeinkommen ist ein universelles soziales Menschenrecht, welches durch das politische Gemeinwesen gewährleistet wird.

Es umfasst vier Grundelemente:

  • Existenz- und Teilhabesicherung
  • individueller Rechtsanspruch für alle Menschen
  • keine Bedürftigkeitsprüfung
  • kein Zwang zur Arbeit oder zu anderen Gegenleistungen

Warum brauchen wir das bedingungslose Grundeinkommen?

Durch den technischen Fortschritt sind wir heute in der Lage, alle benötigten Güter und Dienstleistungen zu erstellen. Die Bedrohung durch Armut, ein Anachronismus angesichts des heutigen, so nie da gewesenen Reichtums, wird durch das Grundeinkommen für alle abgeschafft. Aus sozialen, ethischen und humanistischen Gründen ist es unabdingbar, dass der heute vorhandene wirtschaftliche Gesamtreichtum für eine globale, qualitativ veränderte Wohlstandspolitik für alle genutzt wird. Die Freiheit eines jeden Menschen, sein Leben eigenverantwortlich zu gestalten, wird durch das Grundeinkommen gestärkt. Bislang unbezahlte Tätigkeiten werden finanziell abgesichert. Auch die Unternehmen gewinnen: Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind besser zur Leistung im Sinne ihres Unternehmens motiviert, denn sie können ja wesentlich freier entscheiden, ob sie gerade diese Arbeit leisten wollen. Bei Unternehmensneugründungen kann mehr Mut zum Risiko aufgebracht werden, denn die Existenz- und Teilhabesicherung ist gegeben. Das Grundeinkommen stabilisiert die Kaufkraft und kann somit Konjunkturschwankungen abfedern.

Auch praktische Gründe sprechen für ein Grundeinkommen. Die Sozialversicherungssysteme finanzieren sich bisher im Wesentlichen aus Beiträgen der sozialversicherungspflichtig Erwerbstätigen. Anrecht auf eine auskömmliche soziale Absicherung hatten deshalb bis vor wenigen Jahren nur jene, die aus ihrem Erwerbseinkommen regelmäßig und vor allem dauerhaft Sozialbeiträge gezahlt hatten. Heute, unter den Bedingungen von Hartz IV, ist nicht einmal mehr die materielle Existenz ausreichend gewährleistet. In Zeiten weithin niedrig bezahlter Jobs, von Leiharbeit oder von befristeten Arbeitsverträgen, von (Schein-)Selbständigkeit und anderen prekären Formen „neuer Arbeit“ muss das Sozialsystem erneuert werden. Soziale Sicherheit für alle gilt es neu zu gewinnen. Ein durch Steuern finanziertes Grundeinkommen ist der Weg dorthin.

Das Netzwerk Grundeinkommen

Einig ist sich das Netzwerk über die vier Kriterien des Grundeinkommens: Es soll die Existenz sichern, gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen und ohne Bedürftigkeitsprüfung sowie ohne Zwang zur Arbeit oder zu einer anderen Gegenleistung ausgezahlt werden. Es stellt einen individuellen Rechtsanspruch dar.

Das Netzwerk ist pluralistisch und ein Diskussionsforum für die vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten eines Grundeinkommens, das diesen Kriterien gerecht wird.

Die folgenden Antworten auf oft gestellte Fragen erheben nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit für das Netzwerk, auch nicht auf Vollständigkeit.

Es gibt heute viele gesellschaftliche Probleme, die auf eine Lösung warten (zum Beispiel Klimawandel, Bildung, Zukunftsperspektiven). Das Grundeinkommen gibt nur auf einige davon Antworten: auf Massenarbeitslosigkeit und mangelnde Zukunftsperspektiven, auf Veränderungen in der Arbeitswelt (höherer Stellenwert von Wissen sowie von sozialen und persönlichen Fähigkeiten und Kompetenzen in der Arbeit, Prekarisierung), auf die Sehnsucht der Menschen nach einem selbstbestimmten und erfüllten Leben in Solidarität. Hier kann ein Grundeinkommen sehr viel Positives bewirken. Viele weitere Probleme können mit einem Grundeinkommen auf neuartige Weise angegangen werden.

Im Folgenden werden Fragen aus mehreren Themenkreisen beantwortet:

Gerechtigkeit

 

1. Widerspricht ein Grundeinkommen nicht dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit? Sollte nicht jeder, der von der Gesellschaft etwas erhält, dafür auch etwas „leisten“?

Die Absicherung der Existenz und der Anspruch eines jeden Menschen auf gesellschaftliche Teilhabe sind Grundrechte. Ein Grundrecht besteht unabhängig davon, ob Menschen etwas „leisten“ oder nicht. Es ist nicht an eine Gegenleistung geknüpft. Die Umkehrung dieses Gedankens würde bedeuten, nur jenen Menschen Existenz und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, die – von wem auch immer definierte – Nützlichkeits- bzw. Leistungskriterien erfüllen. Tut ein Mensch dies nicht, würde ihm das Existenz- und Teilhaberecht abgesprochen – wie zum Beispiel durch das menschenrechtswidrige Gesetz Hartz IV.

In einer Gesellschaft, die Güter und Infrastruktur mit immer geringerem Produktionsaufwand bereitstellen kann, ist dieses Menschenrecht materiell abgesichert.

2. Ist das Grundeinkommen Lohn für Leistung?

Das Grundeinkommen ist keine Belohnung für irgendwelche Tätigkeiten, aber es ist deren Ermöglichung. Es bildet für jeden Menschen die ökonomische Basis, auf der er sich eigenverantwortlich und selbstbestimmt in seine soziale Umwelt einbringen und an der Gesellschaft teilhaben kann, in welcher Form und in welchem Bereich auch immer. Es ermöglicht also selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Engagement. Und die Erfahrung bestätigt: Wer sich aus eigener, freier Entscheidung und eigenverantwortlich engagieren kann, ist hoch motiviert, kreativ und sinnerfüllt tätig – egal ob bei der Erwerbsarbeit, beim bürgerschaftlichen Engagement und bei der Ausübung eines Ehrenamtes, im privaten Umfeld (z. B. Kindererziehung oder Pflege) oder bei der eigenen immateriellen Tätigkeit (Beispiel Bildung). Zwang zur Tätigkeit dagegen hemmt, verhindert und bremst motiviertes und sinnerfülltes Engagement.

3. Widerspricht das Grundeinkommen objektiv bestimmbaren Leistungsnormen?

Was als Leistung betrachtet wird, unterliegt geschichtlichen Veränderungen, wandelt sich ständig. Leistungsbewertung ist weltanschaulich und politisch begründet. Daraus folgt, dass Leistung nicht objektiv bestimmbar ist. So wurde z. B. in der Antike Arbeitsleistung als Arbeit von Sklaven gering geschätzt, Muße und Bildung dagegen sehr hoch. Auch waren vor der Reformation Muße und religiöse Handlungen weitaus anerkannter als Arbeit, begründeten auch einen höheren Status und eine bessere materielle Absicherung.

In vielen Kulturen waren und sind Leistungen im Finanzmarktbereich (z. B. Zinserträge) verpönt, teilweise waren sie sogar verboten. Heute ist es in der westlichen Hemisphäre eine Selbstverständlichkeit, dass eine bezahlte Leistung höher bewertet wird als Tätigkeiten im ehrenamtlichen oder im privaten Zusammenhang. Auch dort, wo Verkäufer und Käufer aushandeln, wie eine Leistung wirtschaftlich zu bewerten ist, geschieht dies vor dem Hintergrund kultureller Gewohnheiten und Wertvorstellungen, die sich mit der Zeit ändern. Wenn sich in einer politischen Demokratie Leistungsnormen entwickeln, stoßen diese nicht notwendig auf die Zustimmung aller. Ein Beispiel sind Leistungen, die als Erwerbsarbeit anerkannt werden, aber mit gemeinwohlschädlichen oder unökologischen Effekten verbunden sind.

Außerdem wird es in komplex-arbeitsteiligen Gesellschaften und Ökonomien immer schwieriger, den Beitrag des Einzelnen zum Gesamtergebnis zu ermitteln oder gar zu messen.

Aus all diesen Gründen darf eine wie auch immer definierte Leistungsnorm nicht dazu dienen, Menschen das Recht auf Existenz und gesellschaftliche Teilhabe abzusprechen, wenn sie eine Leistung nicht erbringen.

4. Kann der Staat einfach ein Einkommen auszahlen, obwohl doch alles, was für Geld zu bekommen ist, erst einmal erarbeitet werden muss?

Die ökonomische Basis des gesellschaftlichen Wohlstands und somit auch des Grundeinkommens ist ein Ergebnis der kulturellen Entwicklung der Menschheit, sozusagen kumuliertes produktives Wissen und Können. Sie ist kein alleiniges Verdienst der gegenwärtigen Gesellschaft. Die kulturellen Ressourcen gehören allen. Ebenfalls allen gehören die für die Arbeit genutzten natürlichen Ressourcen. Wer die allen gehörenden Ressourcen zum Geld- bzw. Einkommenserwerb nutzen will, ist zu einer Abgeltung an alle verpflichtet. So trägt das Grundeinkommen zu einer gerechteren Verteilung bei.

5. Vertragen Menschen die Freiheit, sich ohne Existenzangst und Angst vor Ausgrenzung in die Gesellschaft einzubringen, sich sinnvoll zu betätigen?

Ja. Die tägliche Erfahrung bestätigt, welches enorme Arbeitspensum freiwillig geleistet wird – auch an notwendigen Tätigkeiten. Im Jahr 2001 wurden in Deutschland 96 Milliarden Stunden Arbeit im privaten und im bürgerschaftlichen Bereich geleistet – fast doppelt so viele wie in der Erwerbsarbeit. Alle drei Tätigkeitsbereiche sind zum Teil nur sehr mangelhaft und je nach sozialer Lage unterschiedlich abgesichert. Mit einem Grundeinkommen würden alle diese Tätigkeiten gleichermaßen abgesichert: durch ein höheres Einkommen, durch die Möglichkeit der Verkürzung der Arbeitszeit, durch mehr Zeit für die Erweiterung individueller Fähigkeiten und Kompetenzen.

Es ist klar, dass ein Grundeinkommen zur Gestaltung einer menschenwürdigen Gesellschaft durch weitere Strategien untermauert werden muss. Dazu gehören:

  • ungehinderter Zugang aller Menschen zu Bildung, Wissen und Kultur, zum öffentlichen Verkehr und zur Gesundheitsversorgung sowie
  • Förderung benachteiligter Menschen und die
  • Unterstützung gesellschaftlich nützlicher Arbeit auf allen Gebieten.

6. Sollte das Grundeinkommen nicht nur jenen gewährt werden, die wenigstens eine bestimmte Zeit gesellschaftlich nützliche Arbeit leisten?

Nein, alle sollen darauf ein Anrecht haben. Auch hier stellt sich die Frage, wer das Recht hat, darüber zu befinden, ob eine konkrete Tätigkeit gesellschaftlich nützlich ist oder nicht. Übrigens: Selbst wenn alle einem Katalog solcher Tätigkeiten zugestimmt hätten, wäre nur höchst bürokratisch zu kontrollieren, ob die Kriterien von den Einzelnen tatsächlich eingehalten würden. Außerdem hätte die Bedingung „gesellschaftlich nützliche Tätigkeit“ die bereits genannten menschenrechtswidrigen Konsequenzen für Existenzsicherung und gesellschaftliche Teilhabe. Ein menschenwürdiges Leben ohne Einkommen ist in der heutigen Gesellschaft nicht möglich. Das Einkommen zur Sicherung der Existenz und Teilhabe an eine Arbeits- oder Tätigkeitsverpflichtung zu knüpfen, hieße, ein menschenwürdiges Leben an eine Verpflichtung zu binden. Dies widerspricht der grundgesetzlich geschützten Unbedingtheit der Würde des Menschen (Grundgesetz, Artikel 1) und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Grundgesetz, Artikel 2).

7. Wie hoch soll das Grundeinkommen sein?

Der konkrete Betrag für Existenzsicherung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben muss sich nach dem jeweiligen nationalen Standard richten. Das derzeitige Niveau der sozialen Grundsicherungen in der Bundesrepublik Deutschland kann zwar das bloße Überleben, nicht aber eine menschenwürdige Existenz sicherstellen. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist gegenwärtig nicht gesichert, obwohl der Mensch als ein soziales Wesen Anspruch darauf hat. Das Niveau des Grundeinkommens für Deutschland muss demnach bedeutend höher sein als das jetzige Grundsicherungsniveau.

8. Wie sieht es mit dem Anreiz zur Erwerbsarbeit aus, wenn das Grundeinkommen eingeführt ist? Würde dann noch jemand arbeiten gehen?

Arbeiten, die niemand gerne tut, die aber für unsere Gesellschaft wichtig sind, müssen besser bezahlt oder attraktiver gemacht werden. Erwerbsarbeit in einer Grundeinkommensgesellschaft wird von beiden Seiten (Arbeitskraftanbieter und Kapitalanleger) im Hinblick auf den Sinn der Tätigkeit und die Arbeitsbedingungen sorgfältiger ausgehandelt werden, als es bisher – unter dem Diktat der Not – geschah. Die Menschen werden in höherem Maße das tun, was sie tun wollen. Das kann die Effizienz der Erwerbsarbeit steigern, so dass künftig mit weniger Arbeit mehr und Besseres erreicht werden kann.

Tätigkeiten, in denen Menschen keinen Sinn sehen, werden mehr und mehr rationalisiert oder ersetzt. Langfristig geht es um einen grundlegenden Wandel vom heute oft erlebten Zwang zur Erwerbsarbeit zum freiwilligen Erarbeiten der notwendigen Güter und Dienstleistungen. Das setzt eine Veränderung der Arbeitsbedingungen (demokratische Gestaltung der Produktion) und ebenso das Grundeinkommen voraus. Ersteres befördert ideell, Letzteres materiell den Wandel vom Zwang zur Erwerbsarbeit hin zur frei gewählten ökonomischen Tätigkeit, also zum Menschenrecht auf Arbeit. Erwerbsarbeit erlaubt es darüber hinaus, mehr als „nur“ Existenz und Teilhabe abzusichern. Sie bietet ein zusätzliches Einkommen. Es bestehen also über das Grundeinkommen hinaus weitere materielle Gründe (nicht aber Zwänge) für Erwerbsarbeit.

9. Wird die Möglichkeit, nur von einem Transfereinkommen zu leben, die von Erwerbsarbeit ausgegrenzten Bevölkerungskreise („Unterschicht“) nicht erst recht vom Rest der Bevölkerung abkoppeln?

Erstens ist es unendlich humaner, mit einem Grundeinkommen von der Erwerbsbevölkerung abgekoppelt zu sein, als ohne ein solches (wie es heute der Fall ist). Menschen, die keine Chance auf halbwegs attraktive Erwerbsarbeit haben, mit der Drohung der puren Not in schlechte Jobs zu zwingen, grenzt viel stärker aus und fixiert die Chancenlosen vollkommen im gesellschaftlichen Abseits.

Zweitens kann das Ende der allgemeinen Nötigung zur Erwerbsarbeit viel von dem heute vorherrschenden Druck aus dem Arbeitsleben herausnehmen. So können neue Arbeitsplätze entstehen, auf die heute Ausgegrenzte wirklich Lust bekommen, ohne pädagogisch bevormundet oder existenziell genötigt zu werden.

10. Muss man nicht befürchten, dass bei vielen Jugendlichen der Anreiz abnimmt, sich für Bildung und Ausbildung anzustrengen? Fehlen dann nicht bald Fachkräfte?

Auch mit Grundeinkommen ist die Motivation für Jugendliche, einen Beruf zu erlernen, ausreichend hoch. Sie besteht darin, dauerhaft ein höheres Einkommen zu erzielen, ganz abgesehen von den identitätsstiftenden Nebenwirkungen eines guten Berufs. Den Beruf nicht nur zu lernen, sondern ihn auszuüben und auch im Berufsleben mit Menschen zusammenzukommen, die mit gleichem Ziel arbeiten, ist ein wesentlicher Aspekt der Motivation. Auch das Interesse am Gegenstand und der Drang, sich selbst zu bewähren und eigene Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, sind ein starker Antrieb für erfolgreiches Lernen und werden das auch bleiben. Drohende materielle Not dagegen verführt dazu, voreilig Kompromisse hinzunehmen und auf eine gute Ausbildung zu verzichten. Zu meinen, Jugendliche würden nur unter Zwang einen anspruchsvollen Beruf ergreifen, ist ein Misstrauen, das jeder Grundlage entbehrt und der Erfahrung mit fast allen Kindern und Jugendlichen diametral entgegensteht.

11. Grundeinkommen für alle bedeutet doch, mit den Steuergeldern der Fleißigen den Faulen ein angenehmes Leben zu ermöglichen!

Dieser Einwand gegen das Grundeinkommen unterstellt zweierlei: einmal die Zweiteilung der Gesellschaft in Zahlende und solche, die Zahlungen erhalten. In Wirklichkeit erhalten aber beim Grundeinkommen alle eine Geldzahlung bzw. haben einen Anspruch auf das Grundeinkommen. Auch gibt es einen großen Zwischenbereich: Für viele Erwerbsarbeitende, also Steuerzahler, verbessert sich die Situation durch das Grundeinkommen deutlich. Und zweitens wird mit diesem Einwand vereinfachend unterstellt, dass Steuerpflichtige fleißig seien, diejenigen, die eine Geldleistung erhalten, dagegen faul. Die Wirklichkeit ist aber sehr viel differenzierter.

Für Annehmlichkeiten aller Art im Sinne von Luxus wird das Grundeinkommen nicht hoch genug sein können. Anders sieht es aus, wenn mit „angenehm“ gemeint ist, ein Leben ohne Arbeitszwang, ohne perspektivlose Billig-Jobs und ohne Bevormundung durch Behörden führen zu können. In dieser Hinsicht ermöglicht ein Grundeinkommen in der Tat allen ein angenehmes Leben – auch den Faulen.

12. Ist nicht die Möglichkeit, mit dem Grundeinkommen ein gesichertes Leben zu führen, eine Gefahr für die Arbeitsmoral?

Ja, und das ist auch gut so. In einer Überflussgesellschaft mit hoher unfreiwilliger Arbeitslosigkeit kann es nicht vorrangig um eine Steigerung der Arbeitsbereitschaft gehen. Heute hat die Not vieler Erwerbsloser die Funktion eines abschreckenden Beispiels und schüchtert viele Beschäftigte so ein, dass sie immer geringere Ansprüche stellen und alle Zumutungen akzeptieren. Durch ein Grundeinkommen ändert sich diese Situation. Die Menschen entscheiden selbst, welche Arbeit sie für zumutbar halten. Die Möglichkeit, zu inakzeptablen Bedingungen Nein zu sagen, gestattet es, wieder höhere Ansprüche an die eigene Arbeit, an das Leben überhaupt zu stellen. Das wäre eine neue Arbeitsmoral, die individuelle Freiheit und Verantwortung statt erzwungener Tätigkeit groß schreibt. Diese neue Arbeitsmoral würde durch ein Grundeinkommen wesentlich gestärkt.

Durch das Grundeinkommen würde es auch möglich, das Leben oder einzelne Lebensabschnitte ohne irgendwelche Dienste für andere Menschen zu verbringen, also ohne etwas zum Wohl der Gemeinschaft beizutragen. Menschen, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, erfüllen indirekt eine wichtige Funktion: Sie zeigen, dass der Bezug des Grundeinkommens nicht daran gebunden ist, dass man etwas tut, was andere für nützlich halten. Sie bringen zum Ausdruck, dass es eine ernst zu nehmende Option aus dem Erwerbsleben auszusteigen tatsächlich gibt, und sind so auf paradoxe Weise Garanten der neuen Freiheit. Sie nützen – ohne dies zu beabsichtigen – damit auch den Erwerbstätigen.

13. Besteht nicht die Möglichkeit, dass Aussteiger zu viele Nachahmer finden und damit die materielle Basis des Grundeinkommens in Gefahr gerät?

Es gibt ausreichend Gründe und Anreize, in Freiheit sinnvoll aktiv zu sein. Darüber hinaus wird auch das Interesse, ein Einkommen deutlich über dem Grundeinkommen zu erzielen, weiterhin zur Erwerbsarbeit motivieren. Aber tatsächlich gilt: Je höher das Grundeinkommen ist, desto höher ist der Betrag, der durch Erwerbsarbeit erwirtschaftet werden muss. Ein Rückgang der Bereitschaft zur Erwerbsarbeit hätte Einfluss auf die Höhe des Grundeinkommens.

14. Ist nicht zu befürchten, dass die durch das Grundeinkommen ermöglichten freiwilligen Tätigkeiten nur Arbeiten zweiter Klasse sind?

Zunächst ist daran zu erinnern (siehe Antwort auf Frage 5), dass bereits heute die meiste Arbeit unbezahlt geschieht und der Erwerbsökonomie als Basis dient. Zu denken ist hier vor allem an die immer noch überwiegend von Frauen verrichtete Arbeit in der Familie. Die Tätigkeit in der Familie ist nur ein Beispiel für nützliche, sinnvolle, aber unbezahlte Arbeit. In ganz verschiedenen sozialen Kontexten werden Menschen nicht durch die Aussicht, verkäufliche Produkte herzustellen, zu großem Einsatz mit vorbildlichem Ergebnis motiviert, sondern durch ihre Begeisterung für ein gemeinsames Anliegen. Beispiele sind Kunst, Wissenschaft, Sport, die Open-Source-Bewegung, Do-it-yourself im Handwerk, politisches Engagement in Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO’s), Ehrenamt in karitativen Einrichtungen.

Mit einem Grundeinkommen ausgestattet können Menschen diese Tätigkeiten zu ihrem Lebensmittelpunkt machen, ohne sich um ihre existenzielle Absicherung sorgen zu müssen.

15. Warum sollen grundsätzlich alle Menschen unabhängig von ihren finanziellen Verhältnissen das Grundeinkommen bekommen? Ist es gerecht, wenn eine Millionärin oder ein Millionär ein Grundeinkommen erhält?

Das Grundeinkommen soll als Rechtsanspruch allen zustehen – ohne eine sozialadministrative Überprüfung von Einkommen und Vermögen, wie zum Beispiel bei den Grundsicherungen. Es ist nicht ungerecht, dass auch eine Millionärin oder ein Millionär diesen Anspruch hat, denn das Grundeinkommen ist ein Grundrecht eines jeden Menschen, wie es ein Grundrecht auf den Besuch einer öffentlichen Schule oder auf die Benutzung eines öffentlichen Weges oder ein aktives und ein passives Wahlrecht für jede und jeden gibt – egal ob arm oder reich, ob faul oder fleißig.

Menschen mit hohem Einkommen oder großem Vermögen erhalten zwar das Grundeinkommen. Sie müssen aber zur Finanzierung des Grundeinkommens einen Beitrag zahlen (zum Beispiel als Steuer), der den Betrag ihres Grundeinkommens übersteigt, sie sind also Nettozahlerinnen bzw. Nettozahler.

Außerdem wird mit dem Grundeinkommen Armut am wirkungsvollsten verhindert – Einkommensarmut ebenso wie verdeckte Armut. Letztere resultiert auch daraus, dass ca. vier Millionen Bedürftige die sozialen Transfers, welche ihnen eigentlich zustehen, gar nicht in Anspruch nehmen. Die Ursache dafür ist im Wesentlichen, dass die Leute schlecht informiert sind über die höchst intransparenten Sozialleistungen bzw. dass sie sich schämen, diese Leistungen in Anspruch zu nehmen. Das Grundeinkommen hebt alle diese Mängel auf – weil es jedem Menschen als Grundrecht von vornherein und ohne Diskriminierung zusteht.

Darüber hinaus werden mit der Abschaffung der Bedürftigkeitsprüfung Menschen und Geldmittel für wichtigere Aufgaben in der Gesellschaft frei (Stichwort Bürokratieabbau).

16. Sollen auch Ausländer ein Grundeinkommen erhalten, solange sie in Deutschland leben?

Das Grundeinkommen ist ein Menschenrecht, nicht ein Recht, das an eine bestimmte Nationalität gebunden ist. Das Ziel des Netzwerks ist die europa- und weltweite Einführung des Grundeinkommens und der Zugang aller Menschen zu einem Grundeinkommen, egal wo sie leben. Bei der Einführung eines Grundeinkommens zunächst in einem Land sollen auch Ausländerinnen und Ausländer das Grundeinkommen erhalten. Über die genaue Abgrenzung des Kreises der Berechtigten sowie darüber, welche Konsequenzen daraus für die Zuwanderung zu ziehen sind, hat das Netzwerk keine einheitliche Meinung.

Es spricht einiges dafür, dass eine Verbesserung der sozialen Sicherheit im Inland günstige Auswirkungen hat, sowohl im Hinblick auf einen humaneren Umgang mit Flüchtlingen und Migrantinnen bzw. Migranten als auch im Hinblick auf die Bereitschaft zu internationalen Transfers („Entwicklungszusammenarbeit“), perspektivisch für ein weltweites Grundeinkommen.

17. Erhält man das Grundeinkommen auch im Ausland? Konkret: Kann man sein Grundeinkommen auch in Thailand verfrühstücken?

Die überwiegende Meinung im Netzwerk Grundeinkommen ist, dass alle das Grundeinkommen beziehen sollen, welches in dem Land ihres Lebensmittelpunkts gezahlt wird. Ein Deutscher, der dauerhaft in Thailand wohnt, würde also das dort geltende Grundeinkommen beziehen. Solange es in Thailand kein Grundeinkommen gibt, erhält ein Deutscher, dessen Lebensmittelpunkt in Thailand liegt, also kein Grundeinkommen.

Grundeinkommen und Sozialsystem

 

Vorbemerkung: Das Grundeinkommen geht weit über den Charakter einer Sozialleistung hinaus. Es ist ein Grundrecht jeder Bürgerin und jedes Bürgers – ein Menschenrecht. Es besitzt den gleichen Stellenwert wie der freie Zugang aller Menschen zur sozialen, kulturellen und politischen Infrastruktur.

18. Macht das Grundeinkommen steuerfinanzierte Sozialtransfers überflüssig?

Ein Grundeinkommen in der Bundesrepublik Deutschland würde viele steuerfinanzierte Sozialtransfers zusammenfassen, zum Beispiel alle genannten Grundsicherungen, BAföG, Kindergeld. Darüber hinaus kann der Grundfreibetrag der Einkommensteuer, der die Steuerfreiheit des Existenzminimums gewährleisten soll, durch das Grundeinkommen ersetzt werden.

19. Werden Renten und Arbeitslosengeld durch das Grundeinkommen ersetzt?

Durch Beiträge erworbene Ansprüche auf Sozialleistungen sind individuelle Rechtsansprüche an das System der sozialen Sicherung und damit an die Versichertengemeinschaft. Solche Ansprüche können zum Teil mit dem Grundeinkommen als Sockel (zum Beispiel in der Arbeitslosen- oder in der Rentenversicherung) abgegolten werden, ersatzlos wegfallen dürfen sie nicht. In welcher Form beitragsfinanzierte Sozialsysteme künftig gestaltet werden – ergänzend zu einem steuerfinanzierten Grundeinkommen –, ist weiteren Diskussionen vorbehalten. Es gilt: Das Grundeinkommen soll von Existenzangst und sozialer Ausgrenzung befreien. Das Grundeinkommen darf nicht zum Sozialabbau führen – im Gegenteil, es soll gerade davor schützen.

20. Wie ist das mit der Krankenversicherung? Muss vom Grundeinkommen auch die Krankenkasse bezahlt werden?

Jeder Mensch muss ohne Wenn und Aber Zugang zu ausreichender Gesundheitsversorgung haben. Ob die Krankenkassenbeiträge im Grundeinkommen integriert sind oder nicht, hängt vom konkreten Modell ab. Entscheidend ist, dass das Grundeinkommen ohne den Krankenkassenanteil die Existenz und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sichert.

21. Gibt es noch Wohngeld, wenn das Grundeinkommen eingeführt wird?

Ja – wie heute in bestimmten Fällen. Bedenken muss man bei dieser Frage, dass die Mieten regional sehr unterschiedlich sind und einen erheblichen Teil des Haushaltsbudgets aufzehren. Das gilt auch für Wohneigentum. Wo die Wohnkosten besonders hoch sind, erscheint ein Wohngeld nach einer regional differenzierten Wohngeldtabelle notwendig und gerecht. Dann wird das Wohngeld – wie heute – auf Antrag und nach einer Einkommensprüfung gezahlt, ist also mit bürokratischer Kontrolle verbunden. Wünschenswert wäre es daher, dass mit dem Grundeinkommen alle Wohnkosten bestritten werden können.

Es muss außerdem bedacht werden, dass für das Wohngeld auch die Einkommen der im Haushalt Lebenden geprüft werden. Das Wohngeldgesetz muss im Sinne einer Individualisierung geändert werden, damit die heute beim Wohngeld bestehende Bedarfs- bzw. Einsatzgemeinschaftsregelung der Grundsicherungen für den Wohngeldbezug nicht fortbesteht. Darüber hinaus wird beim jetzigen Wohngeldgesetz lediglich die Bruttokaltmiete als Berechnungsgrundlage herangezogen. Die ständig steigenden Ausgaben für die Heizung bleiben unberücksichtigt. Regionale Modifizierungen, eine strikte Individualisierung und die Bruttowarmmiete als Grundlage der Berechnung wären also Mindestanforderungen an eine akzeptable Wohngeldregelung, die das Grundeinkommen ergänzt.

Als Alternative zu einer Fortschreibung des Wohngeldrechts und zur Absicherung gegen Inflation sind immobilienrechtliche Reformen angezeigt, welche aufgrund von Knappheit und Spekulation überhöhte Mieten und Immobilienpreise wieder sinken lassen. Spekulation mit Immobilien hat in den letzten Jahrzehnten derart häufig die Wirtschaft aus dem Gleichgewicht gebracht (zuletzt in der US-amerikanischen Subprime-Krise), dass die Frage, welchen Einfluss Immobilieneigentum auf das Gleichgewicht der laufenden Produktion haben darf, auf die politische Tagesordnung gehört.

22. Werden mit dem Grundeinkommen Menschen nicht einfach nur mit Geld abgespeist statt gezielt unterstützt?

Ein Grundeinkommen ersetzt soziale Unterstützung sowie öffentliche Infrastruktur und Dienstleistungen nicht. Jeder Mensch, der soziale Unterstützung benötigt, hat ein Recht darauf. Soziale Unterstützung sowie öffentliche Infrastruktur und Dienstleistungen müssen deshalb so ausgebaut werden, dass sie den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer genügen. Allgemeiner ungehinderter Zugang muss gewährleistet sein. Das Recht auf soziale Unterstützung ist genauso ein Grundrecht wie der Zugang zu Bildung, Kultur, Wissen, öffentlichem Verkehr und Gesundheitsversorgung. Auch diese Bereiche müssen dazu beitragen, allen Menschen eine umfassende, selbstbestimmte gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Politische Argumente, die das Grundeinkommen gegen soziale Unterstützung sowie öffentliche Infrastruktur und Dienstleistungen ausspielen, verkennen, dass Geld allein nicht ausreicht, um gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Auch ist zu bedenken, dass Gebühren für die Unterstützungsangebote sowie für Infrastruktur und Dienstleistungen den realen Wert des Grundeinkommens schmälern. Daher ist auf geringe Gebühren zu achten bzw. eine umfassende Gebührenfreiheit für die öffentliche Infrastruktur und für öffentliche Dienstleistungen zu gewährleisten.

Vollbeschäftigung, Mindestlohn und Grundeinkommen

 

23. Muss die Gesellschaft auch bei einem Grundeinkommen noch für Vollbeschäftigung sorgen? Ist das Grundeinkommen eine Kapitulation vor der Massenarbeitslosigkeit?

Das Grundeinkommen gibt keine Antwort auf die Frage, ob Vollbeschäftigung – in welcher Form auch immer – machbar ist. Es beantwortet die Frage, ob Menschen grundabgesichert, unter von ihnen selbst mitbestimmten und akzeptierten Arbeitsbedingungen leben können – ob nun mit oder ohne Vollbeschäftigung. Wenn Vollbeschäftigung bedeutet, dass jeder Mensch zu seinem Grundeinkommen etwas dazuverdienen kann, ist sie zu begrüßen. Zugang zu fachlicher und beruflicher Qualifikation gehört dazu. Ein Grundeinkommen fördert diese Form der Vollbeschäftigung und überdies die Arbeitszeitverkürzung (Teilung von Arbeitszeit). Bedeutet Vollbeschäftigung hingegen, dass alle eine Erwerbsarbeit haben müssen, ist sie unter den Bedingungen unserer Wohlstandsgesellschaft abzulehnen. Arbeitszwang würde nicht nur die Mitbestimmung im Wirtschaftsleben zunichte machen, er wäre auch menschenrechtswidrig. Außerdem ist eine solche Vollbeschäftigungsgesellschaft ideologisch einseitig auf einen einzigen Tätigkeitsbereich fixiert: die Erwerbsarbeit. Bürgerschaftliches Engagement, Ehrenamt und unbezahlte Arbeit im privaten Bereich würden weiterhin gering geschätzt.

24. Braucht der Staat sich nicht mehr darum zu kümmern, dass Arbeitsplätze geschaffen werden, wenn es ein Grundeinkommen gibt?

Im Netzwerk Grundeinkommen gibt es hierzu unterschiedliche Auffassungen. Aktive Beschäftigungspolitik sei erforderlich, weil ein bloßes Grundeinkommen den meisten Menschen nicht das angestrebte Lebensniveau garantieren würde, sagen die einen. Erst wenn ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung stünden, hätten alle Bürgerinnen und Bürger die Freiheit, sich für eine Erwerbstätigkeit nach ihren Vorstellungen zu entscheiden. Andere argumentieren, der Staat müsse lediglich die Rahmenbedingungen für eine produktive Wirtschaft schaffen. Alle wollen, dass eine offensive Bildungspolitik dafür sorgt, dass alle Bürgerinnen und Bürger ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten entwickeln können und damit beste Voraussetzungen haben, eine befriedigende Tätigkeit auszuüben. Dies zu fördern und diejenigen bei der Qualifizierung zu unterstützen, die das nicht ohne Hilfe schaffen, bleibt weiterhin eine öffentliche Aufgabe.

25. Kann die Arbeitsagentur aufgelöst werden?

Ein ausreichendes Grundeinkommen ist nur finanzierbar, wenn eine hohe gesamtwirtschaftliche Leistung erreicht wird. Die berufliche Qualifizierung der Menschen ist deshalb auch in Zukunft extrem wichtig. Ebenso wichtig sind alle Maßnahmen, durch die Erwerbsarbeit Suchende Unterstützung erhalten. Dazu gehört auch eine engagierte Arbeitsförderung und -vermittlung, die allerdings dem Prinzip der Freiwilligkeit und nicht – wie heute – dem Prinzip des Zwangs und der Repression verpflichtet ist.

26. Wie wirkt sich ein Grundeinkommen auf die Erwerbsarbeit der Frauen aus?

Das Grundeinkommen in Verbindung mit sozialen Angeboten ermöglicht allen Menschen unabhängig vom Geschlecht Entscheidungsfreiheit bei der Kombination verschiedener Arbeits- und Tätigkeitsformen und ihrer Abfolge im Lebenslauf. Neben dem Grundeinkommen müssen – wie auch heute schon – politische Konzepte entwickelt werden (z. B. Ausbau der Kinderbetreuung), die Frauen denselben Zugang zur Erwerbsarbeit ermöglichen wie Männern. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist in diesem Zusammenhang mit Grundeinkommen ebenso wichtig wie ohne Grundeinkommen.

27. Ist ein Mindestlohn noch nötig, wenn es ein Grundeinkommen gibt?

Die Frage nach dem Mindestlohn wird im Netzwerk Grundeinkommen nicht einheitlich beantwortet. Befürworter sehen den Mindestlohn als Gewähr dafür, dass Erwerbsarbeit angemessen entlohnt wird. Ein Mindestlohn müsse bei Vollzeit-Erwerbsarbeit zu einem Einkommen deutlich über dem Grundeinkommen führen. Würde dies nicht erreicht, bestünde die Gefahr, dass der Anreiz zur Arbeitsaufnahme im unteren Einkommensbereich zu gering wäre und dadurch die Finanzierungsbasis für das Grundeinkommen geschmälert würde (vgl. Frage 13). Es sei nicht die Aufgabe der Steuerzahlerinnen und -zahler, den Unternehmen einen – beträchtlichen – Teil der Lohnkosten abzunehmen (Kombilohn).

Gegner des Mindestlohns argumentieren, dass es in erster Linie darauf ankomme, alle Menschen mit einem ausreichenden Einkommen auszustatten. Außerdem stärke ein Grundeinkommen die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern auch hinsichtlich der Lohnhöhe. Somit sei bei einem Grundeinkommen in ausreichender Höhe ein Mindestlohn nicht erforderlich. Die gestärkte Position des Arbeitnehmers erlaube es ihm, einen angemessenen Lohn für sich auszuhandeln. Er sei nicht mehr mit einem Hungerlohn abzuspeisen.

Einigkeit gibt es darüber, dass ein Grundeinkommen keinesfalls so niedrig sein darf, dass Menschen gezwungen sind, Erwerbsarbeit aufzunehmen, um ihre Existenz und gesellschaftliche Teilhabe zu sichern. Dies wäre kein Grundeinkommen im Sinne der vier Kriterien des Netzwerks Grundeinkommen. Auch würde dies die Logik der gestärkten Position des Arbeitnehmers wieder aufheben. Solche niedrigen Transfers würden einen Mindestlohn und andere zusätzliche Sozialleistungen erforderlich machen.

28. Was unterscheidet das Grundeinkommen von der Negativen Einkommensteuer?

Ein Grundeinkommen kann als Sozialdividende oder als Negative Einkommensteuer ausgestaltet sein (siehe hierzu die Begriffserklärungen). Als Sozialdividende wird es jedem Menschen im Voraus ausgezahlt. Später erfolgt die übliche Steuererklärung beim Finanzamt, das die Steuer abhängig von Einkommen und Vermögen berechnet.

Auch mit der Negativen Einkommensteuer besteht der Anspruch auf ein Grundeinkommen, nur wird dessen Höhe erst bei der Steuererklärung berechnet und erstattet bzw. mit den zu zahlenden Steuern verrechnet. Eine Steuererstattung im Voraus wäre mit erheblicher Bürokratie verbunden. Eine Negative Einkommensteuer ist im Übrigen nur dann ein Grundeinkommen, wenn sie dessen Kriterien entspricht. Eine Negative Einkommensteuer nur für Geringverdienende wäre kein Grundeinkommen. Sie wäre ein flächendeckender Kombilohn, also letztlich eine Subvention für Unternehmen, die ihren Beschäftigten einen nur sehr geringen Lohn zahlen.

Gesundheit, Ökologie und Grundeinkommen

 

29. Werden die Menschen durch das Grundeinkommen gesünder?

Armut ist ein ernstes Gesundheitsrisiko. Arme Menschen haben eine deutlich niedrigere Lebenserwartung. Das Grundeinkommen will unter anderem die Armut abschaffen und ist schon insofern gesundheitsförderlich. Auch ist wissenschaftlich erwiesen, dass Menschen, die in einer Gesellschaft mit geringeren Einkommensunterschieden leben, grundsätzlich gesünder sind. Das Grundeinkommen verringert Einkommensunterschiede. Hinzu kommt, dass Menschen, die sich auf ein Grundeinkommen verlassen können, Arbeit unter gesundheitsschädlichen Bedingungen leichter ablehnen oder die Verhältnisse verbessern können, während sie heute noch gezwungen sind, diese zu akzeptieren. Wer Einfluss auf die eigenen Lebensbedingungen hat und sich nicht unterordnen muss, lebt gesünder.

30. Kann das Grundeinkommen zum ökologischen Wandel und zu einem sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen beitragen?

Sicher ist, dass ein Umdenken in Wirtschaft und Gesellschaft, mit dem ökologische Schäden vermieden und weniger natürliche Ressourcen verbraucht werden, nur demokratisch erreichbar ist. Das heißt einerseits, dass demokratische Elemente in allen gesellschaftlichen Bereichen, auch in der Ökonomie, ausgebaut werden müssen, auch um Konkurrenz- und Profitdenken zurückzudrängen, die den Ressourcenverbrauch in die Höhe treiben. Andererseits bedeutet es auch, dass die Menschen eine gesicherte materielle Grundlage brauchen, damit sie an diesen demokratischen Prozessen ohne Existenzangst, Diskriminierung und Stigmatisierung teilnehmen können. Anders als bei einer Grundsicherung, die an verschiedene Bedingungen geknüpft ist, ist das mit einem Grundeinkommen möglich. Grundsätzlich erleichtert ein Grundeinkommen, welches eine Umverteilung der Einkommen von oben nach unten bewirkt, auch eine Produktions- und Lebensweise, die mehr auf immaterielle und emotionale Qualitäten zielt als bisher. Auch andere Wirkungen des Grundeinkommens können ein Leben jenseits des Wachstums fördern. So würde die regionale ökonomische Vernetzung – insbesondere im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen und handwerklicher Produktion – durch das Grundeinkommen befördert.

31. Führt ein Grundeinkommen, welches von Reich zu Arm umverteilt, nicht zu einem kräftigen Konsumschub bei den unteren Einkommensschichten und damit zu einem erhöhten Verbrauch natürlicher Ressourcen?

Wird ein Grundeinkommen eingeführt, erhöht sich zuerst der Konsum bei den unteren Einkommensschichten, denn die Armut wird wirksam bekämpft. Der Nachholbedarf der bisher offen oder verdeckt Armen soll befriedigt werden. Dazu gehört, dass ökologisch verträglichere Konsumgüter auch für Menschen erschwinglich werden, die sie sich bisher nicht leisten konnten. Dieser Konsumschub wird ausgeglichen, indem der oft besonders umweltschädliche Konsum bei Menschen mit hohem Einkommen durch die stärkere Besteuerung beschnitten wird. Darüber hinaus entzieht eine Umverteilung von oben nach unten dem Finanzmarkt destabilisierendes und den Verbrauch von natürlichen Ressourcen vorantreibendes Kapital.

32. Stärkt ein Grundeinkommen wirklich das ökologische Handeln?

Erstens ermöglicht das Grundeinkommen jedem Menschen, unökologische, massenhaft Ressourcen vernichtende Erwerbsarbeit abzulehnen. Niemand kann mehr zu solcher Erwerbsarbeit erpresst werden, jeder muss die Verantwortung für sein Tun übernehmen. Die heute noch mögliche Ausrede „Ich muss ja, weil sonst meine Existenz gefährdet ist!“ gilt nicht mehr. Durch ein Grundeinkommen gestärkt, werden Menschen weniger als bisher bereit sein, nach dem Motto „Hauptsache Arbeit“ ökologische und gesundheitliche Ressourcen zu vergeuden (z. B. durch tägliches stundenlanges Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsplatz). Weiterhin befördert das Grundeinkommen solidarische und ökologische Wirtschaftsbeziehungen. Auch eröffnet es jedem Menschen die Möglichkeit, kürzer zu arbeiten und die gewonnene Zeit in bürgerschaftliche, soziokulturelle und künstlerisch-musische Aktivitäten zu investieren oder einfach mal nichts zu tun. Ein Grundeinkommen öffnet also Freiräume für Aktivitäten und Lebensstile mit ökologisch weniger schädlichen Folgen und bedeutend geringerem Ressourcenverbrauch.

33. Befördert ein Grundeinkommen nicht einen konsumistischen Lebensstil?

Im Gegenteil: So wie die Produktion durch das Grundeinkommen ökologischer wird, ändert sich auch der Konsum zum Positiven. Weil die Menschen, gestärkt durch das Grundeinkommen, bessere Arbeitsbedingungen aushandeln und selbstbestimmt arbeiten, haben sie in der Freizeit weniger das Bedürfnis, zum Ausgleich zu konsumieren. Außerdem verschwinden durch das Grundeinkommen Existenzängste, die nicht unwesentlich zu einem unvernünftigen Konsumverhalten beitragen. Auch neid- oder statusgesteuerter Konsum („Der Nachbar hat doch auch so ein tolles Auto!“) wird in dem Maße zurückgedrängt, wie Einkommensunterschiede durch ein Grundeinkommen verringert werden.

34. Gibt es Überlegungen, die Finanzierung eines Grundeinkommens auch dafür zu nutzen, den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu minimieren?

Einige Grundeinkommenskonzepte sehen für die Finanzierung explizit Steuern vor, die das ökologische Verhalten und den Ressourcenverbrauch positiv beeinflussen (Ressourcenverbrauchssteuern, Ökobonus usw.). Wenn darauf geachtet wird, diese Finanzierungsmöglichkeiten mit der angestrebten Umverteilung von oben nach unten zu verbinden, wirken ökologische und soziale Effekte zusammen.

Finanzierbarkeit

 

35. Wie soll das Grundeinkommen finanziert werden? Ist es überhaupt finanzierbar?

Zunächst: Es wäre eine Milchmädchenrechnung, einfach die Bevölkerungszahl mit einem bestimmten Geldbetrag zu multiplizieren, um dann beim Blick auf das Milliardenergebnis zu behaupten, ein Grundeinkommen sei nicht finanzierbar. Zu einem großen Teil ist das Grundeinkommen bereits heute finanziert.

Zum einen werden Milliarden durch Einsparungen bei den steuerfinanzierten Sozialleistungen und Steuervergünstigungen frei, die durch das Grundeinkommen ersetzt werden. Die Mittel, die derzeit zum Beispiel für Grundsicherungen, Kindergeld und BAföG aufgewendet werden, stehen für die Finanzierung des Grundeinkommens zur Verfügung, weil das Grundeinkommen ihre Funktion übernimmt. Auch der Grundfreibetrag der Einkommensteuer (also die Steuerfreiheit des Existenzminimums) kann entfallen, wenn das Grundeinkommen das Existenzminimum garantiert. Diese Einsparungen reichen allerdings nicht, wenn das Grundeinkommen eine soziale Verbesserung bringen soll. Zusätzliche Steuern oder Abgaben müssen also zur Finanzierung erhoben werden. Dabei muss von Reich zu Arm umverteilt werden. Mittlere Einkommen sollen dagegen per Saldo (Steuern minus Grundeinkommen) keine zusätzlichen Lasten tragen.

Zur Finanzierung des Grundeinkommens gibt es sehr unterschiedliche Vorschläge, von der Einkommensteuer auf der einen Seite bis hin zu einer alleinigen Mehrwertsteuer auf der anderen – mit allen Zwischenstufen und verschiedenen weiteren Steuerarten. Auf der Website des Netzwerks Grundeinkommen findet sich die vergleichende Darstellung von Transfermodellen (inklusive ihrer jeweiligen Finanzierung), die für sich beanspruchen, ein Grundeinkommen zu sein.

Im Kern muss jedes Grundeinkommen aus der durch die Wirtschaft erbrachten Wertschöpfung und damit aus dem gesamten Volkseinkommen finanziert werden. Deshalb ist die entscheidende Frage zur Finanzierbarkeit die Frage nach den Folgen des Grundeinkommens für die Wertschöpfung, also für Anreize zur Erwerbsarbeit, zur Ausbildung und zum unternehmerischen Engagement (vgl. oben Fragen 4 bis 8). Bei einem ausreichend hohen Volkseinkommen ist auch die Finanzierung des Grundeinkommens gesichert. Dazu wird es zweifellos kommen, denn die Produktivität wird durch die höhere Motivation der Erwerbstätigen gesteigert, und durch das bessere Zusammenwirken von Erwerbsarbeit und anderen Tätigkeiten steigt der Wohlstand.

36. Wie wird das Grundeinkommen gegen Inflation gesichert?

Alle Vorstellungen vom Grundeinkommen gehen davon aus, dass Preissteigerungen ausgeglichen werden. Das Grundeinkommen muss also dynamisch sein. Um die reale Kaufkraft des Grundeinkommens zu sichern, kann auch die Veränderung der Rahmenbedingungen für manche Märkte (z. B. Miet- und Immobilienmarkt, siehe oben, Frage 21) sinnvoll sein.

37. Steigt durch ein Grundeinkommen die Inflation?

Nein. Ein Grundeinkommen verteilt Geld um, ähnlich wie andere politisch gewollte Umverteilung, z. B. bei Sozialtransfers und Subventionen. Das Preisniveau ändert sich dadurch nicht, denn die Geldmenge wird nicht größer und der Geldumlauf wird nicht beschleunigt.

Es ist keine allgemeine Preiserhöhung zu erwarten, aber eine andere Struktur der Preise. Güter und Dienstleistungen, die überwiegend unangenehme Arbeit erfordern, könnten in der Tat teurer werden. Andererseits zeigt sich bereits heute eine günstige Entwicklung, beispielsweise bei der Open-Source-Bewegung, die durch das Grundeinkommen einen mächtigen Schub erhalten wird. Hier entstehen viele Dinge allein aus der Motivation heraus, etwas zu schaffen. Die Ergebnisse sind herkömmlichen Produkten durchaus ebenbürtig, ja zum Teil sogar leistungsfähiger, und sie werden kostenlos oder zu niedrigen Preisen bereitgestellt. Ähnlich preisdämpfend wirken auch regional vernetzte Wirtschaftsformen, die ebenfalls durch das Grundeinkommen erleichtert werden.

Politische Durchsetzbarkeit

 

38. Ist das Grundeinkommen politisch durchsetzbar?

Schon heute gibt es in vielen Ländern Bestrebungen, ein Grundeinkommen einzuführen, zum Beispiel in Namibia, in der Mongolei, in Südafrika, in Brasilien und in einigen europäischen Ländern. Diese Bestrebungen werden von einer Vielzahl gesellschaftlicher Initiativen getragen. Das Grundeinkommen wurde in den letzten Jahren immer bekannter und findet zunehmend Rückhalt in der Bevölkerung.

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es mittlerweile in vielen gesellschaftlichen Bereichen, auch in fast allen politischen Parteien, Bestrebungen für ein Grundeinkommen. Je mehr Menschen sich für ein Grundeinkommen einsetzen, je breiter die Unterstützung in der Gesellschaft wird, desto eher werden sich die Parteien der Idee annehmen und die politische Durchsetzung voranbringen.

Mit Karl Marx beantwortet: „Eine Idee wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift.“ Oder mit Victor Hugo: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“

 

Information

 

Weiterführende Literatur ist im Netzwerk Grundeinkommen aufgelistet (www.grundeinkommen.de/die-idee/literatur).

Umfassende Informationen zum Grundeinkommen bietet das Archiv Grundeinkommen (www.archiv-grundeinkommen.de)

Aktuelles aus Presse, Funk und Fernsehen sowie eine reichhaltige Dokumentation zu neuen wissenschaftlichen Werken findet sich unter Aktuelles im Archiv Grundeinkommen

 

Dieser Text wurde im April 2012 aktualisiert. Die alte Version ist noch als PDF-Datei verfügbar.